Der Vorsitzende einer „Deutschtums“-Organisation aus dem Netzwerk der Berliner Außenpolitik steht im Mittelpunkt einer Regierungskrise in Rumänien. Die rumänische Opposition, die Anfang der Woche den bisherigen Ministerpräsidenten gestürzt hat, will den Bürgermeister von Sibiu, Klaus Johannis, mit dem Amt betrauen. Staatspräsident Traian Băsescu verweigert sich ihrem Ansinnen und hat nun einen Finanzexperten zum Regierungschef nominiert. Johannis leitet das „Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien“, eine Mitgliedsvereinigung der „Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen“ (FUEV), die von Norddeutschland aus unter anderem die deutschsprachigen Minderheiten Europas koordiniert – mit staatlicher Unterstützung. Die FUEV, die einst von früheren NS-Rassisten gegründet wurde, arbeitet ebenso mit Johannis zusammen wie die deutsche Hermann-Niermann-Stiftung, die vor Jahren wegen verdeckter Einflussnahme für „Deutschtums“-Organisationen im Osten Belgiens schwere Proteste hervorrief.
Johannis‘ Nominierung ist nach der Verleihung des Literaturnobelpreises an eine „Rumäniendeutsche“ die zweite außergewöhnliche Maßnahme zugunsten des rumänischen „Deutschtums“ binnen einer Woche.
Die rumänischen Oppositionsparteien, die zu Wochenbeginn den Ministerpräsidenten per Misstrauensvotum stürzten, haben den bisherigen Bürgermeister von Sibiu („Hermannstadt“), Klaus Johannis, für den Posten des Übergangsministerpräsidenten nominiert. Staatspräsident Traian Băsescu verweigert sich dem Ansinnen und hat den Finanzexperten Lucian Croitoru als neuen Amtsinhaber benannt. Croitoru müsste vom Parlament bestätigt werden; dies gilt jedoch als äußerst unwahrscheinlich, da die Parlamentsopposition über eine Mehrheit verfügt und auf ihrem Kandidaten Johannis beharrt. Der Ausgang des Streits ist offen.
Ethnopolitik
Klaus Johannis entstammt dem Milieu des rumänischen „Deutschtums“, dem er deutsche Sekundärtugenden „wie Korrektheit, Zuverlässigkeit, Pragmatismus und Effizienz“ attestiert. Er ist Vorsitzender der lokalen „Deutschtums“-Organisation, des „Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien“ (DFDR), die, wie viele andere ost- und südosteuropäische Zusammenschlüsse deutschsprachiger Minderheiten, unmittelbar nach den Umbrüchen im Jahr 1989 gegründet wurde. Das DFDR sowie sein Vorsitzender Johannis sind in die Netzwerke des europaweiten „Deutschtums“ eng eingebunden. Das DFDR ist assoziiertes Mitglied der „Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen“ (FUEV), einer Organisation, die nach dem Zweiten Weltkrieg von früheren NS-Rassisten gegründet wurde und nach traditionellen Kriterien deutscher Ethnopolitik zahlreiche Minoritäten in Europa und Zentralasien zusammenschließt. Innerhalb der FUEV ist das DFDR außerdem in der „Arbeitsgemeinschaft der deutschen Minderheiten“ organisiert, die in regelmäßigem Austausch mit dem deutschen Innenministerium steht. Der FUEV gehört auch die Partei der ungarisch sprechenden Minorität Rumäniens an (Uniunea Democrată Maghiară din România, UDMR), die im Parlament vertreten ist und Johannis jetzt für den Posten des Ministerpräsidenten vorgeschlagen hat.
Konspiration
Johannis ist in Rumänien bislang als Bürgermeister von Sibiu („Hermannstadt“) bekannt. Seit er im Jahr 2000 dieses Amt übernahm, macht Sibiu in der Tat durch regelmäßige ökonomische Erfolgsmeldungen von sich reden. „Die Altstadt ist ein Schmuckstück, die Wasserleitungen funktionieren, und obendrein gibt es kaum Arbeitslose“, heißt es in einem aktuellen Pressebericht; unter dem „Deutschen“ Johannis sei die Kommune „ein Erfolgsmodell“ geworden. Tatsächlich verwaltet Johannis geschickt die Unterstützung, die seiner Gemeinde aus Deutschland zuteil wird, um mit ihr ein Modell einer „Deutschtums“-Insel in Südosteuropa zu schaffen. Mit der gemeinhin Johannis zugeschriebenen Altstadt-Renovierung hatte die deutsche GTZ bereits vor seiner Amtsübernahme begonnen – im Auftrag des Bonner Entwicklungsministeriums. In Sachen Wasser kam das deutsche THW Johannis zu Hilfe. Weiteren Beistand leisteten „Deutschtums“-Organisationen aus der Bundesrepublik. So ließ sich etwa die Düsseldorfer Hermann-Niermann-Stiftung bei der „Förderung von kulturellen, wissenschaftlichen und sozialen Projekten“ – unter anderem zugunsten der deutschsprachigen Minderheit Rumäniens – vom DFDR und von Johannis persönlich beraten. Die Niermann-Stiftung wurde vor Jahren bekannt, weil sie verdeckt Einfluss in der deutschsprachigen Minderheit Ostbelgiens nahm, damals übrigens in Kooperation mit Kräften der äußersten völkischen Rechten. Über den Vorsitzenden der Stiftung darf gesagt werden, er sei „Mitwisser einer Konspiration“ gewesen, die „gegen Belgien“ gerichtet war.
Sonderförderung
Johannis verfügt darüber hinaus über beste Kontakte zu Berliner Regierungsstellen und zu führenden deutschen Politikern. Seine „Deutschtums“-Organisation, das DFDR, wird vom Bundesministerium des Inneren bevorzugt gefördert: Von 1990 bis 2004 wurden 88,33 Millionen Euro für die „Stabilisierung der deutschen Minderheit in Rumänien“ eingesetzt. Als wegen der schwierigen Haushaltslage der Bundesrepublik auch die Mittel für die „Auslandsdeutschen“ gekürzt werden mussten, sagte der damalige Bundesinnenminister Otto Schily im November 2004 Klaus Johannis die „bevorzugte Behandlung“ der deutschsprachigen Minderheit in Rumänien zu. Tatsächlich wurden die Mittel für das rumänische „Deutschtums“ nur um neun Prozent gekürzt, während durchschnittlich 23 Prozent eingespart wurden. Allein in diesem Haushaltsjahr sieht die deutsche Bundesregierung für die Förderung der deutschsprachigen Minderheit in Rumänien ein Budget von rund 1,6 Millionen Euro vor.
Beeindruckende Bilanz
Persönlich in Sibiu begrüßen konnte Klaus Johannis in den letzten Jahren eine ganze Reihe hochrangiger deutscher Regierungsvertreter des Bundes und der Länder. Neben dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hans-Peter Kemper, und dem Bundeskulturbeauftragten, Bernd Neumann, besuchten die Ministerpräsidenten Thüringens (Dieter Althaus) und des Saarlandes (Peter Müller) Johannis‘ Heimatstadt. Hans-Gert Pöttering, Präsident des Europäischen Parlaments, und die Arbeitsgruppe „Vertriebene und Flüchtlinge“ der CDU/CSU-Bundestagsfraktion reisten ebenfalls nach „Hermannstadt“; der Delegationsleiter der Arbeitsgruppe, Erwin Marschewski, gratulierte Johannis zu seiner „beeindruckenden Leistungsbilanz“. Bundespräsident Horst Köhler ließ sich 2007 persönlich von Bürgermeister Johannis durch die Stadt führen und würdigte ausdrücklich das „positive Wirken der Deutschen in Osteuropa am Beispiel Hermannstadts“.
Verdienstpreis
Schließlich erhielt Johannis Ende letzten Jahres gemeinsam mit Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble den „Preis für Verdienste um die deutsche und europäische Verständigung“ der „Deutschen Gesellschaft e.V.“. Die Laudatio hielt der frühere Bundesinnenminister und Ehrenbürger von Sibiu, Otto Schily. Im Kuratorium der einflussreichen Gesellschaft ist unter anderem Bundeskanzlerin Angela Merkel Mitglied. Merkel war im Jahr 2005 Trägerin desselben Preises.
Nicht mehr souverän
Die Nominierung von Klaus Johannis durch eine Parlamentsmehrheit in Bukarest ist nach der Verleihung des Literaturnobelpreises an die „rumäniendeutsche“ Autorin Herta Müller der zweite außergewöhnliche Schritt zugunsten des rumänischen „Deutschtums“ binnen einer Woche. Johannis‘ überaus enge Bindung an Berlin lässt erkennen, dass die Souveränität Rumäniens in Frage stünde, würde er rumänischer Ministerpräsident. Eine Mehrheit im Bukarester Parlament ist offenbar zu einem solchen Schritt bereit.
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