Mit der Schweinekombo gegen die Apartheid und Lothar Geislers erstes Mal. Ein Interview.
Lothar ist Baujahr 1953; Ausbildung als Chemielaborant; 1981-1986 Redakteur beim ehemaligen SDAJ-Magazin „elan“; seit 1991 Verlagsgeschäftsführer und Redakteur der Marxistischen Blätter sowie der UZ; DKP-Mitglied seit 1975.
POSITION: Lothar, Du fährst als SDAJ-Veteran mit zu den Weltfestspielen nach Südafrika. Warum?
Lothar: Wir wollen im Verlag der Marxistischen Blätter wieder ein Buch über die Weltfestspiele herausbringen. Ähnlich wie nach den Weltfestspielen 2005 in Venezuela. Das möchte ich vor Ort journalistisch betreuen. Und ganz persönlich freue ich mich, die Weltfestspiele endlich einmal live mitzuerleben, noch bevor ich in Rente gehe. Südafrika ist sozusagen mein erstes Mal.
POSITION: Aber Du warst erstmals 1994 als offizieller Wahlbeobachter des WBDJ dort…
Lothar: Ich sollte im Vorfeld dieser historischen ersten freien Wahl als UZ-Redakteur aus Südafrika berichten. Beim Hinflug traf ich auf dem Londoner Flughafen zufällig einen Genossen der damaligen WBDJ-Leitung. Wahlbeobachter kamen 1994 nicht nur von der UNO oder von Regierungen, sondern auch z.B. aus der Anti-Apartheidsbewegung. Und da war der WBDJ natürlich dabei. So wurde ich dann „offizieller Wahlbeobachter“; ganz unbürokratisch.
POSITION: Welche persönliche Bedeutung hatte dieser Einsatz für Dich?
Lothar: Die letzten Tage eines Rassistenregimes live mitzuerleben, Comrades persönlich kennenzulernen, die dafür gekämpft haben und die verfolgt wurden, ist natürlich schon ein Privileg, von dem man auch emotional lange zehrt. Besonders beim Blättern in alten „elan“-Ausgaben der 80er Jahre wurde mir wieder klar, was für eine verdammt lange, blutige, komplizierte Zangengeburt diese bürgerlich-demokratische Revolution in Südafrika war. Aber auch wieviel Herzblut, Ideen und Kraft wir in konkrete Solidarität gesteckt haben. Dass der Sieg über das Apartheidsregime auch ein kleines Stückchen unser Sieg als SDAJ war, habe ich in Südafrika immer wieder gehört. Und das tat verdammt gut, weil wir in Europa den Crash des Sozialismus sehr im Focus hatten. Man kann aber nicht nur aus historischen Niederlagen lernen, sondern eben auch aus Etappensiegen.
POSITION: Wie wurde damals bei uns in der „elan“berichtet?
Lothar: Von der Vorbereitung der 12. Weltfestspiele 1985 in Moskau bis Mitte 1988 ist keine einzige „elan“ erschienen, in der nichts über die Zustände und den Befreiungskampf in Südafrika stand. Der internationale Boykott von Wirtschafts-, Kultur- und Sportbeziehungen begann zu greifen. Denis Goldberg, nach Mandela einer der prominentesten Gefangenen des Regimes, wurde entlassen. Die wichtigsten Gewerkschaften vereinigten sich zum Dachverband COSATU. Die Passgesetze wurden aufgehoben. Das Regime begann Geheimverhandlungen mit Mandela. „Der weiße Riese wackelt“ schrieb damals die „elan“. Das war die Einschätzung vieler Fortschrittskräfte weltweit. Und da hat auch die SDAJ – wie alle anderen Mitgliedsverbände des WBDJ – nach Kräften geholfen, zu rütteln bis der „weiße Riese“ gestürzt war.
POSITION: Wie hat die SDAJ damals den Anti-Apartheidskampf unterstützt?
Lothar: Es gab ab 1986 die „Aktion Nelson Mandela“. Da wurde mit phantasievollen Aktionen aufgeklärt und viel Geld gesammelt für den Kampf des ANC, z.B. für einen eigenen ANC-Radiosender gegen die südafrikanische Pressezensur. Schon ab Mitte 1985 hatten SDAJ‘ler – übrigens als erste Brigade aus dem Westen – in einem ANC-Flüchtlingscamp in Tansania ein halbes Jahr beim Bau eines Ausbildungszentrums geholfen. Die Bands „HH 19“ und „Schweinekombo“ haben mit der SDAJ eine Schallplatte für Nelson Mandela herausgegeben. Ab 1987 wurde wirklich Großartiges geleistet, um auch in der BRD eine sehr breite Bewegung „Künstler gegen Apartheid“ vor allem unter populären Musikern zu entwickeln. Auch um so ihre jugendlichen Fans in Bewegung zu bringen.
POSITION: Wie habt ihr diese Arbeit mit den Kämpfen der arbeitenden und lernenden Jugend in der BRD verbunden?
Lothar: Durch jugendgemäße, spannende Reportagen, Augenzeugenberichte, Interviews über das Leben, den rassistischen Alltag und den Kampf von Jugendlichen in Südafrika. Ich erinnere eine ganz tolle Reportage-Serie von zwei Genossinnen, die mehrere Wochen als Touristinnen getarnt in Südafrika waren. Sie haben darüber auch vor Ort in den SDAJ-Gruppen berichtet. Im Fall Südafrika war es auch gar nicht schwer zu verdeutlichen, dass es die Jugendlichen dort wie hier mit dem gleichen Gegner zu tun haben, der ihnen das Leben und die Zukunft versaut: Das wurde z.B. in einem „elan“-Artikel über einen jungen, schwarzen Daimler-Arbeiter verdeutlicht, der entlassen werden sollte. Das deutsche Kapital und seine Regierung, vor allem die Rüstungskonzerne gehörten zu den wichtigsten Stützen der weißen Rassisten und ihrer Kriege gegen befreite Nachbarstaaten. Sie waren Profiteure der Apartheid, die ihnen billige, rechtlose schwarze Arbeitskräfte garantierte. Zehntausende Opfer fordern heute dafür eine Entschädigung. Wir sollten sie dabei unterstützen.
Dieses Interview erschien in POSITION – Magazin der SDAJ #5/2010.
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