Vom 13.-21. Dezember 2010 fanden in der südafrikanischen Hauptstadt Tshwane (ehem. Pretoria) die 17. Weltfestspiele der Jugend und Studierenden statt. Aus Deutschland nahm eine Delegation von etwa 75 Personen aus verschiedenen linken und antifaschistischen Organisationen teil. Aus den Reihen der DKP und SDAJ nahmen u.a. Kerem Schamberger und Johannes Jonic die weite Reise nach Südafrika auf sich. Wir befragten sie nach ihren eigenen Eindrücken dieser weltweit größten Zusammenkunft von antiimperialistischen, antikapitalistischen jungen Menschen.
Ihr seid zum ersten Mal in Südafrika gewesen. Mit welchen Vorkenntnissen habt ihr das Land zu Beginn der Weltjugendfestspiele besucht, was waren die ersten Eindrücke?
Bevor wir ihn dieses Land gefahren sind, wussten wir nicht viel über seine Geschichte. Natürlich war uns der Anti-Apartheid-Kampf von 1948 – 1994 bekannt, aber nicht in Details und über die Entwicklungen von 1994 bis heute haben wir fast nichts gewusst.
Seit 1994 wird der ANC (African National Congress) von der Bevölkerung Südafrikas mit großer Mehrheit gewählt. Der ANC regiert zusammen mit dem Gewerkschaftsverband COSATU und der südafrikanischen Kommunistischen Partei SACP, in einem Dreierbund.
Dass alle drei Massenorganisationen sind, hat man auf den Weltfestspielen eindrucksvoll gesehen, als tausende von südafrikanischen Delegierten tanzend, klatschend und singend über das Festival-Gelände demonstrierten. In besonders lebendiger Erinnerung sind uns Lieder wie z.B.: „Meine Mutter war eine Küchengehilfin, mein Vater war ein Gärtner, darum bin ich Kommunist“ oder das auf Zulu gesungene Lied „oje Solomon“ über den 1979, im Alter von 22 Jahren vom Apartheid-Regime hingerichteten Freiheitskämpfer Solomon Mahlangu.
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Die Weltjugendfestspiele dienen ja nicht nur der Begegnung der Teilnehmer sondern auch dem Austausch mit den Menschen aus dem organisierenden Lande. Welche Kontakte hattet ihr außerhalb der organisierten Vorträge und Veranstaltungen?
Wir konnten viele Gespräche mit Südafrikanern und Südafrikanerinnen führen und waren davon total beeindruckt: Alle hatten ein fundiertes Wissen über die Vorgänge und Widersprüche in ihrem Land und innerhalb des ANC-Bündnisses. Es wurde mehr solidarisch kritisiert, anstatt sich selbst und die Leistungen des ANC zu loben.
Insbesondere die Gespräche mit den GenossInnen der SACP (Südafrikanische Kommunistische Partei) waren eindrucksvoll. In den letzten Jahren hat sich die Partei gewandelt. Sie ist von einer hauptsächlich aus Kadern bestehenden Avantgarde-Partei zu einer Massenpartei geworden. Sie hat bis zu 100.000 neue Mitglieder aufgenommen – ein Fakt der uns in Deutschland jubeln lassen würde, der aber von vielen alten GenossInnen der SACP kritisiert wird.
Wie ist das zu verstehen?
Die frühere ‚Aufgabenverteilung‘ im ANC sah anscheinend wie folgt aus: Der ANC selbst organisierte die Massen und die SACP gab die ideologische Orientierung. Aufgrund des hohen Mitgliederzulaufs zur SACP wurde die Ausrichtung auf die ideologische Meinungsführerschaft innerhalb des ANC aufgegeben und somit wurde z.B. die neoliberale Politik des früheren südafrikanischen Präsidenten Thabo Mbeki (1999 – 2008) erst möglich gemacht.
Ein weitere Kritikpunkt war, dass die Partei mit der ideologischen marxistischen Bildung der Neumitglieder nicht nachkommt und somit oftmals eine relativ beliebige Definition von ‚Kommunist sein‘ bei vielen bestehen soll. Auch das Problem des Opportunismus wurde aufgeworfen – durch die Regierungsbeteiligung der SACP hoffen viele ihrer Mitglieder auf sichere Jobs in der Verwaltung und in den Behörden.
Diese genannten Kritikpunkte kamen von unterschiedlichsten GenossInnen der SACP – dabei ist aber zu betonen, dass alle das grundsätzlich fortschrittliche Vorhaben des ANC unterstützen und mit aller Kraft daran mitwirken, um es vorwärts zu bringen.
Welches Verständnis habt ihr bei eurem Aufenthalt in der Republik Südafrika von dem Weg und dem Ziel des ANC gewonnen?
Nach dem Sieg über die Apartheid bestand die Aufgabe primär darin, einen Prozess der Neuformierung der Nation, insbesondere zur Verhinderung eines Bürgerkriegs, anzustoßen. 1994, nachdem Nelson Mandela am 11. Februar 1990 nach 27 Jahren Haft freigelassen wurde, schaffte es der ANC, dieses Vorhaben zu verwirklichen, trotz blutiger Kämpfe zwischen nationalistischen Zulus und dem ANC, geheimer Sabotage durch die ehemals regierende Apartheid-Partei ‚National Party‘ und gegen eine militante 1973 gegründete Faschisten-Organisation der Buren (AWB).
Traditionell gibt es noch immer Stadtteile und Landstriche die eher von Weißen bzw. von Schwarzen oder Indern bewohnt werden, es ist aber gerade in den Städten eine schwarze Mittelschicht entstanden, die die ökonomischen Fesseln der Apartheid abgeschüttelt hat.
Das was die südafrikanischen GenossInnen in 16 Jahren geleistet haben, nach Jahrhunderten des Kolonialismus, nach über 40 Jahren Apartheid und einem Bildungssystem, das die übergroße Mehrheit der schwarzen Bevölkerung absichtlich dumm gehalten hat, ist enorm und immer wieder zu betonen.
Eines wurde klar deutlich: Es gibt auch hier keine geradlinigen Wege hin zu einer fortschrittlichen Gesellschaft. Der südafrikanische Weg ist ein spezieller und sollte weiterhin von uns solidarisch begleitet werden.
Südafrika hat zwar das Apartheid-Regime beseitigt, aber das Erbe der alten Gesellschaft lastet wie überall und selbst nach Revolutionen weiter auf der jungen Generation. Was waren eure Eindrücke von diesem ‚Erbe‘ und was sind die Perspektiven eurer Gesprächspartner?
Natürlich ist Südafrika, trotz ANC, COSATU und SACP an der Regierung, ein Land mit Marktwirtschaft, die nach den ’normalen‘ Regeln des Kapitalismus funktioniert und so sieht man auch in den Armenvierteln weiter die Verlierer dieses Systems, auf deren Arbeit der gesamte Reichtum beruht. 60 Prozent der Bevölkerung – überwiegend schwarz und bildungsfern – verdienen weniger als 3.500 Rand (282 Euro) im Monat. Damit lebt jeder zweite Südafrikaner unterhalb der Armutsgrenze. Grundbesitz ist als Folge der Apartheid ungleich verteilt: 1994 lebten 75 Prozent der Bevölkerung von 13 Prozent der nutzbaren Fläche der Landes. Das sind Verhältnisse, die bis heute zur Landflucht und Slum-Bildung beitragen. Ein grundsätzlicher Bruch mit den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen ist noch nicht erfolgt.
Wie agieren denn die Organisationen der Werktätigen und die Kommunisten Südafrikas in diesem Umfeld?
Auch wenn SACP, der Gewerkschaftsverband COSATU und andere fortschrittliche Kräfte nach dem Sieg über die Apartheid den Weg der Arbeiter und Werktätigen für eine bessere Gesellschaft, den Sozialismus, ebnen und begehen wollen, so ist jedoch im Augenblick auf Grund der Kräfteverhältnisse die Aktion auf Reformen orientiert.
Ein wichtiges Beispiel und Vorhaben ist etwa ein derzeit vom Gewerkschaftsverband COSATU und der SACP eingebrachter Vorschlag zum kompletten Verbot von Leiharbeit, die in Südafrika ein ebenso großes Problem darstellt wie in Deutschland, da sie nichts anderes als Sklavenarbeit ist. Die Wahrscheinlichkeit, dass dieser Vorschlag zu einem Gesetz wird, ist sehr hoch.
Was habt ihr für Euch persönlich noch ‚mitgenommen‘ aus Südafrika?
Zum Einen natürlich den Wunsch und den Willen zur Solidarität mit dem Kampf der arbeitenden Klasse in Südafrika. Zum Zweiten mit Ernst, aber ohne Blauäugigkeit die Losung der Kommunistischen Jugend Südafrikas YCL „Socialism in our Lifetime“ (Sozialismus zu unseren Lebzeiten!).
Dieser Artikel wurde am 22. Januar 2011 auf www.kommunisten.eu, dem Internetportal der DKP, veröffentlicht.
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