Interview mit Jefferson Cardenas von der Union der Kommunistischen Jugenden Spaniens (Unión de Juventudes Comunistas de España – UJCE)
Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) hatte für den 29. September zu einem europaweiten Aktionstag aufgerufen. Das Ergebnis war eine Demo in Brüssel, der angekündigte „heiße Herbst“ blieb – jedenfalls in Deutschland – eher lau.
In Spanien machten die Beschäftigten deutlich, dass ein heißer Herbst möglich ist, wenn in den Gewerkschaften kämpferische Stimmen laut werden. Am europaweiten Aktionstag des EGB blieb es in Spanien nicht bei Demos, die Gewerkschaften riefen zum Generalstreik auf. Denn auch in Spanien bekommt die Arbeiterklasse die Angriffe des Kapitals zu spüren. Der Anlass für den Streik war eine „Arbeitsmarktreform“ der sozialdemokratischen Regierung. Diese „Reform“ macht es den Unternehmen viel einfacher, Leute zu entlassen. An dem Streik beteiligten sich über eine Million Beschäftigte – ein großer Erfolg für die spanische Arbeiterbewegung. Schon vor dem Streik hatte POSITION mit Jefferson gesprochen.
POSITION: Kannst du in wenigen Worten die aktuelle Lage der Jugendlichen in Spanien beschreiben?
Jefferson: Eigentlich ist die Situation der Jugendlichen bei uns ähnlich wie in anderen Ländern Europas. Die Arbeiterklasse leidet am stärksten unter der aktuellen Politik gegen die Krise. Unter den Bedingungen des Kapitalismus betreffen Prekarisierung und Flexibilisierung vor allem auch die Jugendlichen: Jugendliche und Immigranten. Von einer Millionen Arbeitslosen in Spanien sind 40% unter 26 Jahre alt.
POSITION: Worin sieht die UJCE in dieser Situation ihre wichtigste Aufgabe?
Jefferson: Neben der politischen Arbeit unter Schülern und Studierenden, die wir fortsetzen, versuchen wir vor allem Arbeit mit arbeitslosen Jugendlichen zu entwickeln. Die Jugendlichen sind sehr wenig organisiert und können deshalb nicht für ihre Rechte kämpfen. Unsere Priorität liegt darauf, sie in den Gewerkschaften zu organisieren, aber auch die Jugendlichen ohne Arbeit zu organisieren. Deshalb gründen wir Arbeitslosenkomitees, die mit ihrer politischen Arbeit die Regierung unter Druck setzen sollen, Maßnahmen zu ergreifen, die ihnen eine Perspektive bieten.
Dabei arbeiten wir mit anderen kommunistischen Gruppen, mit Jugendlichen aus den Gewerkschaften und anderen Organisationen zusammen. Wir versuchen die Jugendlichen zu erreichen, die die Gewerkschaften in der Regel nicht erreichen. Die meisten Jugendlichen in Spanien sind im Dienstleistungsbereich beschäftigt. Das bedeutet, dass sie sehr verstreut und schlecht zu organisieren sind.
POSITION: Welche Rolle spielen die Gewerkschaften denn heute in der Krise?
Jefferson: Die Gewerkschaften suchen den sozialen Dialog. Vor allem die Spitzen der Gewerkschaften sind mit sozial-demokratischen und konservativen Kräften verbunden. Deshalb war es schwierig den Generalstreik durchzusetzen, den wir bereits seit Beginn der Krise fordern. Letztendlich hat es aber innerhalb der Gewerkschaften Kräfte gegeben, die darauf gedrängt haben, Aktionen und schließlich auch den Generalstreik zu organisieren. Außerdem hat uns die konservative Partido Popular (PP) sicherlich ungewollt unterstützt, indem sie die Politik der sozial-demokratischen Regierung gegen die Arbeiter kritisiert hat. Aber entscheidend war tatsächlich der Druck aus den Gewerkschaften selbst. So rufen nun die beiden Gewerkschaften Generalunion der Arbeiter (Unión General de Trabajadores – UGT) und den uns näher stehenden Arbeiterkommissionen (Comisiones Obreras) zusammen mit uns, der Vereinigten Linken (Izquierda Unida – IU) und anderen Organisationen am 29. September zum Generalstreik auf.
POSITION: Dass ihr den Aufruf zum Generalstreik durchsetzen konntet, war also ein wichtiger politischer Erfolg. Aber wie soll es nach dem Streik weitergehen? Was ist eure langfristige Strategie?
Jefferson: Die UJCE hat das Problem, dass zu wenige Kader unserer Kader Arbeiter sind. Der Generalstreik ist deshalb ein Anfang, um mehr Klassenbewusstsein in der Arbeiterklasse zu schaffen und weitere Kämpfe zu entwickeln. Den letzten Generalstreik hatten wir im Jahr 2002. Wir brauchen also die praktische Erfahrung im Kampf der jungen Arbeiter. Davon ausgehend starten wir eine Kampagne unter dem Motto „Die Studierenden von heute sind die Arbeiter von morgen“. Es geht uns darum die Kämpfe der Schüler und Studierenden stärker miteinander zu verbinden.
POSITION: Gibt es sonst noch einen Aspekt, der für eure politische Arbeit momentan von Bedeutung ist?
Jefferson: Wir haben im Augenblick mit starken Repressionen zu kämpfen. Die politischen und juristischen Strukturen haben sich in Spanien nach dem Ende der Diktatur kaum verändert. Sogar minderjährige Genossen wurden beim Plakatieren festgenommen, obwohl ihre Inhaftierung in Spanien illegal ist. Demonstranten werden geschlagen und ebenfalls festgenommen. Eine Genossin wurde im Vorfeld eines europäischen Bildungsgipfels im Frühjahr dieses Jahres vor ihrer Haustür von der Polizei abgefangen. Sie haben versucht etwas über die geplanten Gegenaktivitäten heraus zu finden. Wir werden deshalb bald eine Solidaritätskampagne mit den betroffenen Genossen starten für die wir auch internationale Unterstützung brauchen.
Das Interview führte
Gianna, Trier
Dieses Interview erschien in POSITION – Magazin der SDAJ #6/2010.
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