Mit dem Schlauchboot gegen Mediaspree, Luxus-Lofts und explodierende Mietpreise.
Es war an einem Dienstag, einem warmen, sonnigen Tag, als sich zeigte, dass die Kreuzberger Linke nicht nur Straßenkampf kann, sondern auch Wasserkampf. Das Schiff Spree Comtess kam einfach nicht durch. Der Ausflugskahn hatte Investoren geladen, und ein paar Leute vom Senat waren auch mit von der Partie. Es sollten gewissermaßen schon mal die Bauprojekte begutachtet werden, die unter dem Namen Mediaspree erst noch errichtet werden sollen. Verhindert wurde dies durch Paddel- und Schlauchbootbetreiber, die dem stolzen Schiff erfolgreich den Weg versperrten. Zwar wurde auf der Comtess kurz beraten, ob ein paar linke Opfer nicht zu verschmerzen seien – die Linken sollten doch eh in nächster Zeit aus den anliegenden Stadtteilen entfernt werden – doch war der Tag zu schön, um das Wasser der Spree rot zu färben. Man wendete.
Dem erstaunten Betrachter dieses Geschehens stellte sich die Frage, was die Gemüter der Paddler derart erhitzt haben mochte, dass sie mit ihrer Aktion selbst erfahrene Wal-Liebhaber in den Schatten stellten.
Erregt hatte sie die Tatsache, dass mit dem Projekt Mediaspree, dank großzügiger Unterstützung des Senats, die bisher von „Aufwertungs“phantasien weitestgehend verschont gebliebenen Bezirke Friedrichshain und Kreuzberg nun auch ins Fadenkreuz des Kapitals und seiner Vollstrecker geraten sind. Die Arena mit dem geschichtsträchtigen Namen `o2 World´ erfreut seit 2008 ganz Berlin mit den Scorpions und Britney Spears. Sie ist das bisher größte umgesetzte Vorhaben des Mediaspree-Projektes – auch dank saftiger Subventionierung durch den Senat. Und dank einer gigantischen Anzeigentafel am Eingang kann Bärchen nun täglich Schnucki in aller Öffentlichkeit seine ewige Treue schwören und Löllchen ihrem Pupsi verzeihen. Eine kulturelle Aufwertung der Stadt, die Ihresgleichen sucht.
Erregt hatte die Paddler, dass der Berliner Senat, nachdem er zahlreiche Jugendzentren und Bibliotheken geschlossen, Haupt- und Realschulen zusammengelegt, sowie Lehrern und Referendaren das Gehalt gekürzt hatte, mit diesem Projekt einen Subventionsmarathon der Superlative weiterführt.
Erregt hatte sie außerdem, dass durch das Projekt Mediaspree die Wohnungspreise in den angrenzenden Bezirken Kreuzberg und Friedrichshain erheblich steigen werden. Es sieht nämlich neben der Arena auch den Bau zahlreicher Luxus-Lofts, Hotels und Bürokomplexe vor, was bekanntermaßen die Überschwemmung des betroffenen Bezirks mit reichen, zahlungswilligen Schnöseln nach sich zieht.
An diesem lauen Dienstag wurde künftigen Investoren und dem rot-roten Senat ein Vorgeschmack auf die Zukunft gegeben. Denn wenn sie ihre asozialen Prestigeprojekte weiter rücksichtslos vorantreiben, erwartet sie vor allem eins: Straßenkampf, Wasserkampf, Klassenkampf.
Wiebke, Berlin
Dieser Artikel erschien in POSITION – Magazin der SDAJ #1/2011.
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