Überführung von privatem in staatliches Eigentum. Verstaatlichung sind ein gebräuchliches Mittel kapitalistischer Politik.
Verschiedene Varianten von Verstaatlichung
1. Verstaatlichung von Verlusten, z.B. durch Geldspritzen, Kredite, Bürgschaften, etc. Der Staat fungiert als Eintreiber von Zwangsabgaben zugunsten von Kapitalen in Privateigentum.
2. Enteignungen „in öffentlichem Interesse”, beispielsweise Enteignung von kleinen Grundbesitzern für den Bau von Autobahnen, Kraftwerken etc.
3. Verstaatlichung bankrotter Banken und Unternehmen. Sie dient der Aufrechterhaltung des kapitalistischen Reproduktionsprozesses in Krisenzeiten und der Sicherung bürgerlichen Eigentums.
4. Verstaatlichung zwecks Aneignung von Profiten durch den Staat, wobei der Staat hiernach selbst als Kapitalist fungiert.
5. Verstaatlichung zur Sicherstellung notwendiger Infrastruktur. Diese Form von Staatsaktivität wird erforderlich, wenn für die kapitalistische Gesellschaft wichtige Güter und Dienstleistungen nicht oder nicht effektiv durch Privatkapitalisten bereitgestellt werden können. Eine Sonderform hiervon sind Staatsbetriebe zur Versorgung der Bevölkerung wie Schulen, Krankenhäuser, Sportanlagen, Bibliotheken, Kultureinrichtungen etc. Diese Staatsbetriebe bringen dem Kapital indirekten Nutzen (z.B. Qualifizierung von Arbeitskräften, ideologische Zurichtung der Bevölkerung) und/oder sie sind erkämpftes Zugeständnis.
Auswirkungen von Verstaatlichung
Alle diese Formen der V. existieren innerhalb des Kapitalismus und bedeuten keinen Bruch mit dieser Gesellschaftsformation. Vor dem Fehlschluss, Verstaatlichung sei unter allen Umständen progressiv, warnte schon Engels als er sagte, der aus politischen und finanziellen Gründen staatliche Eisenbahnbau in Belgien oder die Verstaatlichung der preußischen Eisenbahn zu militärischen Zwecken seien keineswegs sozialistische Schritte gewesen. Denn dann, so Engels, seien auch die königliche Porzellanmanufaktur oder der Kompanieschneider beim Militär sozialistische Einrichtungen (vgl. MEW 20/259).
Allerdings können Verstaatlichung auch progressive Effekte haben: 1. bedeuten sie einen praktischen Bruch mit der Ideologie des Wirtschaftsliberalismus, welche „den Markt” als das stets beste Mittel zur Befriedigung gesellschaftlicher Bedürfnisse propagiert. 2. ist die Existenz staatlicher Betriebe in einigen Bereichen eine unabdingbare Voraussetzung zur Sicherung eines gewissen Mindestlebensstandards der unteren Schichten. 3. können Verstaatlichung unter bestimmten Bedingungen zu einer deutlichen Verbesserung der Kampfbedingungen der Arbeiterklasse führen.
Grundlage für den Sozialismus
Für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft ist die Überführung der wichtigsten Produktionsmittel in gesellschaftliches (d.h. zunächst: in staatliches) Eigentum eine Grundbedingung. Nur wenn die Produktionsmittel der Kontrolle durch die Angehörigen der herrschenden Elite entzogen und in das Eigentum der Gesellschaft übergegangen sind, ist ihre Verwendung im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung und eine demokratische Kontrolle des Produktionsprozesses möglich. Dies hat jedoch zur Voraussetzung, dass der Staat, der hier verstaatlicht, nicht mehr der alte Staat der Kapitalisten, sondern bereits der Staat der arbeitenden Menschen ist.