Gute Realwirtschaft, böse Finanzindustrie: Der Antikapitalismus der Occupy-Bewegung

veröffentlicht am: 27 Feb, 2012

Überall sind Unzufriedene auf der Straße bzw. den besetzen Plätze. Sie sehen sich als Verlierer der Krise, wohingegen Banken, Ratingagenturen und Hedge-Fonds verschont bleiben. Selbst in imperialistischen Zentren wie den USA oder der BRD rührt sich was: Eine neue Bewegung mobilisiert Hunderttausende. Ausgehend von Aufrufen auf mehreren Internet-Blogs wurde zuerst die Wallstreet in New York besetzt. Wenig später sind die „99%“ eine weltweite Bewegung: „Occupy“

Die Banken

Occupy-Demo in Frankfurt (Foto: Wolfgang Sterneck, CC BY-NC-SA 2.0)

„Für Spekulatius, gegen Spekulation – weg mit dem Casino-Kapitalismus“ war ein Occupy-Slogan aus der Weihnachtszeit im Frankfurter Camp. Nicht gegen den Profit, sondern gegen den unangemessenen Profit der Bankster und der gierigen Manager richtet sich der Protest. Diese würden sich, so die Protestler, an der guten, produktiven Gemeinschaft versündigen. So wird aus Kapitalismuskritik Casinokapitalismuskritik und schon sind nicht mehr die kapitalistischen Produktionsverhältnisse und ihr Zwang zu Profit das Problem, sondern einzelne Personen und ihr schlechter Charakter. Dabei wird streng unterscheiden zwischen den „bösen Bankmanagern“ und den „guten Geschäftsführern“ der „Realwirtschaft“.

Dass Banken und Industrie- bzw. Dienstleistungsunternehmen voneinander nicht zu trennen ist, dass es eine enge Verflechtung zwischen Bank- und Industriekapital gibt, wird so übersehen. Die Industrie braucht dabei die Banken als Kreditgeber für Investitionen, die Banken die Industrie wiederum als Anlagemöglichkeit, egal ob in Form von Aktien oder anderen Finanzprodukten. Der Zweck von allem ist und bleibt der Profit.

Die Konsequenz

Gemäß dieser falschen Krisenanalyse steht auf einem Transparent auf einer Occupy-Demo in Frankfurt: „Stoppt die Finanzvampire – Die Realwirtschaft muss leben können!“. Die Nähe zur Theorie der Nazis vom angeblich „schaffenden“, guten, deutschen Kapital bzw. „raffenden“, bösen, jüdischen (Geld-)Kapital ist offensichtlich. Dabei wird „vergessen“, dass die Kapitalisten unabhängig von ihrer Nationalität Arbeitsplätze vernichten, wenn das höhere Profite verspricht. Selbst wenn es nicht so gemeint ist, können faschistische Kräfte an solche Aussagen problemlos anknüpfen.

Und das passiert auch: „Auf einem Treffen wurden die so genannten 1% als ‚überwiegend jüdisch‘ bezeichnet und so im Prinzip antisemitische Hetze verbreitet. Diese Positionen hat natürlich nur ein kleiner Teil der Bewegung, aber ihnen wird nicht immer konsequent widersprochen. Mein Eindruck ist aber, dass diese Kräfte immer mehr aus der Bewegung gedrängt werden“, berichtet Flo aus Kiel. So besteht die Gefahr, dass sich die Empörung rechtspopulistisch an Sündenböcken entlädt. Damit bleibt die Bewegung auf jeden Fall ungefährlich für das kapitalistische System.

(Foto: Wolfgang Sterneck, CC BY-NC-SA 2.0)

Nötig wären Forderungen, die sich an den Lebensinteressen der arbeitenden Menschen orientieren. Vor allem braucht es dafür aber eine klare Analyse des Kapitalismus, um die richtigen Schlussfolgerungen daraus ziehen zu können. Das gilt es in der Bewegung zu diskutieren und zu verbreiten.

Die Perspektive

Die Zukunft und der Erfolg werden ganz entscheidend davon abhängen, ob es tatsächlich gelingt, ein Bündnis einschließlich der Gewerkschaften gegen die Angriffe der Kapitalisten auf die Beine zu stellen. Insbesondere zu Beginn hatten sich die Okkupanten geweigert, mit Organisationen jeglicher Art zu kooperieren. Wie fruchtbar diese Zusammenarbeit aber sein kann, zeigen die USA. Die Gewerkschaften hatten hier relativ früh ihre Solidarität erklärt und begonnen, die Bewegung aktiv zu unterstützen. Die Okkupanten werteten das richtig als einen Schritt der Zusammenführung der „99%“.

Besonders deutlich zeigte sich die gemeinsame Stärke, als die Hafenarbeitergewerkschaft die Occupy-Bewegung einlud, Oakland, einen der wichtigsten Häfen der Welt, zu besetzen. 18.000 Menschen folgten dem Aufruf und legten den Hafen mit Unterstützung der Arbeiter für mehrere Tage lahm.

Hier zeigt sich mit Sicherheit kein sozialistisches, aber doch ein verändertes Bewusstsein innerhalb der Bewegung: „Wir werden nicht zulassen, dass Unternehmen Profite auf Kosten der arbeitenden Menschen machen, wir werden Angriffe auf die Arbeiter nicht hinnehmen, und wir werden nicht zulassen, dass unsere Schulen geschlossen, soziale Dienstleistungen gekürzt und Familien in Armut getrieben werden“ sagte Occupy-Sprecherin Kari Koch.

Isolation und Ignoranz

Es kann also nicht darum gehen, jetzt der Bewegung den Rücken zu kehren, sie als faschistoid und antisemitisch zu deklarieren. Genauso wenig nützt aber ein unkritisches Abtauchen und Aufgehen in der Bewegung. Denn in beiden Fällen würde das bedeuten, Verschwörungstheoretikern und Rechten das Feld zu überlassen, anstatt solidarisch um die richtigen Ziele, Forderungen und Aktionsformen der Bewegungen zu ringen.

Jann, Essen

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