Ein Vorgehen wie das folgende kann sich nur ein Monopolist wie die GEMA erlauben: den Verhandlungspartner vergraulen und die Maximalforderung, das heißt: eine Tariferhöhung von 100% bis 1000%, im Alleingang durchprügeln. So hat die GEMA veränderte Regelungen für Musikveranstaltungen durchgedrückt.
Diese Änderungen werden im Januar 2013 eingeführt, das ist nicht mehr abzuwenden. Nachverhandlungen gesteht die GEMA zwar zu, allerdings ohne irgendwem Hoffnung auf größere Zugeständnisse zu machen. Die Gegner der neuen Regelung springen im Dreieck. Aber was hat es mit der GEMA und dem Konflikt um die neuen Tarife auf sich?
Die GEMA (Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte) sammelt schon seit den fünfziger Jahren Gebühren von all denen ein, die Musik abspielen und damit Geld verdienen. Dieses Geld reicht sie an die Urheber der Musik weiter, also an die Komponisten, Verleger und Texter. Bisher ging dies halbwegs einvernehmlich vonstatten. Aber jetzt sollen alle Ausnahmeregelungen wegfallen – darunter der Sondertarif für Diskotheken. Der sei „wahnsinnig niedrig“ gewesen, behaupten die GEMA-Sprecher. Eine Diskothek lebe schließlich von der Musik und das müsse angemessen honoriert werden. Jetzt sollen 10 Prozent der Bruttoeinnahmen, die an der Tür kassiert werden, an die GEMA und damit, über ein paar Umwege, an die Künstler gehen. Die Einnahmen aber werden geschätzt, sie berechnen sich anhand der Eintrittspreise und der Fläche der Veranstaltung, von der die GEMA auf die Anzahl der Gäste schließt. Dabei wird aber von voll ausgelasteten Flächen ausgegangen und der höchste Eintrittspreis als Referenzgröße angesetzt.
„Diskothekensterben“?
Die Clubbetreiber und Kleinveranstalter kritisieren nicht nur diese unsinnige Berechnung, sondern lehnen die Tarifänderung grundsätzlich ab, beschwören gar ein massenhaftes ,,Diskothekensterben“ herbei. Die sonst nicht für ihr politisches Bewusstsein bekannte Raver-Szene springt solidarisch für sie in die Bresche. Eine Kritik an der GEMA ist ja auch durchaus berechtigt, schließlich geht es der Verwertungsindustrie entgegen ihrer Beteuerungen nicht darum, die Interessen der Künstlerinnen und Künstler zu vertreten. Die haben nun einmal andere Interessen als die GEMA, als die Plattenfirmen oder die Verlage und empfangen eher ein Almosen als einen Lebensunterhalt von den Gebühren.
Die GEMA-Mitgliedschaft ist für die Urheber freiwillig, sie ist vereinsrechtlich organisiert. Bislang wurde jeder Versuch der Gründung einer Konkurrenzinstitution zur GEMA vom Deutschen Patentamt verhindert und die Eigenvertretung der Rechtsansprüche ist für einzelne Künstler kaum zu bewerkstelligen. Für die Urheber ist die Mitgliedschaft also eher eine Notlösung. Dennoch versammelt der Pro-GEMA Aufruf „Wir sind die Urheber“ sogar einige Prominente, die man eher dem linken Spektrum zugeordnet hätte: Unter anderem besingen da Feuchtgebiete-Autorin Charlotte Roche und Sven Regener von Element Of Crime die Errungenschaft des Urheberrechts im bürgerlichen Staat. Da fürchten gerade die wenigen Erfolgreichen unter den Kunstschaffenden, dass ihnen mit Ausbleiben der Tarifreform die Butter vom Brot genommen wird. Um das Urheberrecht geltend zu machen, brauchen die Künstlerinnen und Künstler die Verwertungsgesellschaften, das mag sein. Aber Roche und Co. machen aus der Notwendigkeit unter den aktuellen kapitalistischen Verhältnissen eine Tugend.
Kultur ohne Kommerz
Tatsächlich ist an beiden Positionen die deutliche Verflechtung des Problems mit der kapitalistischen Wirtschaftsweise erkennbar: Da sind zum einen die Künstlerinnen und Künstler. Im Kapitalismus werden sie vor Wahl zwischen Kommerz und Verarmung gestellt. In der GEMA sehen sie oft einen vermeintlichen Fürsprecher. Der Begriff des geistigen Eigentums ist sozusagen ihre letzte Zuflucht und bringt sie gleichzeitig in Opposition zu jenen, die Musik und Filme genießen wollen, aber nicht das nötige Kleingeld für Kino, CDs, Filme und legale Downloads haben.
Zum anderen protestieren da die jungen Leute Seite an Seite mit den Klein- und Großunternehmern, für die sie jedes Wochenende bereitwillig den Geldbeutel öffnen. Dass es denen aber auch in erster Linie um ihren Gewinn geht und erst in zweiter Linie um irgendeine Clubkultur, von der unsereins etwas hätte, das interessiert wenige. Auch das ist verständlich, schließlich haben die meisten von uns ohnehin keine allzu große Auswahl, wenn man sich wochenends dem Nachtleben widmen will. Da stößt es böse auf, wenn nun auch dieser Freizeitbereich mehr und mehr verarmt. Und selbst wenn man die Auswahl hat, heißt es noch längst nicht, dass man sich die viel zu hohen Eintrittspreise leisten kann, denn die entstehenden Kosten werden natürlich auf die Besucher umgelegt. Wer aber keinen Bock auf Großraumdisko und Flatratesaufen hat, muss um das Fortbestehen seines kleinen Kellerclubs bangen, wo das Bier vielleicht noch unter 3,- EUR kostet. Einmal mehr lernen wir aus der Debatte, dass wir für selbstbestimmte und nicht-kommerzielle Freizeitgestaltung eintreten müssen und damit in Widerspruch mit den herrschenden Verhältnissen treten.
Julia, Trier