Ein Interview mit Arnold Schölzel über die Anfeindungen gegenüber der Tageszeitung „junge Welt“
POSITION: Warum steht die „junge Welt“ immer wieder im Kreuzfeuer der bürgerlichen Medien?
Arnold: Weil sie die einzige deutsche Tageszeitung ist, in der regelmäßig marxistische Positionen zu lesen sind. Ich könnte auch den Mund voll nehmen und sagen: Weil wir so gut sind. Niemand würde uns wahrnehmen, wenn wir als marxistische Analytiker der Krise oder als Berichterstatter über das, was sich tatsächlich in den laufenden imperialistischen Kriegen abspielt, schlecht wären. Dazu kommt: Antikommunismus ist auch nach dem Untergang von DDR und Sowjetunion Staatsreligion der BRD. Wer den Zusammenhang von Kapitalismus, Ausbeutung und Krieg in den Vordergrund seiner Berichterstattung stellt, gilt hierzulande amtlich als „extremistisch“. Wer darüber hinaus das Nachdenken über gesellschaftliche Alternativen befördert, wird als Terrorist betitelt und mit entsprechender Hysterie bedacht. So gesehen, ist jW ein permanenter Fall von Hoch- und Landesverrat, also ein Fall für medialen Grusel und Aufgeregtheit.
POSITION: Warum ist das für die Herrschenden so gefährlich?
Arnold: Die heutige Weltwirtschaftskrise weist Analogien zu jener in den 30er Jahren auf, die Gegensätze spitzen sich zu und brechen in anderen Ländern offen aus. Deutschland ist die Vormacht des EU-Imperialismus. Gesellschaftliche Erschütterungen haben hier eine besondere Bedeutung und die Herrschenden sind hochgradig nervös. Antikommunismus, der mit hohem Aufwand staatlich verordnet wird, ist ein Teil des Klassenkampfes von oben. Der sozial-reaktionäre Umbau der Gesellschaft wird mit ihm legitimiert, wobei heute schon eine Forderung wie die Beseitigung von Hartz IV als verdächtig gilt und entsprechend bekämpft wird. Antikommunismus ist außerdem stets ein wichtiger Bestandteil von Kriegsvorbereitung. Wer die Geheimnisse, „in denen imperialistische Kriege vorbereitet werden“ (Lenin), ausplaudert, bekommt es mit staatlich gelenktem Krawall und mittelmäßigen Figuren wie Hubertus Knabe (der die jW als „Stürmer von links“ bezeichnete) aus allen politischen Lagern, auch dem linken, zu tun.
POSITION: Welche Schlussfolgerungen zieht ihr aus diesen Anfeindungen?
Arnold: Kopf oben behalten. Die bürgerlichen Medien haben den Auftrag, Beschäftigte und Erwerbslose, Alte und Junge, Ost und West zu entsolidarisieren und die Zersplitterung der Linken zu befördern. Wir treten für Solidarität ein und gegen die Spaltung der Linken, vor allem zwischen denjenigen, die für einen revolutionären Bruch eintreten und denen, die auf anderem Weg zum Sozialismus kommen wollen. Diese Solidarität brauchen wir auch selbst. Wir brauchen vor allem mehr Abos, gerade in Zeiten, in den wir wegen unserer Berichterstattungen vermehrt Hetzkampagnen und auch juristischen Angriffen ausgesetzt sind.
Das Interview führte:
Jann, Essen
Arnold ist promovierter Philosoph und Chefredakteur der Tageszeitung „junge Welt“; bis 1989 war er Inoffizieller Mitarbeiter der DDR-Staatssicherheit.