Marhaban Guido,
Du hast also zurückgefunden auf den imperialen Pfad? Sich bei der Entscheidung über einen Militäreinsatz im innerlibyschen Konflikt im Frühjahr 2011 zu enthalten war ja ein ziemlicher Reinfall für dich und deine Klasse. Auf Deutschland sei kein Verlass, Deutschland habe sich selbst innerhalb der Nato und der EU isoliert, ja die außenpolitische Glaubwürdigkeit des Landes sei beschädigt. Das war harsche Kritik seitens der Bündnispartner wie der bürgerlichen Presse und nicht zuletzt die deutsche Wirtschaft war wütend, weil sie sich nach dem Sturz Gaddafis bei der Vergabe der Öllizenzen und der Aufnahme der Handelsbeziehungen mit Libyen nun hinten anstellen musste. Daraus galt es zu lernen.
Gestärkt durch die Münchener Sicherheitskonferenz Anfang 2012, auf der ihr die deutsche Führungsrolle für Europa betontet, sahst du im innersyrischen Konflikt eine zweite Chance endlich klare Kante zu zeigen.
Durfte man dich im März 2011 noch in dem Sinne missinterpretieren, dass ein Regime-Change nur von innen kommen könne und nach militärischem Eingreifen mit unvorhersehbaren Folgen zu rechnen sei, gebrauchst du Menschenrecht und Völkerrecht endlich wieder entsprechend ihrer imperialistischen Bedeutung: Zur Rechtfertigung von Expansionsbestrebungen. Unter diesem Deckmantel wird die syrische Opposition (aber natürlich nur die, die sich nicht gegen externe Einmischung oder gar für Verhandlungen mit der syrischen Regierung ausgesprochen haben) vom Westen und Saudi-Arabien finanziert, bewaffnet und geschult. Um Frieden und Menschenrechte geht es den Imperialisten ja nie, wie auch euer sofortiger Schulterschluss mit Israel im jüngsten Nahost-Krieg wieder einmal verdeutlicht hat. Wenn der Gazastreifen bombardiert wird, schreit niemand nach einer Flugverbotszone, verlangt niemand Sanktionen.
Tatsächlich geht es euch um die Schwächung Syriens und damit auch des Iran. Und du und deine Klasse, ihr seht darin eure Gelegenheit, bei der möglichen Neuordnung der Region Führungsstärke zu mimen. So treibst du die Stationierung von deutschen Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze voran – natürlich zur Verteidigung der türkischen Souveränität. Die ist ja immens bedroht, immerhin plant die westliche Welt in Berlin schon den „Tag Danach“, wenn endlich der türkische Staatschef gestürzt wurde. Oder sollte der syrische Staatschef gestürzt werden? Bei so viel Doppelzünglichkeit kann man da schon was missverstehen. Wenigstens bei einem können wir uns sicher sein: Du sprichst wieder die Sprache des deutschen Imperialismus. Wir dagegen sprechen eine andere Sprache und fordern ganz einfach den Sturz von dir und den restlichen Kriegstreibern.
Aufständische Grüße,
Susanne, Trier & das Zeitungskollektiv