Postings und Profite

veröffentlicht am: 17 Jan, 2013
(Foto: Ciprian Popescu, CC)

(Foto: Ciprian Popescu, CC)

Wie im „real life“ beherrschen die Interessen der Banken und Konzerne auch das Internet.

Die neuesten Nachrichten online lesen, kurz ein paar Infos googeln und dabei Musikvideos auf YouTube schauen. Sich anschließend auf Facebook mit Freunden verabreden, um abends einen Film über kinox.to zu gucken: Die schöne, neue, digitale Welt eröffnet uns ganz neue Möglichkeiten. Und zum Glück ist ja alles kostenlos, oder?

Doch das Surfvergnügen wird leider immer wieder getrübt: Auf YouTube wird das Videogucken immer wieder von Werbung unterbrochen und das Lieblingslied gesperrt, „weil die GEMA nicht die erforderlichen Rechte eingeräumt hat“. GrooveShark gibt es ja schon länger nicht mehr. Auch Nachrichtenseiten sind immer öfter nur noch für zahlende Kunden lesbar. Bei Facebook soll ich nun dafür zahlen, dass alle meine Freunde meine Pinnwandeinträge sehen können. Und nach dem Download des neuesten Lady-Gaga-Albums lag ein Brief von der Staatsanwaltschaft im Briefkasten – so was zieht schnell Strafen im vierstelligen Euro-Bereich nach sich. Das musste auch Tim feststellen, nachdem er sich wegen Flaute im Geldbeutel ein paar Lieder aus dem Internet gezogen hatte. Der 19-jährige Schüler aus Essen ist mit 800 € für den Abmahnanwalt dabei sogar noch relativ glimpflich davongekommen. Die Kohle musste er sich von Freunden leihen und vom Mund absparen. Für jemanden, der weder Freunde hat, die flüssig sind, noch Ersparnisse oder die Zeit für einen zusätzlichen Nebenjob, kann so was schnell existenzbedrohend werden. Denn, anders als bürgerliche PolitikerInnen immer wieder behaupten (um neue Überwachungsmaßnahmen zu rechtfertigen): Das Internet ist kein herrschafts- bzw. „rechtsfreier Raum“ und hinter fast jedem kostenlosen Angebot stehen bestimmte Kapitalinteressen.

Datenschutz vs. Geschäftsmodell

Daher trifft die in bürgerlichen Medien oft geführte Diskussion, dass die Privatsphäre bei Social Networks wie Facebook und Google+ schlecht geschützt ist, nicht den Kern der Sache. Denn auch sie stellen ihre Webseiten nicht aus purer Nächstenliebe zur kostenlosen Verfügung, auch sie sind profitorientierte Unternehmen. Sowohl Facebook als auch Google finanzieren sich über personalisierte Werbung, also mit den privaten Daten der Nutzer. Es wird protokolliert, bei welchen Seiten der Nutzer „Gefällt mir“ klickt, nach welchen Begriffen er sucht, welche YouTube-Videos er schaut, was er in seinen Pinnwandeinträgen schreibt und mit wem er befreundet ist, um ihm dann Werbung anzuzeigen, die genau seinen Vorlieben entspricht. Und das rentiert sich: So erwartet Facebook für das Jahr 2012 insgesamt über 5 Mrd. Dollar aus Werbeeinnahmen. Google machte allein im ersten Quartal 2012 fast 3 Mrd. Dollar Gewinn. Auch hier stammt der überwältigende Teil aus Werbeeinahmen. Kein Wunder, wenn man sich die Datenmengen anschaut, die Facebook ansammelt: Als ein Jugendlicher aus Österreich Auskunft über alle seine bei Facebook gespeicherten Daten anforderte, bekam er ein 1.400 Seiten starkes PDF zugeschickt.

Ein unbedachter Post…

Die Konsequenzen dieser Fremdaneignung persönlicher Daten sind enorm: Nicht nur überwachen und überprüfen viele Personalabteilungen von Unternehmen ihre Mitarbeiter oder die Stellenbewerber im Internet, auch die Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung (kurz: „Schufa“) plant, in Zukunft Facebook- und Twitter-Konten bei der Einstufung der persönlichen Kreditwürdigkeit miteinzubeziehen. Ein unbedachter Post kann also weitreichende Folgen haben, z.B. beim Eröffnen eines Bankkontos oder bei der Wohnungssuche – denn immer mehr Vermieter wollen eine Schufa-Auskunft. Und auch der Klassenstaat BRD spioniert mit – ob aufgrund von illegalen Downloads oder wegen politischem Aktivismus. Beispielsweise forderten deutsche Behörden im ersten Halbjahr 2012 von Google Auskunft über die Daten von über 2000 Nutzern an. Ob Google Auskunft gibt, entscheidet Google selbst – auch wenn kein Gericht die Herausgabe angeordnet hat. „Ich wüsste nicht, dass irgendwo im Strafverfahren geregelt ist, dass wir bestimmte Dinge nicht verwenden dürfen, die uns jemand freiwillig anbietet“, meint ein Berliner Polizeisprecher dazu. Facebook scannt inzwischen sogar die privaten Chats seiner Nutzer nach „verdächtigen Inhalten“. In einer als vertraulich eingestuften Anleitung für Behörden listet der Facebook-Konzern auf, welche Daten abrufbar sind: Selbst abgelehnte Freundschaftsanfragen werden penibel protokolliert. Gibt Facebook die Daten an den Staat weiter, wird der Betroffene in der Regel nicht mal informiert.

Die staatliche Überwachung in den sozialen Netzwerken funktioniert: Nachdem beispielsweise ein besorgter 13-jähriger US-Amerikaner nach der Ermordung Bin Ladens auf Facebook gepostet hatte, Obama solle sich vor Attentätern in Acht nehmen, wurde er von Secret-Service-Agenten aus dem Unterricht geholt und verhört. Oder: Im März verurteilte das Amtsgericht Aachen einen Fünfzehnjährigen wegen „Störung des öffentlichen Friedens“, weil er auf seiner Facebook-Pinnwand postete: „Leute, die ich so gar nicht leiden kann, haben Facebook – wenn die mir Freundschaftsanfragen schicken, lauf ich Amok.“ Das Gericht wertete das als „ernstzunehmende Morddrohung“ – inzwischen hat eine höhere Instanz das Urteil zwar aufgehoben, aber dennoch sollte man sich lieber zweimal überlegen, was man im Internet veröffentlicht. Eine Anfrage der Linkspartei ergab, dass inzwischen BKA, Bundespolizei und Zoll zum Teil verdeckt bei Facebook, Wer-kennt-Wen und StudiVZ ermitteln.

Arbeitsplatz 2.0

Der Trend zu „Social Media“ bleibt auch von Konzernen nicht unbemerkt, die man nicht direkt mit interaktiven Internet-Angeboten in Verbindung bringen würde: Immer mehr Unternehmen wollen nun soziale Netzwerke in ihre internen Arbeitsabläufe integrieren, um so die Produktivität zu steigern. Siemens begann bereits 2006 mit dem Aufbau eines Blog-Netzwerks im Firmen-Intranet, um Informationen zu verschriftlichen und auszutauschen. Doch der Siemens-Betriebsrat sieht darin auch Gefahren: „Die Firmenseite will Work-Life-Integration, also ständige Erreichbarkeit und virtuelle Präsenz. Die neue Technik lässt zu, dass wir berufliches Leben und Privatleben immer weiter vermischen. Wir fordern Work-Life-Balance, Arbeits- und Privatleben müssen im Einklang stehen. Wir kommen da zur Zeit noch nicht auf einen Nenner.“ Wie lange die Partizipation in den firmeninternen Social Networks freiwillig bleibt, ist fraglich. Dies ist besonders für Angestellte problematisch, die nicht am Schreibtisch arbeiten: So haben z.B. 6.000 Mitarbeiter bei Fraport nur in Pausen die Gelegenheit, das Wiki des Frankfurter Flughafenbetreibers zu nutzen. Für sie ist die Mitarbeit an der internen Online-Dokumentation also unbezahlt. Wenn solche Tools allerdings zur „Leistungskontrolle missbraucht“ werden, wie die IG Metall warnt, bliebe den Angestellten kaum eine Wahl. In Frankfurt fordert der Betriebsrat daher, dass „die Äußerungen auf der Plattform keine disziplinarischen Folgen nach sich ziehen“ sollen.

Arbeitskraft-Online-Shopping

Setzen Konzerne beim Drücken der Lohnkosten und der Spaltung der ArbeiterInnen bislang gewöhnlich auf Leiharbeit, Werkverträge und Abwanderung ins Ausland, plant IBM bereits den nächsten Schritt: Der Konzern will seine Stammbelegschaft auf ein Minimum reduzieren und die restlichen Angestellten je nach Bedarf in einer „Global Talent Cloud“ einkaufen – und die hat es in sich: Beim Online-Shopping geeigneter Arbeitskräfte orientieren sich die Konzerne an Bewertungen vorheriger Arbeitgeber und an Zertifikaten, die die Bewerber – natürlich auf eigene Kosten – bei IBM erwerben können. So können die „Arbeitskraft-Anbieter“ genauso nach ihren Bewertungen aussortiert werden, wie etwa Verkäufer bei ebay oder Amazon. Mit auf wenige Monate, Wochen oder sogar Tage befristeten weltweiten Arbeitsverträgen sollen zudem existierende Tarifverträge, Mindestlöhne und nationale Arbeitsgesetze umgangen werden. Die Verantwortlichen bei IBM nennen das das „Beschäftigungsmodell der Zukunft“ – ohne starke Gewerkschaften und entschlossene Gegenwehr könnten sie damit Recht haben.

Jan, Bochum

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