Als sich im September diesen Jahres eine Gruppe von Asylbewerbern dazu entschied, einen Protestmarsch durch ganz Deutschland durchzuführen, schafften sie es, das Thema Flüchtlings- und Asylpolitik der BRD wieder in die öffentliche Debatte zu bringen. Die Flüchtlinge demonstrierten gegen ihre elenden Lebensbedingungen und nahmen sich heraus, was ihnen eigentlich verboten ist: Bewegungsfreiheit. Das Ende der Residenzpflicht und des Lagersystems, ein Stopp der Abschiebungen und die Aufhebung des Erwerbsarbeitsverbots wurden gefordert.
Vor dem Brandenburger Tor trat eine Gruppe von Asylbewerbern in den Hungerstreik. Was folgte, war ein Schaustück der bürgerlichen Gesellschaft: Während die Polizei den Hungernden Decken, Zelte und sogar Rollstühle abnahm (Meinungsfreiheit schließe Komfort nicht mit ein), empörten sich Politiker und Medien über die Schikanen – die Anliegen der Protestierenden gerieten in den Hintergrund. Auch außerhalb der Hauptstadt erlangt das Thema verstärkt Aufmerksamkeit: Die zentrale Aufnahmestelle für Asylbewerber für NRW in Dortmund lagerte zuletzt Teile der Betroffenen wegen Überfüllung aus. Als Lösung sollte u.a. eine alte Turnhalle in Essen herhalten. Sogleich formierte sich ein wütender Mob.
Die darauf ausgelöste Debatte kann man getrost als grausam bezeichnen, denn argumentiert wurde nicht mit dem Wohl der Flüchtlinge, sondern ob oder wie viele Asylbewerber Deutschland sich überhaupt leisten könne. Das hat seinen Grund: Wer keinen Dienst am Kapital erbringen kann, also nicht „die Freiheit der Lohnarbeit genießt“, der zwingt den Staat, eine Rechnung aufzumachen. Ein menschenfreundliches Erscheinungsbild steht gegenüber der Befürchtung, durch eine laue Asylgesetzgebung weitere Flüchtlinge aufnehmen zu müssen. Da letzteres nicht gewollt ist, entsteht ein Konflikt zwischen den Interessen des Staates an niedrigen Ausgaben für die Überzähligen und seinem Selbstbild als „Wahrer der Menschenrechte“. Unklar bleibt, weshalb ein Staat wie Deutschland sich diese „Bürde“, unliebsame Menschen aufzunehmen, selbst auferlegt, obwohl er sie eigentlich nicht will.
Die Erklärung ist: Asylanten gelten als Repräsentanten der unterdrückenden, schrecklichen Zustände in ihren Heimatstaaten, an ihnen lässt sich die stets beschworene Überlegenheit des eigenen Staates demonstrieren. Dies zeigt sich an den Bestimmungen, unter denen Asylgewährungen überhaupt stattfinden dürfen: Namentlich ist das nur die politische Verfolgung durch sog. „Schurkenstaaten“, die übrigens nicht ganz zufällig auch immer diejenigen sind, die der deutschen Außenpolitik ökonomisch wie geostrategisch ein Dorn im Auge sind. Zynisch daran ist, dass der Nutzen dieser Menschenmassen, die durch das Wirken von imperialistischen Staaten, wie der BRD, weltweit zur Flucht getrieben werden, sich schon erledigt, wenn sie im Asylland eingetroffen und dem dortigen Asylrecht unterworfen sind. Ab diesem Zeitpunkt sind sie für den deutschen Staat nichts weiter als eine kostenaufwendige Last; und dementsprechend werden sie auch behandelt.
Lea, Essen