Die deutschen Gewerkschaften üben sich in Zurückhaltung – zu ihrem eigenen Nachteil.
Glaubt man dem ifo-Geschäftsklimaindex vom Dezember 2012, ist die Krise vorbei. Die Stimmung bei den Unternehmern scheint so gut wie in den Vorkrisenjahren zu sein. Aber auch die Arbeitslosenzahlen scheinen das „deutsche Erfolgsmodell“ zu bestätigen. Hier und dort ein paar Entlassungen, 11.200 bei Schlecker, einige tausend nun bei Opel, 2008 bereits 8.100 bei BMW. Während in Griechenland und Spanien jeder zweite Jugendliche ohne Arbeitsplatz ist, beträgt die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland offiziell „nur“ 8,1%.
Aber ganz so rosig sieht es dann doch nicht aus: Rund 1/3 aller Beschäftigten stecken in so genannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen, also in Leiharbeit, Minijobs, in Teilzeit oder befristet. Vor dem Hintergrund von „ersten Anzeichen eines Rückgangs der Konjunktur“ in der Metall- und Elektroindustrie im November 2012 forderte der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber, das Mittel der erweiterten Kurzarbeit wieder in Kraft zu setzen. Im Oktober waren bereits mindestens 45.000 Menschen in Kurzarbeit. Außerdem solle es Kurzarbeit nun auch für LeiharbeiterInnen geben, am besten wäre aber natürlich wieder eine Art Abwrackprämie.
Für so viel Zurückhaltung und kapitaltreue Forderungen lobte selbst die Bundeskanzlerin die Gewerkschaften: „Ein herzliches Dankeschön für viel Verantwortung in schwieriger Zeit.“ Die Mitarbeit der Gewerkschaften im Kampf gegen die Krise sei ein „wesentlicher Teil der Erfolgsgeschichte“. Sie hätten dazu beigetragen, dass die Instrumente des Konjunkturpakets angenommen worden seien, die Kurzarbeit, die Infrastrukturprogramme und die Stützungsmaßnahmen für die Automobilindustrie.
Doch innerhalb der Gewerkschaften waren nicht alle mit der Krisenpolitik der Gewerkschaftsführungen einverstanden. Dem angestauten Frust über Lohnverzicht, Kurzarbeit und Standortlogik sowie der Krisenpolitik der Herrschenden musste schließlich Luft gemacht werden. Ende letzten Jahres geschah das durch einen Aktionstag zum „umfairteilen“, natürlich an einem Samstag, natürlich ohne betriebliche Aktionen. Während in vielen Ländern der EU die Gewerkschaften gegen die Abwälzung der Krisenlasten mobilisieren, Generalstreiks organisieren und ihren jeweiligen Bourgeoisien keine Ruhe lassen, betreiben die Gewerkschaften in Deutschland eher eine Art Burgfriedenspolitik.
Dass sie mit dieser Politik sich selbst ins eigene Fleisch schneiden, ist nur den wenigsten klar. Wenn Lohnkürzungen hingenommen, Tarifabschlüsse ohne Streiks erzielt werden, stets nur auf den eigenen Standort gesetzt wird, dann verschlechtern sich nicht nur die Arbeitsbedingungen, sondern das senkt auch die Kampfbereitschaft der Belegschaften. Die angebliche Arbeitsplatzsicherung bedeutet für viele prekäre Arbeit, unsichere Zukunft und eben keine Sicherheit. Wenn Standorte gegeneinander ausgespielt werden, egal ob Rüsselsheim gegen Bochum oder Bochum gegen Antwerpen, beißen am Ende alle in den sauren Apfel.
Die Tarifrunden 2013 dürfen daher nicht nur als Inflationsausgleich begriffen werden, sondern als Kampfort für höhere Lohne, gegen prekäre Beschäftigung und für unsere Kolleginnen und Kollegen in Spanien, Griechenland, Portugal und Italien. Klassenstandortlogik eben.
Tom, München