Da hast du dich ja mal wieder so richtig für die Interessen der ArbeiterInnen eingesetzt, als du dich neulich mit dem Bundesverteidigungsminister de Maizière getroffen hast. Dementsprechend selbstsicher konntest Du dich gegenüber der Presse dann auch äußern; von einem „tollen Gespräch mit einem offenen Minister“ sprichst du und betonst, das „Verhältnis zwischen bewaffneter Macht und Arbeiterbewegung ist historisch belastet; das ist es heute nicht mehr“.
Bei einem derart kollegialen Verhältnis ist es für dich auch klar, welche Themen bei der geplanten gemeinsamen Erklärung von Gewerkschaften und Bundeswehr behandelt werden sollen. Um die Rolle der Bundeswehr als Arbeitgeber soll es gehen und um Entwicklungen in der Sicherheitsindustrie am Standort Deutschland.
Zu der Frage nach den Auslandseinsätzen der Bundeswehr und wessen Interessen sie dienen, möchtest Du dich in der Erklärung nicht äußern. Denn „egal wie wir zu den Auslandseinsätzen stehen; wenn der Bundestag beschließt, deutsche Soldaten ins Ausland zu schicken, dann müssen wir auch alles dafür tun, diese richtig auszurüsten […], egal ob ich die Entscheidung selber für richtig oder falsch halte“. Deiner Ansicht nach steht es den Gewerkschaften also nicht zu, Beschlüsse der Bundesregierung zu kritisieren. Hm.
Doch das ist ja wohl inzwischen auch nicht mehr nötig, denn wie de Maizière es formulierte, ist „der Geist der 70er Jahre erfolgreich überwunden“. Damit meint er wohl die Zusammenarbeit von Gewerkschaften und Friedensbewegung, die sich damals noch gemeinsam gegen Militarismus und Kriegstreiberei einsetzten.
Inzwischen ist die Zusammenarbeit mit der Friedensbewegung der Kooperation mit der Bundeswehr gewichen. Und so müssen die Herrschenden keinen Widerspruch von dir fürchten, wenn sie die Bundeswehr in immer mehr Länder schicken; wenn Jugendoffiziere in Schulen Werbung für den „todsicheren Job“ als SoldatIn machen, oder wenn Steuergeld in die Rüstung fließt, statt den Ausbau ziviler Ausbildungsplätze zu finanzieren.
Dass die ArbeiterInnen, deren Interessen zu vertreten ja eigentlich deine Aufgabe ist, besser nicht als Kanonenfutter für die Profitinteressen deutscher Konzerne verheizt werden wollen, scheint dir egal zu sein. Doch schließlich ist die Bundeswehr laut de Maizière ja auch ein „Teil der Friedensbewegung“.
Mein lieber Michael, nur zur Erinnerung: Die Friedensbewegung, das ist nicht die Bundeswehr. Die Friedensbewegung sind die, die auf die Straße gehen, um sich gegen die Kriegseinsätze und für zivile Arbeitsplätze einzusetzen – und deren Aufrufe auch der DGB regelmäßig unterstützt. Die hättest du dir doch besser mal angeschaut. Und wenn Du schon dabei bist: In der Satzung des DGB gibt es einen interessanten Abschnitt über Friedenserhaltung und Abrüstung!
Viel Spaß beim Lesen!
Michele (Frankfurt) & dein Zeitungskollektiv