Am 19. Februar gab das Bundeskabinett offiziell grünes Licht für den nächsten deutschen Auslandseinsatz: Die Bundeswehr wird bis zu 330 Soldaten nach Mali entsenden. Dort sollen sie sich an der Ausbildung malischer Truppen durch EU-Einheiten beteiligen. Ziel ist es, die malischen Militärs in die Lage zu versetzen, die islamistischen Milizen, die sich – übrigens mit Hilfe aus Saudi-Arabien und Qatar, also von engen Kooperationspartnern der Bundesrepublik – im Norden des Landes breit gemacht haben, zu bekämpfen. Es handelt sich um ein Vorgehen, wie es Berlin für Interventionen in Afrika allgemein anstrebt: Einheimische Streitkräfte sollen strikt nach Vorgaben Deutschlands und der EU operieren; dafür erhalten sie Training durch europäische Militärs – am besten in sicheren Landesteilen, damit es keine europäischen Opfer gibt – und Ausrüstung, wenn möglich, von deutsch-europäischen Lieferanten.
Der Einsatz in Mali ist in gewisser Hinsicht ein Novum: Er findet in einer der einstigen französischen Kolonien statt, die nach wie vor starkem Pariser Einfluss ausgesetzt sind, und er ist zeitlich de facto nicht begrenzt. Man stehe in Mali „am Anfang eines langen Weges”, erklärte Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière bei der ersten Beratung des Bundestages über die neue Intervention. Die Bundesregierung hat sich seit je dagegen gewehrt, die Bundeswehr im EU-Rahmen für französische Interessen kämpfen zu lassen. Während sich die europäischen Mächte daran gingen, – im deutschen Interesse – im zerfallenden Jugoslawien zu intervenieren, wetterte der damalige Verteidigungsminister Volker Rühe 1994: „Das Euro-Korps ist kein Afrika-Korps”. Zweimal (2003 und 2006) griff die EU dennoch im Einflussgebiet Frankreichs – in der Demokratischen Republik Kongo – ein, beide Male wurden die Einsätze jedoch pünktlich beendet, was man von anderen deutschen Interventionen nicht sagen kann. Die Einsätze im Sudan und im Südsudan etwa dauern schon lange an.
Die Ursache dafür, dass Berlin mit dem Mali-Einsatz einen Politikwechsel vollzieht, liegen eher in Entwicklungen in Europa als in der Lage in der Sahara, wenngleich das Erstarken islamistischer Milizen in Westafrika – anders als in Libyen vor Gaddafis Sturz oder in Syrien – nicht im deutschen Interesse liegt. Von der deutschen Öffentlichkeit kaum beachtet, hat sich in der EU militärisch eine Entwicklung vollzogen, die Berlin mittlerweile ernste Sorgen macht. Frankreich hat zu Beginn der Präsidentschaft von Nicolas Sarkozy versucht, die militärpolitische Entwicklung in der EU der deutschen Kontrolle zu entreißen; Gegenstand der Auseinandersetzungen war damals unter anderem ein EU-Einsatz im Tschad, der in französischem Sinne in den Sudan hineingewirkt hätte, den Deutschland deshalb aber sabotierte. Paris begann, nachdem Berlin auch weitere französische Pläne blockierte, auf ein bilaterales Militärbündnis mit London zu setzen, und baute die Kooperation mit Großbritannien massiv aus.
Am 2. November 2010 gipfelte die neue französisch-britische Kooperation in einer Übereinkunft, die zahlreiche gemeinsame Militärprojekte vorsah – von Atomwaffenprojekten über die gemeinsame Nutzung von Flugzeugträgern bis zum Aufbau einer binationalen Interventionstruppe. In Berlin zunächst als Sparmaßnahme belächelt – Flugzeugträger und Atomwaffen sind teuer –, bewies das Bündnis bereits 2011 seine Praxistauglichkeit: Beide Staaten führten, wenn auch noch mit US-amerikanischer Unterstützung, den Libyen-Krieg. Berlin war mit seinem Versuch, dies zu verhindern, gescheitert. Seither wird der französisch-britische Pakt in der deutschen Hauptstadt ziemlich ernst genommen. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) etwa urteilte im August 2012, da sei „eine neue Entente Cordiale” im Entstehen begriffen. Der Name „Entente Cordiale” bezieht sich auf das Bündnis, das Frankreich und Großbritannien im Jahr 1904 schlossen, um – mit Blick auf das erstarkende Deutsche Reich – ihre weltweiten Interessen abzugleichen und Berlin in die Schranken zu weisen.
Einen weiteren Ausbau des französisch-britischen Bündnisses, der nun in Mali durchaus möglich gewesen wäre, will die Bundesregierung unbedingt verhindern. Aus Sicht Berlins hat der Libyen-Krieg gezeigt, dass sich das mit Interventions-Sabotage nicht erreichen lässt. Daher versucht es die Bundesregierung nun auf einem anderen Weg: Sie beteiligt sich an der Intervention – obwohl diese im französischen Einflussgebiet stattfindet –, bemüht sich aber zugleich massiv, politisch Einfluss zu nehmen und auf diese Weise die singuläre Macht Frankreichs in seinen ehemaligen Kolonien zu brechen. Die Zusammenarbeit mit weiteren Ländern des westafrikanischen Staatenbündnisses ECOWAS wird bereits intensiviert; Kanzlerin Merkel erklärte bei einem Besuch des Staatspräsidenten von Côte d’Ivoire im Januar in Berlin, es sei nun wichtig, dass auch Deutschland zu den Partnern, die enge Partner Frankreichs sind, engere Beziehungen aufbaut. Der Einsatz in Mali ist keineswegs einer, der nur islamistische Milizen in der Sahara schwächen soll; er ist auch Bestandteil des Machtkampfs zwischen Berlin und Paris.
Jörg Kronauer
Jörg ist Sozialwissenschaftler, freier Journalist und Redakteur bei german-foreign-policy.com.