Kubas eigener Weg – Und jeden Tag fragt die Geschichte: Souveränität oder Imperialismus?

veröffentlicht am: 22 Mai, 2013
Bunker in der Schweinebucht, 1983 (Foto: Giv von Koerber, CC)

Bunker in der Schweinebucht, 1983 (Foto: Giv von Koerber, CC)

Die ungebrochene Existenz des sozialistischen Kubas löst heute immer noch rund um die Welt Tobsuchtsanfälle aus. Das Epizentrum dieser cholerischen Hysterie liegt sicherlich in Miami, wo die von der Insel geflüchteten Großgrundbesitzer und Casinokönige, die Geheimdienstler und ihre Folterknechte, die Zuckerrohrbarone und die Angehörigen des Hofstaates des Diktators Batista immer noch den guten alten Zeiten hinterhertrauern. Aber die Aggression gegen Kuba ist auch durchaus in Europa, der Heimat der ehemaligen Kolonialmacht ausgeprägt. Die kubanische Revolution stellt durch ihre reine Präsenz seit 54 Jahren die Unantastbarkeit der kapitalistischen Herrschaft im internationalen Maßstab in Frage. Kuba ist ein Stein des Anstoßes, eben weil es nicht mehr vor den imperialistischen Ländern auf die Knie fällt. Und indem es aufrecht bleibt und dabei große Erfolge vorzuweisen hat, wirkt dieses kleine, tapfere Land wie ein Kontrastmittel, vor dem die mit großem propagandistischen Aufwand heraus geputzte Legende, die kapitalistische Marktwirtschaft würde der Welt Freiheit und Wohlstand bringen, als ein scheinheiliger Zynismus zum Vorschein tritt.

Kolonialismus verschiedener Art

Auch wenn der Sieg der kubanischen Revolution auf den 1. Januar 1959 datiert werden kann, so handelt es sich doch um einen geschichtlichen Prozess, dessen Wurzeln bis in die Zeit der spanischen Eroberung Amerikas zurückgehen. Über Jahrhunderte war Kuba eine strategische Durchgangsstation für die aus der „neuen Welt“ nach Spanien geschifften Reichtümer gewesen. Dazu kam die Ausbeutung der landwirtschaftlichen Reichtümer des Landes. Die „Entdeckung“ durch die Spanier hatte innerhalb von nur sechs Jahrzehnten die 500.000 auf Kuba lebenden Ureinwohner ausgelöscht. Sklaven wurden aus Afrika herbeigeschafft, um für die weißen Großgrundbesitzer Zucker und andere Produkte in Gold zu verwandeln.
Die USA beobachteten den kubanischen Kampf um die Unabhängigkeit von Spanien mit Interesse und trat kurz dessen Ende unter einem Vorwand in den Befreiungskrieg ein und erklärte sich zur „Schutz-“ (lies: Ausbeutungs-) Macht der Insel. Der Vertrag von 1902, durch den die USA die Bucht von Guantanamo für hundert Jahre zu einem symbolischen Pachtpreis von 5000 Dollar zugesprochen bekamen, ist nur ein Beispiel dafür, dass zur Zeit des Kapitalismus in Kuba die jeweiligen Regierungen nur Marionetten am Bändchen der US-Regierung waren. Die nationale Wirtschaftsaktivität bestand im Versand von Rohstoffen zu Spottpreisen in die USA. An den Erträgen machte sich eine kleine superreiche Bourgeoisie fett, während die Bevölkerungsmassen in bitterer Armut lebten und zugleich der Polizeirepression ausgesetzt waren. In den fünfziger Jahren ermordete die Regierung 20.000 politische Gegner, während sich im gleichen Zeitraum der USA-hörige Diktator Batista zu einem der reichsten Männer der Welt machte. Die kubanische Bevölkerung lebte vor allem in ländlichen Gebieten oft am Existenzminimum. Die Ländereien waren in der Hand von US-Konzernen, Arbeit gab es oftmals nur zu Erntezeiten, Bildung und Gesundheit waren kostenpflichtig und damit unerreichbar. Der Großteil der Werktätigen und der Arbeitslosen waren vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen. Schwarze durften nicht an der Messe der Weißen teilnehmen, und die überwiegende Mehrheit der Frauen hat nie einen Beruf gelernt.

Souveränität durch Sozialismus

Diese Situation hat man sich vor Augen zu führen, um die Beweggründe der Revolution von 1959 zu verstehen. Es ging nicht um eine Korrektur an der politischen Oberfläche, sondern um einen radikalen Bruch mit der Geschichte des Kolonialismus, der Fremdherrschaft, des Rassismus und der Korruption. Nationale Souveränität konnte nur durch die Enteignung der Betriebe in Hand der US-Multis und durch die Entmachtung der korrupten besitzenden Klasse erreicht werden. Das war die feste Auffassung der revolutionären Massen, und im Kern ist dies der Kurs, den die Insel bis heute verfolgt. Die Wirtschaft konnte nur sozialistisch sein, um zu garantieren, dass die Geschicke Kubas in der Hand der einfachen Kubaner blieben.

Geschichtliche Voraussetzung für die kubanische Souveränität war mit der Existenz der Sowjetunion, deren Bedeutung für die Befreiungsbewegungen der sogenannten 3. Welt gar nicht genug herausgestellt werden kann. Die RGW-Staaten ermöglichten Kuba einen wirtschaftlichen Neuaufbau nach 1959. Das war notwendig, weil die USA versuchten, Kuba durch eine wirtschaftliche und politische Blockade zum Aufgeben zu zwingen. Diese Blockade war von Beginn an von mörderischer Absicht, denn sie umfasste u.a. auch medizinische Geräte und Medikamente, ihre Wirkung schlägt aber erst seit dem Ende der UdSSR in aller Härte auf Kuba durch. Parallel wurde Kuba das Ziel ununterbrochener terroristischer Angriffe, sei es durch direkte US-Interventionen wie die in der Schweinebucht im Jahr 1961, sei es durch rechtsextreme Gruppen von Exilkubanern. Insgesamt wurden über 3500 Menschen Opfer dieser Anschläge. Zudem läuft eine gigantische Medienkampagne gegen Kuba, deren bevorzugtes Thema angebliche Menschenrechtsverletzungen der sozialistischen Regierung sind. Betroffen sind zumeist selbsterklärte Menschenrechtsverteidiger, sogenannte Dissidenten. Der US-Kongress stellt Jahr für Jahr 45 Millionen US-Dollar zur Verfügung, um die Arbeit der Splittergruppen in Kuba zu unterstützen. Die Aufgabe der Dissidenten besteht darin, Rechtfertigungen für einen Einmarsch der USA in Kuba zu liefern, und ihr Einsatz wird gut bezahlt: für die Teilnahme an einer regierungsfeindlichen Demonstration erhalten sie von der US-Botschaft umgerechnet einen Monatslohn. Noch nie haben diese Menschenrechtsaktivisten übrigens gegen das illegale US-Foltergefängnis in Guantanamo demonstriert. Ebensowenig kritisieren die „Regimekritiker“ die Batista-Herrschaft, im Gegenteil, in Miami finden regelmäßig Feierlichkeiten zu Ehren des 1973 verstorbenen Diktators statt.

Auch heute

Die kubanische Bevölkerung kümmert übrigens herzlich wenig, was die Konterrevolutionäre von sich geben. Kuba hat augenblicklich ganz andere Probleme, und diese bestehen in erster Linie in einer notwendigen Erhöhung der wirtschaftlichen Produktivität. Wie jedes andere Land der Dritten Welt hat die Weltwirtschaftskrise Kuba in Form einer Nahrungsmittelkrise getroffen. Die Preise für Lebensmittelimporte haben sich in den letzten 5 Jahren vervielfacht, und Kuba ist gezwungen, mehr Lebensmittel selber herzustellen. Aber auch in anderen Bereichen muss das Land eine höhere Effizienz erreichen, um auf dem Weltmarkt bestehen zu können. Zu diesem Zweck hat die Kommunistische Partei Kubas ein Maßnahmenprogramm vorgeschlagen, mit dem in fünf Jahren die gesamte Wirtschaft des Landes auf einen höheren Produktivitätsstand gebracht werden soll – und trotz aller existierenden Schwierigkeiten sind erste positive Erfolge zu verzeichnen. Die wirtschaftlichen Maßnahmen sind von politischen Entscheidungen begleitet, wie zum Beispiel die Erleichterung von Auslandsreisen. Übrigens: Anders als viele glauben, sind es die USA, die ihre Reisefreiheit eingeschränkt haben. Reisen nach Kuba sind für US-Bürger immer noch verboten und können mit Gefängnis bestraft werden. Viele US-Amerikaner wären wohl überrascht festzustellen, dass das erste Anliegen der kubanischen Revolution darin besteht, allen Kubanern ein Leben in Würde und Selbstbestimmung zu garantieren, ohne Einmischung von außen und ohne korrupte Diktatoren im Innern. Dieses Anliegen zu realisieren, bedeutete den Kolonisatoren, dem Imperialismus und ihrem Mann in Havanna die Grundlage für Herrschaft zu nehmen: Ihr Privateigentum an den Produktionsmitteln und die Macht im Staat. Der Sozialismus ist in Kuba Voraussetzung für die nationale Unabhängigkeit – so lautet das Motto der bei den Imperialisten so verhassten kubanischen Revolution.

Tobias Kriele

Tobias ist gelernter Tischler und lebt und studiert seit 2003 in Havanna. Dort promovierte er über die Rolle der Metaphorik für den Marxschen Technikbegriff und produzierte den Film „Zucker und Salz“. Derzeit arbeitet er an einem weiteren Film.

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