Noch bevor ich an das Arbeiten denken kann, schießen mir ganz viele Bilder, Gesprächsfetzen, Menschen, Orte durch den Kopf, die mir bisher auf Kuba begegnet sind. Die Anzahl meiner Eindrücke ist jeden Tag so groß. Ich glaube, dass ich das alles erst viel später verstehen werde.
Meine letzte Erinnerung an den gestrigen Abend ist, wie Eros neben mir sitzt und wir Rum mit Cola trinken. Er erzählt mir von seinem Besuch im Berliner Club Berghain, einem legendären Elektroschuppen, der für ihn eine Paralellwelt eröffnete. So eine Paralellwelt ist Kuba für mich.
Auch ich befinde mich hier in einem anderen System. Es scheint nicht alles verfügbar, wie in Deutschland. Wir warten viel, hier klingeln nicht ständig Handys. Keiner sitzt vor dem Computer und checkt seine Nachrichten auf Facebook. Keine Einkaufzentren oder Menschen mit H&M-Tüten, die bis oben vollgestopft sind.
Ich treffe auf bescheidene Menschen, die mit dem was sie haben gut zurecht kommen, auch wenn es an vielem fehlt, so sind sie doch reich an Ideen und Geschichte. Die KubanerInnen sind sehr offene Menschen und verbergen nicht ihre Kritik. Das muss möglich sein, um die Situation in ihrem Land zu optimieren und um den Bedürfnissen der Menschen nachzukommen.
Zudem bietet Kuba für StudentInnen aus anderen Dritte Welt Ländern eine Chance, um sich gut ausbilden zu lassen, wie die zwei jungen Männer, die ich heute traf und direkt in das Cafe Tamara Bunke eingeladen habe. Suleyman und Ipanovic kommen aus Mali und Togo und machten mich noch einmal darauf aufmerksam, dass sich auf Kuba die ganze Welt trifft. Sie betonten, wie besonders das cubanische Bildungssystem ist. Ich bin gerührt. Wir stehen im Kreis mit einer weiteren Genossin und der Moment scheint unwirklich zu sein. Wir vier – total unterschiedlich, aus allen Teilen der Welt – vereint auf Kuba, auf dem Gelände der CUJAE. Wunderbar!
Auch der tägliche Gang zum Markt ist jedes Mal ein Abenteuer, da ich noch nicht so gut mit den beiden Währungen umgehen kann. Peso Convertible und Peso Nacional. Ich rechne hin und her, weiß, dass ein Kaffee einen Peso Nacional kostet. Er schmeckt köstlich, steht in einer Thermoskanne, gezuckert auf dem Tresen und wird in kleinen Glastassen serviert. Ich kenne bereits jede der Verkäuferinnen und schaue sie gerne an, bei einem heißen Kaffee. Das wissen die anderen bestimmt nicht, aber ich habe dort schon ein Vermögen gelassen um meinen heißgeliebten Kaffee trinken zu können.
Mehrmals täglich stehe ich dort und bin auch verwundert über das Miteinander von Mensch und Tier. Die Hunde fressen die Reste und fühlen sich wohl bei den Menschen. Keiner jagt sie davon. Auch das gefällt mir.
Na gut, ich erzähle jetzt kurz von unserer Arbeit: Kleines Chaos, mal viel, mal keine Arbeit. Mal schlafen, mal wach sein, mal anzicken, mal nicht. Wie es eben so ist. Ich bin in der Gruppe, die sich um die Wandbilder kümmert. Wir sind gut vorbereitet und haben keine größeren Schwierigkeiten, bis auf die tropischen Temperaturen. Wir zerfließen, aber der Gang zum Schwimmbad macht das alles wieder gut. Da sind wir halt auch nur Kinder, die sich auf das Wasser freuen – Yeah!
Der heutige Abend brachte uns zwei ehemalige Agenten ins Cafe Tamara Bunke: Alexis und Jose Gonzales. Leider fallen mir ihre Decknamen nicht mehr ein. Sie erzählten uns von ihrer Arbeit in den USA. Sie sehen ihre Arbeit als Akt der Verteidigung ihres Landes an. Wir diskutierten mit ihnen und haben teils spannende Antworten zu hören bekommen. Auf die Frage, wie viele ScharfschützInnen Cuba habe, antworteten sie, dass Kuba zum einen eine Millionen ScharfschützInnen habe, zum anderen bei elf Millionen EinwohnerInnen auch elf Millionen SchaftschützInnen. Die Verteidigung ihrer sozialistischen Republik sei keine Aufgabe von wenigen. Die CubanerInnen wissen aus ihrer Geschichte, dass sie mit Angriffen des US-Imperialismus zu rechnen haben. Darauf sind sie gut vorbereitet.
Susi, Havanna (Cuba)