Arbeit, Kampf und Frauenfrage – Die Liebe zur Revolution

veröffentlicht am: 30 Jul, 2013

Wenig Schlaf, ein Frühstück ohne Kaffee und Vitamine, die Nachwirkungen des Genusses eines äußert beliebten kubanischen Nationalgetränks: All das eigentlich kein Grund nicht um neun Uhr mit den Arbeiten am Zentrum zu beginnen.

Das Kollektiv ‘Netzwerk’ verkabelt und konzipiert, die Gruppe ‘Wandgemälde’ sieht mittlerweile die Früchte ihrer Arbeit, und wird dabei etwas neidisch beäugt von der Gruppe ‘Bau’, welche die schweißtreibende Arbeit Stühle und Tische in den siebten Stock zu schleppen, noch nicht in Zusammenhang mit unser politisch-ideologischer Unterstützung im Aufbauprozess des Sozialismus bringen kann.

Zwei Wochen in einer anderen Welt, zwei Wochen Revolution in der Praxis, zwei Wochen Kuba!

Zwei Wochen in einer anderen Welt, zwei Wochen Revolution in der Praxis, zwei Wochen Kuba!

Julián packt eine Anekdote von seinem Einsatz in Äthiopien aus; vom Bau der Schützengräben eines kubanischen Bataillons, kurz bevor die somalischen Truppen zurückgeschlagen werden mussten. Die Trockenheit erschwert es in den hartgewordenen Böden tief zu graben. Zwei Gräben sind vorgesehen, jeweils für die Waffen und für die Kämpfer. Der letztere erscheint von größerer Wichtigkeit und ist leichter auszuheben. Es ist schon nachts, nach der Anstrengung wollen sie ruhen, die Arbeitsmoral lässt nach, doch der Kompaniechef treibt zur Arbeit. Der kleinere seitliche Waffenlagergraben muss fertig werden. Nach Protest und Klagen raffen die Genossen sich auf, die letzen Kräfte werden aufgebracht, erschöpft schlafen sie in der Waffengrube nach Fertigstellung ein. Dann kommt der Feind, er überrascht von der Seite, und siehe da, ein ‚Segen’ nun genau dort auf Stellung zu sein. Die mühselige Arbeit die zu Beginn als nebensächlich erschien, war von zentraler Bedeutung um die Feinde in die Flucht zu schlagen. Und das Erkennen in die Notwendigkeit zur Disziplin kam erst danach.

Am Nachmittag erfahren wir, dass es in Cuba mehrheitlich die Frauen sind, die dieses Prinzip erkannt haben und es in der Bildung umsetzen.

Vertreterinnen des kubanischen Frauenverband aus dem anliegenden Wohngebiet erzählen uns von den Erfolgen ihrer Arbeit für und von den Frauen der Revolution: heute stellen sie über 60 % aller technischen Angestellten, machen über die Hälfte aller Studienabgänger aus. Insbesondere seit der neuen Legislaturperiode sind sie in Partei, in der Regierung und in der Nationalversammlung mit verantwortungsvollen Aufgaben betraut. So bedeutsam diese Erfolge uns erscheinen, reicht es uns Genossinnen nicht, um die Situation kubanischer Frauen zu begreifen.

Wie behandelt der Frauenverband den Machismo, z.B. in den Texten populärer Musik? Wie wird auch an der Basis ideologisch gearbeitet an einem sozialistischen Frauenbild? Wir erkundigen uns nach der Arbeit mit homosexuellen Frauen, die Vergesellschaftungen vieler reproduktiver Tätigkeiten nicht nur der Kindererziehung, nach den Konfliktfeldern mit Leitideen der katholischen Kirche – es will kein Ende nehmen, und die junggebliebenen kubanischen Genossinnen können nicht mit jeder unserer Fragen aus dem deutsch-österreichischen Kontext etwas anfangen.

Der Verweis auf die historische Funktion des Frauenverbands – Frauen überhaupt aus der privaten Sphäre herauszuholen, in der Alphabetisierungskampagne die Frauen von Prostitution oder der Arbeit als schlecht entlohnte Dienstmädchen zu befreien und so gesellschaftliche Teilhabe und ökonomische Gleichheit zu ermöglichen – zeigt uns, das die Kampffelder in der Frauenfrage ganz grundlegende waren und sind.

Zusammen mit den vier Protagonistinnen María, Elena, Ana und María bei der Filmvorführung von "Zucker und Salz"

Zusammen mit den vier Protagonistinnen María, Elena, Ana und María bei der Filmvorführung

Heute arbeiten sie ganz konkret in Stadtvierteln, in der Beratung junger schwangerer Frauen, beim Zurückdrängen häuslicher Gewalt. Hier wiederum können wir uns exzellent verständigen und lernen von ihren Strategien. Von ihren flächendeckenden Strukturen vor Ort müssen wir noch träumen.

So zögerlich, wie wir dieses intergenerationale, interkulturelle Treffen verlassen, so enthusiastisch freuen wir uns, sobald wir die Resultate der kubanischen Frauenpolitik hautnah erleben dürfen: am Abend führen wir den Dokumentarfilm „Zucker und Salz“ auf, und treffen die vier Protagonistinnen Angela, Maria, Ana und Elena als alte Bekannte mit kämpferischem Elan wieder. Sie haben sich richtig schick gemacht für uns – ich nehme das als Zeichen der Wertschätzung unserer Arbeit.
Hier begreifen wir wirklich, was es heißt, sich damals als Frau für die Revolution entschieden zu haben und eine Genossin sagt: „Wir müssen in Deutschland wieder mehr Frauen für die Revolution begeistern, wenn sie doch nur wüssten, welche Türen sich für sie öffnen ließen!“

Jule, Havanna (Cuba).

Trailer zum Dokumentarfilm „Zucker und Salz“

 

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