Es ist Sonntagabend, und spontan entwickelt sich die Idee nach Havanna City reinzufahren. In Kleingruppen nehmen wir den Bus, der direkt vor unserer Universität beginnt und in das Zentrum, sogar bis in die Altstadt fährt. 40 Centavos kostet die Fahrt. Das ist gerade mal ein Eurocent und auch auf Kuba für jeden, jederzeit erschwinglich. Schnell füllt sich der Bus es gibt selten Sitzplätze für alle, aber man teilt sinnvoll auf. Ein etwa 50-jähriger Mann steht auf für einen etwa 30-Jährigen mit einem Kind auf dem Arm, ich für die ältere Frau mit ihrer Enkelin. Ich solle doch nah bei ihr bleiben, damit ich weiter mit meiner Bezugsgruppe Schnacken kann. Viele die sitzen, nehmen die Taschen von denen, die stehen, damit viel Platz geschafft werden kann.
Nach etwa 30 Minuten Fahrt steigen wir aus. Ich habe das Glück, dass in meiner Kleingruppe jemand ist, der hier im Zentrumsviertel ein paar Wochen gewohnt hat. Sie zeigt uns Havannas Hauptverkehrsachse und die kleinen Schätze die man in den Seitenstraßen sehen kann. In einem CDR-Büro an dem wir vorbeikommen läuft Livemusik und wir werden eingeladen uns einzubringen, doch dafür halten wir uns doch alle zu untalentiert. Außerdem wollen wir weiter, es gibt noch viel zu sehen.
Da wir uns in der Hauptstadt befinden, natürlich auch zentrale Verwaltungsstellen und Regierungsgebäude. Beim Bau hat man auf den Prunk verzichtet und lieber dafür gesorgt, dass die Regierungsgebäude für alle zugänglich sind. Etwas irritiert mich, dass es scheinbar mehrere Bildungsministerien gibt, eins für Primärbildung, eins für weiterführende Schulen, eins für Berufliche Bildung und eins für Universitäten. Inzwischen habe ich herausgefunden, dass es nicht einfach ein Ministerium für jeden Kleinscheiß gibt, sondern dass Bildung in der kubanischen Revolution so zentral ist, dass man deswegen auch auf höchster beschlussfassender Ebene so kleinschrittig damit umgeht. Aber das nur nebenbei.
Nach einem leckeren Snack suchen wir ein Kulturzentrum auf, in dem eine lokale Kulturinitiative jeden Freitag, Samstag und Sonntag umsonst und draußen Konzerte organisiert. Leider kommen wir sehr spät in die Hinterhofanlage in der sich einige Hundert Jugendliche zu den Klängen von Latino-Pop-Rock drängen. Wie immer wenn Musik läuft tanzen alle. Wir hören nur noch die letzte Zugabe, dann muss die Veranstaltung beendet werden, immerhin sind wir im freien und mitten in einem Wohnviertel an einem Vorabend unter der Woche.
Anschließend ziehen wir durch den Park auf dem Mittelstreifen der Allee der Präsidenten. Hier gibt werden durch kleinere Statuen und Springbrunnen und Plaketten etc. Präsidenten geehrt, die sich für die Emanzipation der Lateinamerikanischen Staaten von der Kolonialherrschaft Spaniens oder der USA eingesetzt haben. Dominiert wird die Szene aber von den Hunderten Jugendlichen die überall auf den Treppen, Grünflächen und Wegen sitzen, stehen gehen und sich unterhalten, Trinken, Musik machen. Alle paar Meter dudelt Musik aus einem Handy. Meistens Reggaeton aber auch Nirvana, die Rolling Stones, mir nicht bekannter Emocore ist zusehen. Hier sehe ich auch zum ersten mal subkulturelle Erscheinungen, doch die Dreadlocks, Plug-Ins, Iros, Bandshirts bleiben nicht unter sich sondern es mischt sich mehr durch als bei uns.
Dann nehmen wir den Bus nach Hause, wo wir noch auf ein Bier zusammen sitzen bleiben und uns über die Brigade unterhalten. Ich kann euch verraten, hier gibt es eine Dichte an Romantik mit der ich nicht gerechnet hatte, aber imhin ist die Solidarität ja bekanntermaßen die Zärtlichkeit der Völker.
Eric, Havana (Cuba)