Interview mit Leslie von der CUJAE

veröffentlicht am: 15 Aug., 2013

Seit ein paar Tagen sind wir wieder in Deutschland, in vier Tagen fliegt die zweite Brigade. Auch hier erschlagen uns die Eindrücke, nach drei Wochen Sozialismus wieder zuhause zu sein. Doch nicht nur wir haben viele Eindrücke sammeln können, unsere cubanischen FreundInnen haben ebenso einen Einblick in unser Leben bekommen.

Auf unserer ersten Brigade wurden wir unter anderem von Leslie aus Havanna begleitet. Er ist Professor an der CUJAE, nachdem er im Jahr 2003 dort seinen Abschluss gemacht hat. Seit zwei Jahren ist er Sekretär der UJC vor Ort und nahm deshalb von kubanischer Seite an unserer Brigade teil. Wir haben uns mit ihm über die Unterschiede im Bildungssystem unterhalten.

Was hast du auf unserer Brigade über das deutsche Bildungssystem gelernt?

In Deutschland wird schon früh begonnen, zu selektieren. Nach der Grundschule werden die SchülerInnen auf drei Schulen verteilt, je nachdem, was sie für Noten haben. Die sind aber abhängig von den Möglichkeiten, die die Eltern haben, ob sie den Kindern helfen können oder ob sie viel arbeiten müssen, ob sie sich Nachhilfe leisten können oder nicht.

Wer fertig mit der Schule ist, dem ist kein Studien- oder Ausbildungsplatz garantiert, wer das beendet hat, hat keinen sicheren Job. Die jungen Leute in Deutschland müssen mit Zukunftsängsten zurechtkommen.

Wie ist das in Cuba organisiert?

Alle Schüler gehen mindestens 9 Jahre zur Schule – gemeinsam, alle auf eine Schule. Danach hat man entweder die Möglichkeit, drei weitere Jahre zur Schule zu gehen, oder sie erlernen einen Beruf. Alle Personen, die drei weitere Jahre zur Schule gehen, haben danach die Möglichkeit, zu studieren. Danach ist ihnen ein Job garantiert, mit ihrem Abschlusszeugnis erhalten sie eine Stelle.

Wir haben hier ein sehr enges Verhältnis zwischen Eltern und Lehrern, sie arbeiten zusammen und arbeiten nicht gegeneinander, wie ich es von Deutschland gehört habe. Dabei wird versucht, die beste Lösung für den Schüler zu finden.

Bei uns ist Bildung komplett kostenlos, man zahlt gar nichts, nichts für Bücher, nichts fürs Mittagessen. Auch im Studium: Die Unterkunft, das Essen, die Lehrmaterialen, das ist alles kostenlos.

Was sind die größten Unterschiede zwischen dem deutschen und cubanischen Bildungssystem?

Bildung hat in Cuba einen sehr viel höheren Stellenwert. José Marti, unser Nationalheld, hat schon vor über 100 Jahren gesagt, dass der einzige Weg, frei zu sein, Bildung ist. Nur so kann man verstehen, warum die Welt so aussieht, wie sie aussieht.

Auch deswegen war die Bildung nach der Revolution eine der ersten und wichtigsten Dinge, die gestärkt wurde. Bildung wurde der breiten Masse zugänglich gemacht, in Cuba gibt es mittlerweile mehr als 100 Universitäten. Vor der Revolution gab es nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung die Möglichkeit, Bildungszugang zu erhalten.

In Deutschland ist Bildung eher nach den Interessen der Banken und Konzerne ausgerichtet, die Menschen werden ausgebildet, damit sie später ihnen nutzen und für sie arbeiten können, nicht, damit sie frei sind und die Möglichkeiten haben, mitzubestimmen. Das bedeutet auch, dass nicht alle Menschen das Recht bekommen, an eine Universität zu kommen. Diese Möglichkeit haben insbesondere Kinder von reichen Familien. In Deutschland lernt man auch nur das, was man unbedingt für den Beruf später braucht. In Cuba gehört auch Allgemeinwissen dazu: Zum Beispiel muss sich jeder Studierende mit der cubanischen Geschichte auseinandersetzen.

Welche Möglichkeiten habt ihr an der Uni, Dinge zu verändern?

Die FEU, die Studierendenorganisation in Cuba, kann sehr viel entscheiden. Die FEU macht nationale Studierendenkongresse, auf denen unsere Probleme diskutiert werden. Zum Beispiel wurde auf ihren Drang hin ein Taschengeld für Studierende eingeführt. Und 2002 hat die FEU durchgesetzt, dass wir uns die Termine innerhalb von einem bestimmten Zeitraum freier festlegen können.

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