Kurz bevor ich nach Cuba auf die Solibrigade abgereist bin, flatterte mir die dritte Zahlungserinnerung für den neuen allgemeinen Rundfunbeitrag ins Haus, der jetzt die GEZ-Zahlungen ersetzt. Während ich mir die GEZ durch allgemeine Nichtreaktion auf ihre Briefchen einigermaßen vom Hals halten konnte, scheint es jetzt so als käme ich nicht mehr drum herum, nun zu blechen. Darüber hinaus sind der Urheberstreit, die GEMA und die Piratenpartei die Stichpunkte für die Debatte in Deutschland und meinen Ärger.
Heute Abend waren ein paar BrigadistInnen gemeinsam im Kino. Etwas verdutzt sahen wir, wie einer der Angestellten von einer Art DJ-Pult aus, den Film auf dem Computer öffnete, ihn auf die Leinwand zog und startete. Im Anschluss an den Film stellte sich im Gespräch mit unseren cubanischen BrigadistInnen heraus, dass das vollkommen normal ist. Etwa 80% der Kinofilme kommen per Internetpiraterie in die cubanischen Kinos. Für den Fernseher und die Radios gilt das gleiche Prinzip, natürlich mit der Ausnahme von eigenen Produktionen. Auf diesem Weg der kapitalistischen Medienindustrie und ihren Anwaltslakaien ein Schnippchen zu schlagen, war mir natürlich auf Anhieb sympathisch. Besonders weil der cubanische Staat auf diese Weise nicht nur die Konsumenten der Filme schützt, sondern die geradezu selbst organisiert. Viel entscheidender ist aber die allgemeine Handhabung dieses Wirtschaftszweiges: Vorneweg sei gesagt, dass es auf Cuba selbstverständlich keine GEMA, GEZ, Rundfunkgebühren oder andere Halsabschneider, die ich aus dem Bereich aus meiner deutschen Lebensrealität so kenne, gibt. Das spart jede Menge Porto, einen ganzen Berg Verwaltungskram und schont die Nerven der CubanerInnen sowie deren Geldbeutel. Hauptberufliche KünstlerInnen und Urheber werden wie alle anderen auch vom Staat bezahlt. Der wiederum garantiert den Zugang der Bevölkerung zu den Produkten. Zum Beispiel nehmen die staatlichen Kinos auf Cuba umgerechnet etwa 10 Eurocents Eintritt, die privaten 3D-Kinos kosten zwischen einem und drei Euro. Außerdem im Angebot: Keine Plattenindustrie, die weil es dem Profit dienlich ist, KünstlerInnen mit Knebelverträgen ihren Interessen unterordnet. Stattdessen: umfassende Förderung vor allem junger KünstlerInnen, die hier nicht das Problem haben ewig und wennmöglich vergeblich auf einen Plattenvertrag hoffen zu müssen. Von der Qualität dieser cubanischen Newcomer durften wir uns bereits anlässlich des Semesterstarts bei einem Open-Air-Konzert selbst überzeugen – Eintritt frei im Übrigen. Und wenn die Brigadearbeit nicht so laut gerufen hätte, wäre ich gern noch länger geblieben.
Das alles so ganz anders zu machen setzt natürlich voraus, dass Kunst, Kultur und Unterhaltung als allgemeine Bedürfnisse angesehen werden und nicht dem Profitsystem unterworfen sind. Das geht nur in einem Staat, der eben die Bedürfnisbefriedung der Bevölkerung als seine Aufgabe ansieht, und nicht als Garant für das Profitsystem, dem eben auch Kunst, Kultur und Unterhaltung unterworfen sind, fungiert. Außerdem finde ich es so aber auch einfach einfacher und logischer.
Jann, Havanna