„Nur ein gebildetes Volk ist ein freies Volk“ ist die freie Übersetzung eines Zitates von José Marti, das uns am heutigen Tag Aufschluss geben soll über die Bedeutung von Bildung im sozialistischen Cuba. Vor der cubanischen Revolution war der Zugang zur Bildung dem Großteil der Bevölkerung verwehrt, während zugleich zehntausende Lehrer vor leeren Klassenzimmern standen. Eine der ersten Taten der Revolution war es, 1961 eine Alphabetisierungskampagne ins Leben zu rufen, die der gesamten Bevölkerung zunächst einmal in umfunktionierten Kasernen Lesen und Schreiben beibringen sollte. Dies und die Errichtung zahlreicher Bildungseinrichtungen waren die erste Etappe des Kampfes für die Bildung des Volks. Hier sagt man, nur wer die gesellschaftlichen Prozesse versteht, könne sie mitgestalten und hierfür bedarf es umfassender Bildung, ein Leben lang.
„Allen Jugendlichen muss die Möglichkeit gegeben sein zu studieren und jedes Kind hat das Recht auf kostenlose Bildung“, berichtet und Julián von den Grundsätzen der cubanischen Verfassung Laut Daten der UNESCO erhalten 100% der Kinder auf Cuba Grundschulunterricht, in Deutschland sind es weniger. Doch nicht nur die Quantität zählt, auch die Qualität. Wie uns an den Überprüfungen des Leistungsgrades in Mathematik vor Augen geführt wird, hängt Cuba bei der Pisa-Studie Länder wie Deutschland oder Norwegen um Längen ab.
Ende der 1990er Jahre wurde auf Cuba eine umfassende Studie zur Lage der Jugendlichen durchgeführt. Dabei stellte sich heraus, dass sich hier, wie in Deutschland, an den Universitäten insbesondere Kinder aus Akademikerfamilien sammeln, während Kinder aus Arbeiterfamilien eher direkt arbeiten gehen oder eine Ausbildung machen. Diesen Weg wählten auch andere, wie zum Beispiel viele junge Mütter, Waisen und Jugendliche, die Verwandte zu Hause pflegen. So konstatierte Cuba, dass die formalen Möglichkeiten zum universitären Abschluss jedes Jugendlichen vollständig gegeben sind. Dennoch wird dieses Recht noch nicht ausreichend und nicht von allen genutzt. Cuba erkannte, dass die Probleme auf sozialer Ebene dazu führen können, dass Menschen die umfassenden Förderungen des Staates nicht nutzen, obwohl sie es formal könnten.
Es wurde ein Programm zur „Revolution des Bildungssystem“ aufgesetzt, mit dem Ziel aus der formalen Möglichkeit eine reale machen. Um unterschiedlichen Lebenssituationen gerecht werden zu können, bedarf es individueller Förderung und Forderung. So wurden die Grundschulklassen radikal von 30 auf 20 Schüler verkleinert und Ganztagsschulen eingeführt. Hier gibt es für die Kinder viel außerunterrichtliches Angebot und gegen einen sehr geringen Beitrag – 7 Peso im Monat, so viel kostet eine Ananas auf dem Markt – Mittagessen, alle Materialien, Betreuung etc. Darüber hinaus gibt es in fast jeder Schule Computer-Unterricht und es werden vermehrt audiovisuelle Medien in den Unterricht eingebunden.
Insgesamt sollen durch diese „Revolution des Bildungssystems“ die Unterschiede in der Herkunft noch weiter ausgeglichen werden und die Kinder sollen stärker entsprechend ihrer Bedürfnisse gefördert werden.
Das ist etwas wovon wir in Deutschland mit Blick auf die sozialistische Insel nur träumen können. Ein Land, dass den Staaten, mit denen es sich in der PISA-Studie ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefert, ökonomisch weit unterlegen ist, zeigt sich hier mal wieder als ziemlich fortschrittlich. Man hätte erwarten können, dass die formale Möglichkeit, dass jeder Student kostenlos studieren kann und Bücher, Essen, Wohnraum und sogar Taschengeld in Form eines materiellen Stipendiums vom Staat erhalten kann, ausreichen würde, um zu behaupten man hätte ein perfektes Bildungssystem. Aber Cuba geht weiter, weiter als wir es jemals von einem kapitalistischen Land erwarten könnten, dessen Bildungssystem auf die spätere Verwertbarkeit des Menschen auf dem Arbeitsmarkt ausgelegt ist.
Die Cubaner nehmen ihre Verfassung an dieser Stelle sehr ernst und setzen alles daran, soziale Ungleichheiten auszuhebeln. Die Direktorin der Grundschule, die wir heute besuchen sagt, „das hat die Revolution gemacht“ – ein Satz den wir hier immer wieder hören.
Paula, Havanna