Mindestlohn von 8,50 Euro – Ein Einkommen zum Auskommen?

veröffentlicht am: 4 Dez, 2013

Gemeinsame Erklärung der SDAJ-Geschäftsführung und des Sekretariats der DKP zu den Mindestlohnplänen der Großen Koalition

sdaj-ausbildungNun endlich soll er kommen, der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn. Angela Merkel hat die Arbeitgeberverbände bereits während der Koalitionsverhandlungen darauf eingestimmt. Es war insbesondere die SPD die in den Koalitionsverhandlungen schlecht auf ihre Mindestlohnforderung verzichten konnte. Zu stark und deutlich war der gesellschaftliche Wille einen Mindestlohn gesetzlich zu verankern. Da sich viele SPD-WählerInnen allein durch das Bündnis mit der Union verraten gefühlt haben, mussten medienwirksam nun ein paar Brotkrumen für die Bedürftigen vom Tisch fallen um die Meute zu besänftigen.

Wann ist ein Lohn existenzsichernd?

Ein existenzsicherndes Mindestniveau für Löhne festzuschreiben ist natürlich in unserem Interesse. Die Frage ist aber vor allem ab welcher Höhe sind Löhne existenzsichernd? Im Kapitalismus müsste der Lohn mindestens die Reproduktionskosten decken, worin auch die Unterhaltskosten von Kindern enthalten sind.

Engels schreibt dazu: „Ein gerechter Tagelohn ist unter normalen Bedingungen die Summe, die erforderlich ist, dem Arbeiter die Existenzmittel zu verschaffen, die er entsprechend dem Lebensstandard seiner Stellung und seines Landes benötigt, um sich arbeitsfähig zu erhalten und sein Geschlecht fortzupflanzen“ (Engels 1881, MEW 19). Freilich geht es hierbei um einen gerechten Lohn nach kapitalistischen Maßstäben. Einen Lohn der auch unserer Arbeitsleistung entspricht wird es nicht geben solange ein großer Teil unserer Arbeit privat als Profit angeeignet wird. Seltsam mutet es nun an, dass selbst die Gewerkschaften, als Interessenvertretung der LohnarbeiterInnen, einen Mindestlohn fordern, der nicht einmal die Existenzsicherung im Kapitalismus gewährleistet.

Ein Beispiel der Initiative für einen Mindestlohn von 10 Euro brutto, lohnsteuerfrei:

„Mit 8,50 Euro hätte Moritz Müller bei einer 38,5 Stundenwoche einen Lohn von 1.420 Euro brutto oder 1.040 Euro netto. Damit kann er erfolgreich Hartz IV beantragen. Sein Regelsatz beträgt nämlich 382 Euro und die durchschnittliche Warmmiete 381 Euro, zusammen also 763  Euro. Aufgrund des Freibetrags für Erwerbstätigkeit in Höhe von 300 Euro werden statt 1.040 Euro nur 740 Euro seines Nettolohns als Einkommen angerechnet.  Er hat also bei 381 Euro Warmmiete Anspruch auf 23 Euro staatliche Unterstützung.“

Ein Mindestlohn von 8,50 Euro schützt das Kapital!

Damit funktioniert ein Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro gleichzeitig auch nur mit einem Kombilohnmodell. Die Subventionen, die über den Lohn hinaus zur Reproduktion nötig sind werden über Steuermittel von der Masse der Lohnabhängigen selbst gezahlt. Auch ein Aufstocken auf Hartz-4 Niveau bedeutet aber keine Existenzsicherung. 4,52 Euro pro Tag für Essen & Trinken bedeutet Mangelernährung. 65 Cent für öffentliche Verkehrsmittel und 26 Cent für Cafébesuche bedeuten gesellschaftliche Isolation.

Ein Mindestlohn von 10 Euro wiederum würde maximal die Reproduktionskosten von Alleinerziehenden decken. Selbst die Linkspartei erkennt an, dass es zu dem von ihnen geforderten 10 Euro Mindestlohn eine steuerfinanzierte Grundsicherung für Kinder und Jugendliche geben müsste.

Damit wird deutlich, ob 8,50 oder 10 Euro: Ein Lohn unterhalb der Reproduktionskosten als gerecht zu verkaufen, bedeutet de facto, sich schützend vor das Kapital zu stellen.

Kein Mindestlohn für Jugendliche?

Offen scheint die Frage für wen der Mindestlohn nun letztlich gelten soll. Bereits im Koalitionsvertrag festgehalten ist, dass der Mindestlohn nicht für Minijobs gelte. In einem vorläufigen Entwurf des Vertrags war ebenfalls geregelt, dass der Mindestlohn nicht für SchülerInnen, Praktikanten, Azubis, Zeitungszusteller und RentnerInnen gelte. Auch wenn sich diese Klausel nun nicht im endgültigen Vertrag findet spricht vieles dafür, dass diese Gruppen – allen voran Jugendliche – von der Mindestlohnregelung ausgeschlossen werden sollen. Nicht grundlos wird in der Debatte um den Mindestlohn immer wieder auf das englische Modell verwiesen. In Großbritannien haben schließlich nur Arbeiter und Angestellte über 21 Jahren Anspruch auf den vollen Mindestlohn. Die Satirezeitung „Postillon“ schreibt daher völlig zu Recht im Bezug auf die Mindestlohnregelung „Von der Regelung ausgeschlossen sind lediglich Geringverdiener und alle anderen, die weniger als 8,50 Euro die Stunde verdienen.“

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haselhoff (CDU), der bis zum Ende an den Koalitionsverhandlungen teilgenommen hat, hat auch bereits verlauten lassen, dass es Ausnahmen bei Auszubildenden und Langzeitarbeitslosen geben wird.

Widerstand gegen den Koalitionsvertrag des Kapitals!

All das zeigt, dass das Mindestlohnmodell der großen Koalition nicht mehr ist als Augenwischerei. Es geht darum eine gesellschaftliche Debatte um die Frage des Mindestlohns im Keim zu ersticken und die Gewerkschaften hinter den Karren der Regierung zu spannen. Zum Zeitpunkt seiner Einführung wird ein Mindestlohn von 8,50 Euro noch einmal deutlich weniger wert sein. Die Linkspartei schätzt, dass dieser Mindestlohn aktuell einem Gegenwert von 7,50 Euro entsprechen würde.

Um die Anpassung des Mindestlohns kümmert sich wiederum eine Kommission die sich gleichermaßen aus Vertretern der „Arbeitgeber“- und „Arbeitnehmerverbände“ zusammensetzt. Unabhängig davon, dass Verbesserungen wohl nur durchsetzbar seien werden wenn der zusätzliche Vorsitz von den Gewerkschaften gestellt wird, bewirkt die Entkopplung von der Entwicklung der Tariflöhne, dass es deutlich schwieriger werden wird für eine Erhöhung des Mindestlohns zu kämpfen.

Damit zeigt sich aber auch, dass es falsch ist die Mindestlohnregelung als gut aber ausbaufähig zu kennzeichnen. Richtig ist vielmehr, dass der Koalitionsvertrag insgesamt „ein massiver Angriff der herrschenden Klasse [ist]“ (Patrik Köbele, Vorsitzender der DKP).

Die steigende Produktivität kommt der Arbeiterklasse also nicht zu Gute, sie muss ihre Reproduktion sogar noch mitfinanzieren wie wir gesehen haben. Notwendig wäre zunächst also eine Lohnuntergrenze die zumindest die Reproduktionskosten vollständig deckt. Die SDAJ fordert daher einen Mindestlohn von 12 Euro und unterstützt die Kampagne für einen Mindestlohn von 10 Euro brutto, lohnsteuerfrei. Für Azubis fordert die SDAJ im Rahmen der aktuellen Kampagne „Unsere Zukunft statt eure Profite – Ausbeuter outen Ausbildung erkämpfen“ eine monatliche Mindestvergütung von 1200 Euro netto.

Während sich ein Teil der Arbeiterklasse zu Billiglöhnen über 40 Stunden pro Woche krank schuften muss, sind auf der anderen Seite auch immer mehr Erwerbslose vollständig von der Gesellschaft isoliert. Die DKP hat eine Kampagne zur 30 Stunden Woche bei vollem Lohn und Personalausgleich ins Leben gerufen. Theoretisch haben wir die 30 Stunden Woche längst erarbeitet. Faktisch fließt die gestiegene Arbeitsproduktivität aber in die Gewinne der Unternehmer. Genau wie ein Mindestlohn der zumindest die Reproduktionskosten deckt ist die Arbeitszeitverkürzung aber nur gegen den Widerstand des Kapitals durchzusetzen. Der Koalitionsvertrag bläst in eine andere Richtung. Gegen diesen Angriff der Herrschenden gilt es Widerstand zu organisieren – Klassenkampf statt Sozialpartnerschaft!

Auch erschienen auf dem DKP-Nachrichtenportal

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