Der Bus war heute bereits eine halbe Stunde früher da und losgefahren. In unserer Straße schräg gegenüber ist jedoch auch die spanische Delegation untergebracht, so dass wir in ihrem Bus mitfahren konnten. Es war dann entsprechend kuscheliger. Auf dem Festivalgelände angekommen, fand zunächst ein Treffen mit COMAC statt (kommunistische Jugend Belgiens), an dem 6 Personen von uns teilgenommen haben.
Die Belgierinnen erzählten, wie rechte Parteien sich für eine Teilung des Landes in einen flämischen und einen wallonischen Teil stark machen. Diese Debatte führt zu einem allgemeinen Rechtsruck in Belgien. Dies wird z.B. dadurch sichtbar, dass ein neues Gesetz erlassen wurde, mit dem „unziviles Verhalten“ unter Strafe gestellt wird. Was darunter zu verstehen ist, definiert jede Gemeinde selber. Dazu gehören beispielsweise Verschmutzungen öffentlicher Flächen, aber auch das Verteilen von Flugblättern. Außerdem wurde zum Teil das Essen vor Kirchen verfolgt. Noch extremer ist, dass Kommentare in der Öffentlichkeit oder auch in sozialen Netzwerken unter Strafe gestellt werden, wenn sie die Regierung kritisieren. Als Begründung für die Einführung dieser Strafen werden vor allem die Geldeinnahmen für die Gemeinden aufgeführt. Damit werden die Krisenkosten auf die arbeitende und lernende Jugend abgewälzt. Nachdem Belgien die Krise lange Zeit gut überstanden hat, treten seit 1 ½ Jahren die Folgen sehr deutlich zutage. Viele Firmen melden Insolvenz an oder schließen Standorte, um Teile ihrer Profite nicht einbußen zu müssen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist deswegen auf 26% und in manchen Gebieten auf bis zu 50% angestiegen. Die Situation der betroffenen Menschen wird zusätzlich noch dadurch verschlechtert, dass viele Modelle aus Deutschland übertragen werden. Dazu gehören zB 1-Euro-Jobs sowie der Zwang jedes Job-Angebot anzunehmen, da man sonst den Status als Arbeitssuchende Person verliert. Diese und weitere Maßnahmen werden auch genutzt, um die Statistiken zu schönen.
An dem Treffen hat auch ein Mitglied von Marianne teilgenommen. Das ist die Frauenorganisation innerhalb der kommunistischen Partei Belgiens. Sie hat uns von den Themen erzählt, mit denen sie sich beschäftigen und wie der Aufbau der Aktivengruppen läuft.
Den ganzen Tag über lief der zweite Teil des Anti-Imperialistischen Tribunals, in dem Vertreter der unterschiedlichen Länder Verbrechen imperialistischer Staaten angeklagt haben. Am Donnerstagnachmittag haben Vertreter Haitis den UN-Einsatz und Vertreter Honduras den Ablauf und die imperialistische Einmischung in die Wahlen angeklagt. Anschließend hat Venezuela die USA und deren Machenschaften gegen die bolivarianische Revolution angeprangert. Neben militärischer Einmischung durch 36 US- und NATO-Militärbasen in Südamerika und der Unterstützung militanter antirevolutionärer Gruppen wurde vor allem die Beeinflussung durch die bürgerlichen Medien an den Pranger gestellt.
VertreterInnen Puerto Ricos haben die faktische Kolonialherrschaft der USA angeklagt. Unter anderem hat die Tochter eines politischen Gefangenen gesprochen, der seit 32 Jahren in den USA inhaftiert ist, viele Jahre davon in Isolationshaft.
Der Höhepunkt war der Auftritt eines Vertreters aus Kuba. Der Vertreter der kubanischen Delegation hat den imperialistischen Terror gegen die kubanische Bevölkerung angeklagt, die sich sowohl durch terroristische Anschläge gegen die Bevölkerung und Fidel Castro persönlich als auch durch die Wirtschaftsblockade und die Inhaftierung der Cuban 5 darstellt. Zum Abschluss haben Vertreter Ecuadors die Ausbeutung ihrer Ressourcen und die massive Umweltverschmutzung durch Chevron (ehem. Texaco) durch die Erdölförderung angeklagt. 2 Millionen Hektar Natur sind dadurch bis heute kontaminiert. Dadurch sind wertvolle Grundwasservorkommen verschmutzt sowie Flora und Fauna teilweise vollständig zerstört worden.
Die Richter des Tribunals haben nach einer Beratungspause das Urteil gefällt und den Imperialismus und seine Verbrechen verurteilt. Es wurde jedoch auch deutlich gemacht, dass dieses Tribunal keine Gerechtigkeit schaffen kann. Dieses muss von den Menschen selbst erkämpft werden.
Um uns etwas zum Abendessen zu besorgen, haben wir uns auf den Weg zum Supermarkt gemacht und sind dort über die vielen verschiedenen exotischen Früchte ins Staunen geraten. Eine freundliche Ecuadorianerin hat und auf deutsch angesprochen und uns erklärt, welche Früchte zum direkten Verzehr geeignet sind.
Den Abend haben einige von uns ruhig im Hostel ausklingen lassen, um morgen, am Abschlusstag fit zu sein. Eine Gruppe ist aber auch der Einladung der zyprischen Delegation gefolgt und hat in deren Hostel zusammen mit Österreichern, Palestinensern, Israelis und anderen einen lustigen Abend verbracht.
Lena, Quito.