Zwischenimperialistische Konflikte unter dem Dach der NATO und darüber hinaus
Seit 1949 existiert die North-Atlantic-Treaty-Organisation(NATO) als Militärbündnis westlicher, imperialistischer Staaten unter Führung der USA. Die Tatsache, dass in den letzten 24 Jahren verschiedene Kriege und imperialistische Interventionen weltweit mal unter dem Dach der NATO, mal in Form anderer Bündniskonstellationen und mal im quasi-Alleingang einzelner Staaten im Bündnis mit einigen wenigen Anderen bestritten wurden, wirft die Frage nach Beschaffenheit und Kräfteverhältnis innerhalb der NATO und zwischen den in ihr organsierten, imperialistischen Staaten auf.
In einer Frage stimmen die beiden maßgeblichen imperialistischen Blöcke, die USA samt ihrer Vasallen auf der einen und die von der BRD dominierten EU auf der anderen Seite, überein : Ein Wiederaufstieg Russlands in den elitären Zirkel der Großmächte ist nicht gewünscht, denn die Welt ist bereits in Einflusssphären geteilt, jeder Konkurrent kann nur zu Lasten der bereits etablierten Mächte aufsteigen. Dementsprechend wurden die einst ideologisch begründeten internationalen Bündnissysteme, die nach eigener Lesart 1990/91 obsolet geworden sein müssten, umfunktioniert: Die NATO, einst in Konfrontation zu den Staaten des Warschauer Vertrages, wurde gegen das „neue Russland“ in Stellung gebracht und bis in ehemalige Sowjetrepubliken expandiert.
Hier allerdings enden die Gemeinsamkeiten des Westens, denn das Ziel entzweit die Verbündeten, je greifbarer es scheint: Wer sich welche Stücke der Beute sichern darf, ist noch lange nicht geklärt. Die ökonomischen Interessen der USA und Deutsch-Europas unterscheiden sich im Falle Russlands diametral. Während das deutsche Kapital sofort nach der Konterrevolution auf Export aus allen Bereichen und in alle Bereiche setzte und deshalb aktuell stark im russischen Markt vertreten ist, konzentrierten sich die USA auf die Aufrollung der Einflusssphären, auf die „frei gewordenen“ internationalen Verbündeten der einstigen UdSSR auf allen Kontinenten.
Solange es Gewinn verspricht
Daraus ergeben sich zwei Fragen: Warum hält die BRD am Bündnis mit den USA fest, obwohl es im Falle Russlands auch ihren Interessen zu schaden scheint? Und warum eskalieren die USA den Konflikt mit Russland derart willentlich, wie aktuell am Beispiel der Ukraine zu sehen ist? Mit der Konterrevolution 1989-91 haben sich alle internationalen Verhältnisse verschoben. Die unumstrittene westliche Führungsmacht, die USA, befand sich 1989 auf dem Zenit ihrer Macht, in einer einmaligen Position der Stärke. Gleichzeitig ging ihr das wichtigste Instrument verlustig, mit dem bislang alle anderen imperialistischen Mächte hinter sie geschart werden konnten: Der disziplinierende Hass auf den gemeinsamen Feind, den Sozialismus in Europa und der UdSSR. Nur unter Eindruck dieses mächtigen Gegners konnten die zwischenimperialistischen Widersprüche ein Vierteljahrhundert unterdrückt werden. Nach 1989 mussten sie erneut aufbrechen.
Die USA als „primus inter pares“ der Imperialisten machte nach dem Fall der UdSSR die erstarkende VR China als kommenden globalen Gegner aus, die amerikanische Strategie orientierte sich dementsprechend nach Osten: Mal unter dem Dach der NATO, mal mit einer „Koalition der Willigen“ wurde diesem Bestreben militärisch Rechnung getragen. Eine Reihe von Rohstoff- und Vorfeldkriegen muss allerdings als, gemessen an den Zielen, größtenteils gescheitert eingestuft werden; die US-Strategie der Aufrollung des Nahen Ostens (Irak) bis hin nach Zentralasien (Afghanistan), um schließlich den Iran unter Kontrolle zu bekommen, sollte die chinesischen Grenzgebiete erreichen, blieb aber lange vorher im Wüstensand stecken. Keinen der Kriege des neuen Jahrtausends konnten die USA im Sinne einer dauerhaften Unterwerfung und „Befriedung“ gewinnen. Das deutsche Kapital hat diesen Niedergang der Weltmacht ungerührt mit angesehen – als Verbündeter, wenn es deutschen Interessen dienlich schien, und unter Berufung auf den NATO-Bündnisfall, wie im Jugoslawienkrieg .Als „Neutraler“ , wenn nichts abzuspringen schien, wie im Irak. In den letzten Fällen, in Libyen und Syrien, hat das deutsche Kapital bereits konsequent auf eine Separatstrategie gesetzt.
Die Interessen des deutschen Imperialismus
Das imperialistische Deutschland konnte nach 1989 im Wesentlichen alle einstigen Ziele des Zweiten Weltkriegs realisieren: Vernichtung des Sozialismus und Dominanz über Europa, wenigstens bis fast zum Ural. Schon vor Entfesselung des II. Weltkriegs dachten die Strategen beim Überfall auf Europa nur an das Sprungbrett für den anstehenden Kampf um die Weltherrschaft, als Gegner machten sie die USA aus. An dieser Konstellation hat sich nach 1989 nichts Grundlegendes geändert, auch wenn sich der politische Überbau gewandelt hat. Die Gesetzmäßigkeiten des Kapitals, der beständige Zwang zur Expansion, treibt die deutsche Bourgeoisie erneut in Auseinandersetzungen mit Gegnern, die vermutlich auch diesmal zu groß sind, um besiegt werden zu können. Gleichzeitig bleiben gemeinsame Interessen mit den USA bestehen, vor allem gegen Russland und die VR China. Die vielgerühmte transatlantische Partnerschaft ist längst, selbst unter einer dominierenden transatlantisch orientierten Fraktion des deutschen Kapitals, zu einer „Fall-zu-Fall“-Freundschaft geworden: Mit den USA, wenn es nutzt, ohne die USA, wenn es möglich ist und gegen die USA, wenn es nötig wird.
Das US-Kapital hat darauf spezifisch reagiert und versucht, die deutsche Expansion einzudämmen, ohne die direkte Konfrontation zu suchen. Heutzutage äußert sich das amerikanische Unbehagen über den deutschen Zuwachs an Stärke in Auseinandersetzungen um Syrien oder Libyen, aber auch in einer unterschiedlichen Strategie gegenüber Russland. Selbst beim Umsturz in der Ukraine rangen eine amerikanische und eine deutsche Strategie miteinander. Die USA arbeiten zudem bereits daran, eine Art „zweite NATO“, diesmal unter Ausschluss der BRD, aus den Staaten Osteuropas zu formieren.
Unmündige BRD?
Die transatlantische Bündnistreue, die Deutschland an der Seite der USA hält, ist keine Nibelungentreue und schon gar nicht einer „fehlende Souveränität“ Deutschlands gegenüber einem „großen Bruder“ geschuldet. Das Bündnis hält deswegen, weil es dem deutschen Kapital mehr Nutzen als Schaden bringt. Die herrschenden Fraktionen der Monopolbourgeoisie wollen nicht auf die Gewinne des transatlantischen Handels und die dadurch erreichbaren weltweiten Exportgebiete verzichten, Russland könnte all dies gar nicht ersetzen. Innerhalb der herrschenden Klasse der BRD wirken diese Geschehnisse jedoch wie ein Katalysator auf die Herausbildung gegnerischer Kapitalfraktionen. Denn ein „weiter so wie bisher“, ein Taktieren nach Ost und West, wird immer schwieriger – gleich gute Geschäftsbeziehungen zu Russland, der VR China und den USA zu unterhalten ist mittlerweile ein Ding der Unmöglichkeit. Zugespitzt könnte dies beispielsweise bedeuten: Ein transatlantisches Freihandelsabkommen (TTIP) mit großen Gewinnen für bestimmte Monopole ist nur zu bekommen, wenn die Verschlechterung der Beziehungen zu Russland in Kauf genommen wird, unter der wiederum etliche andere, manchmal gar dieselben Monopole zu leiden hätten.
Die Rolle der Kommunisten
Den epochalen Einschnitt, den die Konterrevolution 1989 bedeutet, erkennen wir nach wie vor erst in Konturen. Er hat eine neue imperialistische Epoche eröffnet, unsere Kampfbedingungen grundlegend verändert und erfordert schonungslose Analyse, insbesondere, was die Verfasstheit unseres Hauptfeindes, der deutschen Bourgeoisie, anbelangt. Der sich abzeichnende Konflikt mit den USA wird kommen, wenn das deutsche Kapital im Bündnis keinen ausreichenden Nutzen mehr sieht, es ist nicht die Aufgabe der fortschrittlichen Kräfte, ihn zu forcieren oder herbeizusehnen. Es gibt keine Frage, bei der Interessengleichheit zwischen Herrschenden und Beherrschten besteht, erst recht nicht in der Außenpolitik. Die Händel der Bourgeoisie sind nicht die unseren, die „Freundschaften“ unter ihnen sind maskierte und organisierte Habgier, ihre „Bündnisse“ sind nichts weiter als Deals unter Ganoven über die Aufteilung des Geraubten.
Vom Sturz des deutschen Imperialismus als konkretem und praktisch gewordenem Internationalismus sind wir weit entfernt. Wir haben aber, nach Stand unserer Möglichkeiten unseren Hauptfeind, den deutschen Imperialismus ins Visier zu nehmen. Jeder ihm zugefügte Schaden ist zu unserem Nutzen, jede Schwächung, die er erfährt, erleichtert unseren Kampf und den unserer Verbündeten weltweit.