Der Mythos der demokratischen Kontrolle der Bundeswehr. Von Ulla Jelpke
Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und wird vom Bundestag genau kontrolliert. Kriegseinsätze, sorry: Friedensmissionen, vollziehen sich unter den wachsamen Augen der Volksvertreter. Menschenrechtsverletzungen, Willkürmaßnahmen, Angriffskriege usw. kann es da überhaupt nicht geben. Gewährleistet wird das durch das Parlamentsbeteiligungsgesetz.
So will man es uns glauben machen. Richtig ist: Die Mehrheitsparteien im Bundestag machen dadurch, dass sie regelmäßig mit 80 bis 90 Prozent die Fortführung des Afghanistan-Krieges beschließen, deutlich, wie sehr sie auf Mehrheiten in der Bevölkerung pfeifen. Sie lassen sich von Massakern wie dem Bombardement von Kunduz nicht irritieren. Damals wurden auf Befehl des deutschen Offiziers Georg Klein über 100 Menschen umgebracht. Schonungslose Konsequenz: Der Offizier wurde zum General befördert. Die „Information“ über Einsätze der Spezialtruppen sieht so aus, dass Fraktionschefs und Obleute unterrichtet und zugleich zum Stillschweigen verpflichtet werden. Kontrolleure, die schweigen müssen – wahrlich ein Glanzlicht bürgerlichen Demokratieverständnisses.
Und dennoch will die Bundesregierung nun an diesem Gesetz drehen. Sie hat eine Kommission eingesetzt, die seinen „Anpassungsbedarf“ ausloten soll. Denn Nato- und EU-Truppen sollen künftig stärker miteinander verflochten werden, „pooling and sharing“ heißt das. Aber wenn die Deutschen mitmachen, muss die Nato immer erst auf die Zustimmung des Bundestages warten, oder die Deutschen müssen aussteigen. Das tun deutsche Militärs und ihre Befehlshaber aber bekanntlich nur ungern. Es geht ja um die „Verlässlichkeit“ und „Berechenbarkeit“ der deutschen Außenpolitik. Die Regierungsfraktionen haben folgerichtig in ihren Antrag hineingeschrieben, die Kommission solle „Möglichkeiten der Abstufung der Intensität parlamentarischer Beteiligungen nach der Art des Einsatzes“ prüfen. Diskutiert wird auch darüber, die Bundeswehr für die ersten paar Wochen auch mal ohne Beschluss Krieg führen zu lassen, so als „Schnupperbombardement“.
Dem tritt das Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik entgegen: Der Parlamentsvorbehalt habe noch keinen einzigen Einsatz behindert, stellte es schon vor einem Jahr in einer Studie fest. Und gibt damit ungewollt zu: Eine demokratische Kontrolle der Bundeswehr ist in der BRD nicht vorgesehen und nicht möglich. Das wäre für eine Armee, die den Profiten der deutschen Banken und Konzerne, pardon, den deutschen Sicherheits- und geostrategischen Interessen, verpflichtet ist, auch wenig zweckdienlich.
Daraus zu folgern, man könne den Parlamentsvorbehaltsquatsch dann auch ganz abschaffen, wäre trotzdem falsch. Es war ja auch gut, dass der Reichstag vor 100 Jahren über die Kriegskredite abstimmen musste, denn sonst hätte ein Karl Liebknecht niemals dagegen reden können. Von ihm wäre zu lernen: Keine Illusionen in den Parlamentarismus, aber Nutzung seiner Möglichkeiten, und Einsatz für eine echte Friedenspolitik – vor allem außerhalb des Parlaments.