Zur Diskussion um die griechischen Schulden
Griechenland ist pleite. Genauer: Der griechische Staat ist pleite und steht vor einem großen Schuldenberg. 2014 waren es ca. 318 Milliarden € bzw. knapp 175 % des BIP (Quelle: statista.com). Diese Zahlen sagen alleine nichts. Sie werden vor allem in der deutschen Öffentlichkeit genutzt, um ein Bild von faulen Griechen zu malen, die auf Kosten der deutschen Steuerzahler leben. Der Grund dafür sind die Milliarden Euro, die im Zuge der kapitalistischen Krise nach Griechenland überwiesen wurden. Sie wurden überwiesen z.B. an die griechische Eurobank. Sie wurde 2012 mit 4,2 Milliarden € gerettet. Genauer: Die Profite ihres Eigentümers wurden gerettet. Sein Name ist Spiros Latsis, Multimilliardär, zweitreichster Grieche, stammend aus einer Reedereifamilie. Er ist kein Einzelfall. 2013 wuchs laut der Beratungsfirma Wealth-X das Vermögen der 500 griechischen Multimillionäre um ca. 20 % auf etwa 60 Milliarden $. Die Profite des griechischen Monopolkapital haben in der Krise keinen Schaden genommen – sie wurden gerettet. Es war nicht die griechische Bevölkerung, die die Schulden gemacht hat, sondern der griechische Staat, der insbesondere seit Ausbruch der Krise mit dem Geld seine Banken und Konzerne refinanzierte, die seit Eintritt in die Eurozone und EU immer mehr an Wettbewerbsfähigkeit verloren haben.
Konkurrenzkampf des Kapitals
Charakteristisch für die Integration der griechischen Wirtschaft in die EU und die Währungsunion ist das Zusammenschrumpfen wichtiger Sparten der verarbeitenden Industrie, die unter starker Konkurrenz gestanden haben (z.B. Textil- und Bekleidungsindustrie, Metallindustrie, Schiffsbau, Fahrzeugbau). Die Erweiterung des Handelsdefizits und die starke Steigerung der Importe aus der EU hatten ebenfalls Einfluss auf das Anschwellen der öffentlichen Schulden. Die hohen Rüstungsausgaben, Beteiligung an Kriegseinsätzen und Korruption tun ihr übriges. Immer mehr zeigte sich im durch die EU liberalisierten Konkurrenzkampf des Kapitals die tendenziell geringere Wettbewerbsfähigkeit des griechischen Kapitals. Die deutschen Banken und Konzerne konnten diesen Konkurrenzkampf im Wesentlichen für sich entscheiden: Sie haben „ihre“ Beschäftigten „besser“ ausgebeutet. Das war vor allem durch den beispiellosen Sozialabbau in Deutschland möglich.
Verschärfte Ausbeutung
Wesentlich dafür waren vor allem die Reformpakete der Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze (SPD-Grüne), der Ausbau von Leiharbeit und Werkverträgen (CDU-FDP und SPD-Grüne), die Einführung der Rente mit 67 (CDU-SPD), umfassende Prekarisierung etc. Diese Liste ließe sich fortsetzen. Auf diese Weise wurde der Preis der Ware Arbeitskraft in Deutschland gesenkt oder anders formuliert: Die Ausbeutung der Lohnabhängigen in Deutschland wurde gesteigert. Heute hat die BRD den größten Niedriglohnsektor der EU – fast jeder vierte Beschäftigte in der BRD arbeitet heute für einen Niedriglohn. Es war nicht die „deutsche Sparsamkeit“, die „leistungsfähige Wirtschaft“ oder die „deutsche Kultur“, sondern die beispiellose Ausbeutung der Lohnabhängigen in Deutschland, die die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Banken und Konzerne im internationalen Konkurrenzkampf ausmacht.
Die SYRIZA-ANEL-Lösung
Spätestens seit 2010 konnte der griechische Staat seine Verbindlichkeiten an den Finanzmärkten nicht mehr bedienen. Das dort geliehene Geld ist jedoch nicht in Ouzo und Souvlaki umgesetzt worden – auch wenn BILD und andere das glauben machen wollen. Und andere heißt in diesem Fall auch Alexis Tsipras, der, obwohl gewählter ausgedrückt, eben das sagt, wenn er in Bezug auf Griechenland von einem „falschen Entwicklungsmodell mit Überkonsumption durch geliehenes Geld“ spricht. Die SYRIZA-ANEL-Koalition plant, dass das griechische Volk die nicht von ihm gemachten Schulden bezahlt. Der Unterschied zu den „Lösungen“ von Nea Dimokratia und PASOK besteht in der Art und Weise wie bezahlt werden soll. Letztere wollten mehr Zeit, um zu zahlen, die neue griechische Regierung will einen Schuldenschnitt, also einen Teilerlass der Schulden. SYRIZA nennt diesen Teil der Schulden „illegitim“ oder „ungerecht“.
Schon im Februar 2014 erklärte G. Stathakis (Wirtschaftswissenschaftler von SYRIZA), dass dieser Teil der Schulden lediglich 5 % ausmache. Damit müssten die restlichen 95 % der Schulden doch vom griechischen Volk bezahlt werden – und ob man die Bundesregierung durch Verhandlungen dazu bewegen kann, auch nur 5 % der Schulden zu erlassen, scheint angesichts der letzten Monate mehr als fraglich. Allerdings nicht nur, weil die Bundesregierung sich quer stellt, auch in den Erklärungen von SYRIZA spielt der Schuldenschnitt mittlerweile kaum noch eine Rolle.
Aber was dann?
SYRIZA hält prinzipiell an den Schulden fest. Schulden des griechischen Staates bzw. der griechischen Banken und Konzerne, die jetzt das griechische Volk, die Lohnabhängigen und unteren Volksschichten, bezahlen sollen. Die einzige Lösung im Interesse der griechischen Lohnabhängigen ist der Vorschlag der KKE: Die einseitige Streichung der Schulden. Genau davor hat die heilige Allianz aus Banken, Börse und Bundesregierung Angst, denn dann wären eingesetztes Kapital und Profite ernsthaft gefährdet. Zu deren Glück versicherte Regierungschef Tsipras Ende Januar gegenüber EU-Parlamentspräsident Schulz, dass es keine einseitigen Handlungen geben werde.
Das gilt nicht nur für Griechenland: In Deutschland wurden die Schulden der Banken und Konzerne ebenfalls verstaatlicht und damit sozialisiert. Auch hier sollen die Lohnabhängigen die Krise des Kapitalismus bezahlen – nur ist das Dank Sozialabbau und Lohnkürzungen sozusagen im Voraus geschehen.
Die Bundesregierung hat angekündigt, in der Frage der Reparationsforderungen an Griechenland für die Verbrechen der deutschen Wehrmacht im zweiten Weltkrieg hart zu bleiben und nichts zu zahlen. Während diese Haltung in dieser Frage ein absoluter Skandal ist, ist sie in Bezug auf die griechischen Schulden nur angemessen: Die griechischen Lohnabhängigen schulden dem Kapital nichts!
Jann, Essen