„Die Logik des Reformismus führt zur Unterwerfung der Arbeiterklasse unter die Kapitalisten“
Nikolas Theodorakis ist Mitglied des Internationalen Sekretariats der griechischen Gewerkschaftsfront PAME und Mitglied der Leitung der Telekommunikationsgewerkschaft der Region Attika.
POSITION: In der Krise haben Hunderttausende Menschen, darunter auch viele kämpferische Gewerkschafter, ihre Arbeit verloren. Wurde die Bewegung in den letzten Jahren durch die Krise und die reaktionäre Politik der Regierungen geschwächt?
Nikolas: Die Situation der Arbeiterbewegung entstand nicht erst in der Krisenperiode, und das gilt nicht nur für Griechenland, sondern auch allgemein. Die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung befindet sich generell immer dort auf dem Rückzug, wo die Logik der Klassenzusammenarbeit sowie die unternehmer- und regierungstreuen Gewerkschaften vorherrschen, die die Gewerkschaften in bürokratische Organisationen verwandelt haben. In Griechenland haben die Schaffung der PAME und ihr Klassenkampf gegen das Kapital, die Europäische Union und die Parteien des Kapitals, ihre tägliche Aufklärungsarbeit und ihre Kämpfe für jedes einzelne Problem der arbeitenden Menschen dazu geführt, dass bestimmte arbeiterfeindliche Maßnahmen verhindert werden konnten. Eine Reihe von Gesetzen sind nicht umgesetzt worden, obwohl sie vom Parlament angenommen wurden und eine noch größere Zahl wurde in der Umsetzung verzögert, dank der organisierten Antwort der arbeitenden Menschen. Zum Beispiel sollte denjenigen, die eine neue Steuer, die den Haushalten über die Stromrechnung auferlegt wurde, die diese nicht zahlen, der Strom abgestellt werden. Bei Aktionen der klassenorientierten Gewerkschaften wurden die Rechnungen verbrannt und die Häuser durch Massenversammlungen vor dem Abschalten des Stroms bewahrt. So wurden arme Arbeiterinnen und Arbeiter geschützt, die die Rechnungen nicht zahlen konnten und das Gesetz wurde schließlich geändert. Es gibt auch Beispiele, wo die Werktätigen sich dagegen wehrten, nur noch abwechselnd arbeiten zu können und durch ihre Kämpfe die Unternehmer gezwungen haben, trotz eines entsprechenden Gesetzes, einen Rückzieher zu machen. Es gibt Beispiele kämpferischer Streiks, wie z.B. die der Hafenarbeiter, die sich der gesetzlichen Zwangsdienstverpflichtung widersetzten (Die Zwangsdienstverpflichtung ist ein Gesetz das Streiks faktisch verbietet, indem die Beschäftigten zur Arbeit verpflichtet werden können, Anm. d. R.) und sie nicht umsetzten. So haben sie das Recht der Arbeiterklasse auf Streik und auf das Aufstellen angemessener Forderungen verteidigt. Gleichzeitig führten unsere Kämpfe dazu, dass gewisse Rechte erhalten werden und Entlassungen wieder rückgängig gemacht werden konnten. PAME ist eine bedeutende Kraft in der Arbeiterbewegung geworden, die den arbeitenden Menschen Mut gibt, die sie für die kommenden großen Klassenkämpfe organisiert und das alles trotz des negativen Kräfteverhältnisses, das schon vor der Krise vorherrschte.
POSITION: Die PAME arbeitet in den Gewerkschaften nicht mit reformistischen Kräften wie der von der SYRIZA unterstützten Gewerkschaftsfraktion „Autonome Intervention“ zusammen. Wie würdest du die Rolle dieser Kräfte in den Kämpfen der Arbeiterbewegung charakterisieren?
Nikolas: Die PAME ruft alle arbeitenden Menschen, unabhängig von ihrer politischen Meinung, dazu auf, als Arbeiterklasse gegen die Kapitalistenklasse zu kämpfen. Die Kräfte der SYRIZA arbeiten in den Gewerkschaften gegen den Klassenkampf und verbreiten den Geist der Klassenzusammenarbeit. Sie akzeptieren die Logik der Wettbewerbsfähigkeit, also der Profitabilität der Unternehmen, die aber nichts anderes bedeutet als die Arbeiterklasse weiter auszusaugen. Indem sie dieser Auffassung folgen, akzeptieren sie offen die Positionen und die Forderungen der Unternehmer nach Lohnsenkungen, „damit Entlassungen verhindert werden“. Oder sie akzeptieren „einige Entlassungen, damit das Unternehmen nicht schließt“ usw. Daher haben sie, noch bevor SYRIZA an die Regierung gekommen ist, Lohnsenkungen für die Beschäftigten im Handel, in der Hotelbranche, in den Supermärkten und einer Reihe weiterer Branchen unterschrieben und gleichzeitig tausende Entlassungen akzeptiert, immer auf Grundlage der Logik des „kleineren Übels“. Sie haben flexible Beschäftigungsverhältnisse akzeptiert, ebenso wie die Leiharbeitsfirmen und die Spaltung zwischen jungen und alten Beschäftigten (wonach junge Beschäftigte in schlechteren Beschäftigungsverhältnissen arbeiten müssen, Anm.d.Ü.). Diese Logik bedeutet die Unterwerfung der Arbeiterklasse unter die Kapitalisten. Sie führt zur Enttäuschung, zum Fatalismus, zur Niederlage. Und dann, mit SYRIZA in der Regierung, haben ihre Kräfte in den Gewerkschaften die Beschäftigten dazu aufgerufen, keine Forderungen zu stellen, sondern die Regierung zu unterstützen. Während sie dieser Linie folgen, haben sie (bei Gewerkschaftswahlen, Anm.d.Ü.) auf ihre Wahl-Liste bei den Metallarbeitern die Streikbrecher gesetzt, die den heldenhaften neunmonatigen Streik der Stahlarbeiter bekämpft hatten. Und es ist erst ein paar Wochen her, dass sie eine gemeinsame Liste mit Kadern der Nazipartei „Goldene Morgendämmerung“ beim Kongress der Arbeiterföderation in den Häfen aufgestellt haben. Es ist ebenso charakteristisch, dass Tsipras selbst die Hafenarbeiter attackierte, sie seien „von Sinnen“, weil sie für die Verteidigung ihrer Löhne und Arbeitsplätze streiken. Der momentane Arbeitsminister hat zudem gesagt, dass „Streiks überholte Formen“ seien und rief die Arbeiter so offen zum Streikbruch auf.
POSITION: In Deutschland gibt es die Kritik an der PAME, es handle sich um eine kommunistische Richtungsgewerkschaft, also eine Gewerkschaft, die nur kommunistische und revolutionäre Arbeiter organisiere, statt die Einheit der Arbeiterklasse zu wahren. Was antwortet ihr darauf?
Nikolas: Die Schaffung der PAME und ihre Arbeit haben sich immer auf die Aktivität und Selbstaufopferung der Kommunisten in der ersten Reihe der Kämpfe gestützt und das ist auch weiterhin so. Trotzdem ist die PAME keine Parteiorganisation. Sie ist eine Gewerkschaftsfront, an der sich Gewerkschaften, Föderationen und Arbeiterzentren beteiligen, die damit das Ziel der Einheit und des gemeinsamen Kampfes der Arbeiterklasse gegen das Kapital verfolgen. Die Gewerkschaften sind dafür da, die arbeitenden Menschen unabhängig von ihrer politischen Ausrichtung im Kampf gegen die Kapitalistenklasse zu organisieren. Es handelt sich also um eine unbegründete Lüge, die von den hunderttausenden Arbeitern widerlegt wird, die aus verschiedenen politischen Hintergründen kommen, aber durch die klassenkämpferischen Gewerkschaften mobilisiert werden, mit ihnen kämpfen und sich in der PAME versammeln. Solche Lügen werden von denen verbreitet, die sich für die Gewerkschaften der Klassenzusammenarbeit aussprechen. Die „Einheit“, um die es ihnen geht, ist die der Arbeiter mit dem Kapital. Das bedeutet nichts anderes als die Arbeiter den Kapitalisten zu unterwerfen.
POSITION: Die Krise betrifft die lohnabhängig Beschäftigten in vielen Ländern in und außerhalb Europas. Brauchen wir eine internationale Vernetzung der Klassenkämpfe und wie könnte sie aussehen? Nikolas: Die klassenkämpferische Arbeiterbewegung ist ihrem Wesen nach internationalistisch. In Europa bildet die Logik der Sozialpartnerschaft, die der Europäische Gewerkschaftsbund und seine Mitgliedsorganisationen in allen Ländern verbreiten, ein Hindernis für die Entwicklung gemeinsamer Aktionen. Trotzdem gibt es aber Initiativen, die verstärkt werden müssen – vor allem in multinationalen Konzernen und auf Branchenebene. Gleichzeitig stellen die Aktionen, die Solidarität und die Koordinierungsanstrengungen des Weltgewerkschaftsbundes (WGB) eine Waffe in den Händen der klassenkämpferischen Gewerkschaften überall auf der Welt dar.
Das Interview führte
Thanassis, Tübingen