Russland und die Syrien-Politik des deutschen Imperialismus
Seit Anfang Oktober bombardiert nun auch die russische Luftwaffe Ziele in Syrien. Sie ist damit, neben der syrischen, die 13. Luftwaffe, die über syrischem Gebiet operiert. Die genannten Ziele ähneln sich: Kampf gegen den Terrorismus und den „Islamischen Staat“. Dabei streiten sich natürlich die Großmächte darüber, wer Terrorist ist und wer nicht.
Man wird leicht dazu verleitet, alle gleichermaßen zu verurteilen. Das Bündnis unter Führung der USA, das ru
ssische „Bündnis“ (Iran, die libanesische Hisbollah und quasi der Irak) sowie den syrischen „Diktator“ Assad und „seine“ Armee. Man kann hier das Völkerrecht heranziehen, außerhalb dessen das US-Bündnis operiert, während das russische Bündnis aufgrund einer Bitte der legalen syrischen Führung handelt und sich so in Übereinstimmung mit ihm befindet. Doch KommunistInnen müssen noch mehr tun, als nur auf das sich im Wandel befindliche Völkerrecht (Stichpunkt: Responsiblity to protect) hinzuweisen.
In der Ukraine und Syrien haben sich zwei Konflikte herauskristallisiert, die für die Neubestimmung der Widersprüche zwischen den kapitalistischen Staaten wichtig sind. Ein neuer Abschnitt der Verteilungskämpfe um die Welt entwickelt sich hier. Dabei gibt es keine Gleichheit der beteiligten Kräfte. Scheinbar geht es um Kämpfe zwischen dem „Westen“ und Russland. Aber sowohl in der Ukraine als auch in Syrien werden Widersprüche zwischen den vermeintlichen Machtblöcken deutlich. Der keineswegs einheitliche NATO-Block agiert dabei auf internationalem Parkett äußerst aggressiv. Dies zeigen vor allem die Kriege seit 1989. Auch in den aktuellen Krisen wird dies sichtbar. Es waren diese Mächte, die z. B. in Syrien einen Regime Change erzwingen wollten. Sie agieren expansiv, befinden sich in der Offensive. Dagegen befindet sich Russland in der Defensive, verteidigt seine Interessensphären.
Deutschlands Strategie
Der deutsche Imperialismus versucht aktuell seine Position, zwischen der NATO und eigenen Zielen, die diesem Bündnis widersprechen, neu zu bestimmen. Dabei will sich die deutsche Syrien-Politik als Vermittler aufspielen. Dies wird durch die Aussage Merkels, man müsse bei der Bekämpfung von Fluchtursachen in Syrien mit allen Beteiligten sprechen, ausdrücklich auch mit Assad, deutlich. Damit verlässt Deutschland als erster Staat den „westlichen Konsens“, demnach bisher der Rücktritt Assads Voraussetzung für Gespräche war. Auf die Frage nach Konkretisierung der Zukunft des syrischen Präsidenten wird aber geantwortet, Assad habe keine Zukunft in Syrien. Somit befindet Deutschland sich wieder im „westlichen Konsens“. Das ist die widersprüchliche, lavierende Position, die der deutsche Imperialismus einnimmt, weil er glaubt, so seinen Einfluss sichern zu können. Neben diesem Satz von Merkel gibt es – in Abgrenzung zur Schröder-Fischer-Politik – reale Schritte, die Deutschland unternimmt, um die Distanz zu den westlichen Bündnispartnern zu verringern.
Deutschland hat in den Arbeitsgruppen der UN zu einer „Friedenslösung“ zentrale Positionen übernommen, während Russland und die USA leer ausgingen, da sie in Syrien als voreingenommen gelten. So hat der Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Volker Perthes, den Vorsitz einer der vier Arbeitsgruppen, und zwar der Arbeitsgruppe Militär, Sicherheit und Terrorabwehr, inne. Er signalisierte gleichzeitig, dass sich die Bundeswehr für einen „friedenssichernden“ Einsatz in Syrien bereit machen könne. Dass der deutsche Imperialismus nicht an Frieden interessiert ist, zeigen u.a. die Aktivitäten der SWP, die in der Vergangenheit bei der Erarbeitung des Papiers „The day after“ der syrischen Opposition (u.a. der IS) zum Programm nach einem erfolgten Sturz Assads mit formulierte. Vor allem aber das Papier „Neue Macht. Neue Verantwortung“, an dem deutsche „Eliten“ von Konzernen und der Wissenschaft bis hin zu Politikern aller im Bundestag vertretenen Parteien (also auch der Linkspartei!) mitarbeiteten. Darin wird die Rolle des deutschen Imperialismus in diesem neuen Abschnitt definiert, wonach Deutschland zur Ordnungsmacht in der EU aufsteigen möchte. Dass dies durch den Einsatz deutscher Militärs realisiert werden kann, wird als Möglichkeit aufgezeigt.
Gegen den imperialistischen „Frieden“
In diesem Sinne ist die Syrien-Politik der deutschen Regierung ein Testfall für ihre neue Position in der Welt. Ausgehend davon besteht die Aufgabe aller Antimilitaristen in der Aufklärung über die reale Rolle Deutschlands als aufsteigender Aggressor, der (noch) aus einer relativen Schwäche heraus als Friedensmakler agiert. Das kann kein Frieden sein, der im Interesse der Arbeiterklasse und des Volkes ist. Sie verkaufen uns den Krieg derzeit als eine Auseinandersetzung zwischen Alawiten (und dem schiitischen Iran) auf der einen und Sunniten (und den sunnitischen Golf-Monarchien) auf der anderen Seite. Damit verdecken sie, dass es sich hierbei um eine imperialistische Destabilisierung handelt. Wer also wie der deutsche Imperialismus von einem „Ausgleich der Konfessionen und Ethnien“ spricht, der untergräbt die Bildung eines modernen syrischen Nationalstaates, in dem alle Syrer die gleichen Rechte haben.
Toto, Göttingen
Info:
Hauptsponsor des Jihadismus
Deutschlands Anteil an den Waffenexporten in die islamischen Staaten wie Saudi-Arabien, Katar oder die Vereinigten Arabischen Emirate ist mit 95 % der gesamten Waffenexporte in diese Länder nach wie vor hoch. Diese Staaten sind Hauptsponsoren des Jihadismus in Syrien, Jemen, Ägypten oder im Libanon. Saudi-Arabien ist z. B. der drittgrößte Importeur deutscher Waffen im 1. Halbjahr 2015, Kuwait ist auf dem siebten Platz. In den vergangenen Jahren sind deutsche Waffenexporte in die reaktionären arabischen Monarchien auf mehrere Milliarden Euro zu beziffern. Nach Saudi-Arabien wurden beispielsweise seit dem Jahr 2000 Waffensysteme im Wert von über 2,8 Milliarden Euro geliefert, davon für über 1,2 Milliarden allein im Jahr 2012.