Revolution zwischen Todesarena und kleinbürgerlichem Familienidyll
„Die Tribute von Panem“ beginnt vielversprechend: Katniss tritt in einem Wettkampf auf Leben und Tod an, der von einer reichen, repressiven Minderheit des Regierungsbezirks Kapitol im „Brot-und-Spiele“-Stil veranstaltet wird. Zwangsweise rekrutiert werden die Kämpfer des Spektakels aus den Distrikten, in denen für den Reichtum der Herrschenden geschuftet wird. Im Verlauf dieser Wettkämpfe zeigt Katniss ihr kämpferisches Geschick und erlebt scheinbar eine Entwicklung vom hilflosen Opfer des Systems hin zu einer Symbolfigur für den Kampf gegen das Kapitol. In diesen Kampf der Rebellen, den sie anfangs aus Sorge um ihre Familie und Angst vor dem übermächtigen Feind nicht führen will, wird sie mehr und mehr hineingezogen. Die Notwendigkeit des Widerstands gegen einen scheinbar mächtigeren Gegner wird thematisiert. Langsam wird der Individualismus der Todesarena überwunden: Anfangs hilflos-menschliche, später geplante Aktionen der Todeskandidaten führen zu Aufständen in den Distrikten. Die zunächst vereinzelt und zueinander in Konkurrenz stehenden Menschen dort setzen sich schließlich gemeinsam zur Wehr. Die Tatsache, dass der Distrikt, von dem die Revolution ausgeht, ausgerechnet der mit Atomwaffen ist, mag Zufall sein. Parallelen zur Sowjetunion oder Cuba sind an einigen Stellen des Films allerdings weder zufällig noch beabsichtigt, sondern unvermeidlich.
Das konnte nicht unwidersprochen bleiben. Was folgt, ist die klassische Analogie zwischen Unterdrückern und ehemals Unterdrückten: Gewalt bleibe eben Gewalt und ist zu verurteilen. Der Film legt bürgerliche Moralvorstellungen als Maßstab an Revolutionen an und kritisiert diese als illegitim, wenn durch Revolutionäre nicht nur gegen eine bestehende Macht rebelliert, sondern diese auch angewandt wird. Schlussendlich stehe das im Widerspruch zu den von Katniss vertretenen, bürgerlichen Revolutionsidealen. Nachdem im dritten Film die Revolution beginnt, bringt der vierte Teil eine systemkonforme Auflösung inklusive der Frage, mit welchem Typen Katniss ihre Zukunft verbringt. Sie durchlebt zunehmend anstrengendere Phasen von Selbstmitleid und wird immer egozentrischer. Am Ende erschießt sie anstelle des Anführers des Kapitols die Anführerin der Rebellen, da sie eine erneute Diktatur durch diese befürchtet. Der Film stellt die Frage nach Macht und Legitimation und verurteilt deren korrumpierende Wirkung, gerade auf Revolutionäre und ihre Anführer. Je nachdem wie man die Rebellenführerin beurteilt, ob als neue von Herrschsucht geprägte Diktatorin oder als eine der Gewaltfrage pragmatisch gegenüberstehende Befreiungskämpferin, kommt man entweder zu dem Schluss, dass Katniss eine konsequente bürgerliche Demokratin oder eine kleinbürgerliche Konterrevolutionärin ist.
Einige FeministInnen feiern die Tatsache, dass Katniss eine kämpferische und vor allem weibliche Hauptfigur ist. Die Abschlussszene, in der sie bei Sonnenuntergang auf einer Wiese sitzend ihre Kinder aufzieht, versetzt da einen Dämpfer. Hier ist die Darstellung von romantischen Gefühlen als Exit-Strategie aus dem ach so anstrengenden Revolutionsalltag ein Problem. Doch was soll man von ihr erwarten, die sich anstatt für den aufopferungsvollen, radikalen, aber stets bewussten Bergarbeiter, für den leidenden, wankelmütigen Kleinbürger entscheidet. Das sagt schon alles.
Svenja, Bochum