Dreht das Rad sich immer weiter?

veröffentlicht am: 11 Mrz, 2016

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Monopolkapitalismus steht der Produktivkraftentwicklung im Weg

Am 3.9.2015 gab der größte deutsche Automobilkonzern Volkswagen (VW) gegenüber der US-Behörde EPA (Environmental Protection Agency) zu, Abgastests mit Hilfe einer Software manipuliert zu haben, um die geforderten Richtwerte für den Schadstoffausstoß einzuhalten. Was folgte war der von Medien in den USA und Europa begleitete sog. „Abgas-Skandal“, bei dem seither scheibchenweise immer mehr Manipulationen an verschiedenen Fahrzeugen des VW-Konzerns ans Licht kommen. Noch Anfang 2015 war VW mit dem Anspruch gestartet, Weltmarktführer zu werden, nun drohen Strafzahlungen und Schadensersatzforderungen in Milliardenhöhe. Statt in die Forschung und Entwicklung tatsächlicher Einsparungen des Schadstoffausstoßes und des Treibstoffverbrauchs zu investieren, steckte VW die Gelder in die Entwicklung von Software zur Manipulation der Testwerte. Warum? Weil es billiger ist eine Software zu entwickeln, die die Abgaswerte manipuliert als sie tatsächlich zu senken und weil Kosten im Gesundheitssystem und Klimafolgekosten nicht in den VW-Bilanzen auftauchen, sondern von der Allgemeinheit – und das heißt vor allem durch die Steuern der Lohnabhängigen – bezahlt werden.

Hemmung der Entwicklung

Die Produktivkräfte sind alle natürlichen, technischen, organisatorischen und geistig-wissenschaftlichen Ressourcen. Es ist zu beachten, dass sowohl die nutzbaren Rohstoffe, der Entwicklungsstand der Technik, die Organisation der Arbeit als auch die Arbeitskräfte zur Entwicklung der Produktivkraft beitragen. Der weit verbreitete Glaube an den technischen Fortschritt „zum Wohle Aller“ und seine Entfaltung in einer möglichst freien und ungehemmten Marktwirtschaft, weist daher mehrere Fehler auf. Innerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsweise wird das Potential zur Weiterentwicklung nicht voll ausgeschöpft, da auf der einen Seite die Forschung & Entwicklung vor allem im Interesse des Kapitals betrieben wird, und auf der anderen Seite große Teile der Arbeitskraft nicht genutzt werden.
Ein Beispiel: Dem Einfluss der Automobilindustrie ist es zu verdanken, dass in Deutschland, aber auch in vielen anderen Staaten, der Individualverkehr dominiert. Der Ausbau des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs, ob zur Beförderung von Personen oder Gütern, gerät vor dem Zwang der Autoindustrie, ihre Produkte abzusetzen, in den Hintergrund. Obwohl es die technischen Möglichkeiten erlauben, werden also ressourcenschonende und weniger gesundheitsschädliche Transportmöglichkeiten wie der Bahnverkehr nicht ausgebaut. An vielen Stellen hat die Fokussierung auf den Individualverkehr sogar dazu geführt, dass Streckenabschnitte eingestellt wurden.

Verbesserung wird Verschlechterung

Die Produktivkraft unserer Gesellschaft könnte wesentlich höher sein, unterläge sie nicht den Spielregeln des Kapitalismus. Laut Agentur für Arbeit waren im Jahr 2015 rund 2,8 Millionen Menschen arbeitslos. Diese Produktivkräfte liegen brach, sie werden jeden Tag verschwendet. .
Vor diesem Hintergrund ist die Produktivkraftentwicklung ein Problem für die Arbeiterklasse. Eine Verbesserung der Produktion, die beispielsweise eine Zeitersparnis im Arbeitsablauf ermöglicht, kann ein Anlass für die Unternehmensleitung sein, Stellen zu streichen. Denn was vorher von drei Leuten erledigt wurde, schaffen nun in der gleichen Zeit auch zwei. Für den Unternehmer wären es weniger Kosten, für die Beschäftigten bleibt dadurch aber die Möglichkeit der Arbeitszeitverkürzung ungenutzt. Gleichzeitig hat man unter diesen Bedingungen als Beschäftigte einen triftigen Grund Verbesserungsvorschläge lieber doch nicht zu äußern. Wer schneidet sich schon gern ins eigene Fleisch. Deshalb müssen die Unternehmen mit satten Prämien winken, um ihren Beschäftigten evtl. doch ein paar ihrer Ideen zu entlocken.
Aufgrund des Privateigentums an Produktionsmitteln können viele (technische) Neuerungen nicht angewandt werden und schlagen die Produktivkräfte zunehmend in Destruktivkräfte um, die Menschen und Umwelt schaden. So werden diverse Geräte so konstruiert, dass sie kurz nach Ablauf der Garantiezeit kaputt gehen, so dass die Kunden gezwungen sind, sich neue Gerätschaften zu kaufen. Das primäre Ziel im Kapitalismus ist es eben nicht, Produkte so zu entwickeln, dass sie möglichst lange halten, sondern möglichst viele davon zu verkaufen. Neuerungen werden dann genutzt, wenn sie profitabel sind. Das ist im Kapitalismus ihr einziger Zweck. Ob sie Mensch und Natur schaden ist maximal zweitrangig. Das Ergebnis sind Klimawandel, Umweltzerstörung und krank machende Arbeitsbedingungen.
Das ändert sich erst, wenn die wichtigsten Produktionsmittel nicht mehr Privateigentum sind, sondern der gesamten Gesellschaft gehören und diese auch über ihre Verwendung entscheidet. Dann haben alle ein wirkliches Interesse an der Erhöhung der Produktivität, an der Einführung neuer Verfahren und Verbesserungen der Arbeitsweise, weil die Ergebnisse Allen zu Gute kommen.

Monopole und Staat

Um den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern, tut die Bundesregierung alles. Sie stellt auf der einen Seite ein Bildungssystem zu Verfügung, welches das Mindestmaß an Ausbildung für die Arbeit in der Industrie absichert. Und sie sorgt auf der anderen Seite mit Abwrackprämie und Kurzarbeit dafür, dass die Profite der Konzerne auch in der Krise gesichert bzw. Verluste von der Staatskasse abgefangen werden.
Dabei werden auch mal Betrügereien ignoriert, wie die Ermittlungen im Abgas-Skandal zeigen: Denn dem Kraftfahrtbundesamt lagen schon lange die Zahlen des Umweltbundesamtes vor, die einen großen Unterschied zwischen Schadstofftests der Industrie und Schadstoffmessungen im Straßenverkehr aufzeigen. Doch seiner Funktion als Wahrer des Gesamtinteresses des Monopolkapitals und nicht des Interesses der gesamten deutschen Bevölkerung wird dieser Staat wie immer sehr gut gerecht. Für VW besteht das derzeitige Problem darin, dass der US-amerikanische Staat diese Aufgabe auch erfüllt, allerdings für seine Monopolkapitalisten und die haben durchaus ein Interesse daran, einem ihrer großen Konkurrenten auf dem Weltmarkt empfindlichen Schaden zuzufügen.
Für die Entwicklung der Produktivkraft innerhalb des Kapitalismus gilt: Sie wird dann weiterentwickelt, wenn es dem Profit dient, aber eben nur dann und teilweise mit schweren Folgen für alle anderen.

Tine, Berlin

Daten und Fakten zur deutschen Automobilindustrie:
774.900 Beschäftigte in Stammbelegschaften
12,7 Mrd. Euro Gewinn VW-Konzern
10,8 Mrd. Euro Gewinn Daimler
9,1 Mrd. Euro Gewinn BMW
17,6 Mrd. Euro Ausgaben für Forschung und Entwicklung (31% Anteil an den gesamten privaten Ausgaben für Forschung und Entwicklung in Deutschland)
*Zahlen von 2014

Quellen:
VDA (Verband der Automobilindustrie)
statista.com

Dieser Artikel erschien in
POSITION #1/2016
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