Referat auf dem 22. Bundeskongress der SDAJ, Teil 1 von 3
Am Wochenende hat die SDAJ ihren 22. Bundeskongress in Eschborn bei Frankfurt am Main durchgeführt. Einen Bericht dazu findet ihr z.B. in der UZ – Sozialistische Wochenzeitung. Zu Beginn hat der Bundesvorstand in einem Referat die politische Situation in Deutschland und der Welt eingeordnet und daraus die nächsten Herausforderungen und Aufgaben für den Verband entwickelt. Wir veröffentlichen im Folgenden eine um Zwischenüberschriften ergänzte und leicht gekürzte Version des Referates, das Jan Meier für den Bundesvorstand gehalten hat.
Liebe Genossinnen und Genossen,
wir halten unseren Bundeskongress in einer politisch hoch brisanten Zeit ab. Vor unseren Augen vollzieht sich eine dramatische Rechtsentwicklung. Konnten die herrschenden Parteien bis zur Flüchtlingskrise rechte Weltanschauungen noch einigermaßen integrieren, formiert sich mit der AfD mittlerweile eine offen rassistische Kraft. Bei den Kommunalwahlen in Hessen und den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt konnte sie durchweg zweistellige Ergebnisse einfahren und stabilisiert sich als drittstärkste Kraft in den deutschen Parlamenten. Gleichzeitig nimmt auch die Zahl rechter Gewalttaten zu, allein von 2014 auf 2015 ist sie um 40% gestiegen.
Opfer der Rechtsentwicklung sind aktuell vor allem die Flüchtlinge. Sie sind entrechtet, müssen unter menschenunwürdigen Bedingungen leben und sich vor Gewalt und Brandstiftung fürchten. Und trotz hoch gezogener Grenzen in Europa flüchten die Menschen weiter massenhaft aus Krisenregionen. Sie flüchten vor Krieg, Armut und Naturkatastrophen die v.a. Machwerk des Imperialismus selbst sind.
Imperialismus bedeutet Krieg
Die Lage in der Welt ist mehr denn je geprägt von der stetig wachsenden Aggressivität des Imperialismus, der Zuspitzung der zwischenimperialistischen Widersprüche und der damit einhergehenden gesteigerten Kriegsgefahr.
Gerade zwischen den USA mit seinen NATO-Partnern auf der einen und Russland auf der anderen Seite spitzen sich die Konflikte immer weiter zu. Russland versucht dabei auch selbst eigene Bündnisse zu etablieren, um gegen die NATO bestehen zu können. Das wird in Syrien sehr deutlich. Hier unterstützt Russland die syrische Regierung, während die NATO-Mächte Völkerrecht brechen und an der Seite terroristischer Kräfte stehen. Der Konflikt zwischen Russland und den NATO-Mächten hat sich aber schon vorher in der Ukraine abgezeichnet. Es ist vor allem aggressive Politik der NATO-Staaten, die die Gefahr einer Ausweitung der Kriegsschauplätze gefährlich zuspitzt.
Zur Sicherung von Handelsvorteilen, der Einschränkung des russischen Einflusses und für Extraprofite werden das Paktieren mit Faschisten, der Aufbau von Terrorbanden, das Verwüsten ganzer Landstriche und die Vertreibung von Millionen von Menschen aus ihrer Heimat billigend in Kauf genommen. Entgegen der hiesigen Propaganda ist deshalb auch der russische Einsatz in Syrien anders zu bewerten. Er schafft dringend nötige Spielräume für fortschrittliche Kräfte in dem er auf eine Stabilisierung des Landes statt auf regime change setzt.
Beim Ukrainekonflikt wurde aber auch deutlich, dass es innerhalb der NATO unterschiedliche imperialistische Interessen gibt. Deutschland zieht es vor, es sich nicht völlig mit Russland zu verscherzen. Dagegen haben die USA in Russland nichts zu verlieren und wählen einen noch aggressiveren Kurs.
Dennoch sind gute trans-atlantische Beziehungen für das deutsche Kapital vorerst unverzichtbar. Indem der deutsche Imperialismus im Windschatten der USA mitfährt, springt so für ihn objektiv am meisten heraus. Gleichzeitig ist die deutsche Dominanz innerhalb der EU überdeutlich und langfristig Voraussetzung, um ein größeres Stück vom Kuchen abzubekommen – auch um die Dominanz des US-Imperialismus in Frage stellen zu können. Dafür füllt der deutsche Imperialismus schon jetzt die Lücken, die der ökonomisch schwächelnde US-Imperialismus mehr und mehr hinterlässt und betont verstärkt seine Eigenständigkeit.
Deutsche Großmachtpolitik
Dass die EU mittlerweile zum Instrument des deutschen Imperialismus geworden ist, wird am Beispiel Griechenlands deutlich. Hier waren es v.a. deutsche Banken und Konzerne, die vom Sparkurs gegen die griechische Arbeiterklasse profitierten. Die Situation der Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren rasant verschlechtert: jeder zweite Jugendliche ist arbeitslos und Stundenlöhne unter 3,50€ sind keine Seltenheit. Auf der Griechenlandrundreise im September letzten Jahres konnten wir uns selbst ein Bild davon machen. Wir haben eine Uni besucht, die ein Jahr lang nicht mehr geputzt wurde, weil das Reinigungspersonal gefeuert worden ist; wir haben dort viele junge Erwachsene gesehen, die in Callcentern arbeiten statt in ihrem erlernten Beruf; wir haben mit Schülern gesprochen, die selbst teuren Privatunterricht bezahlen müssen, um ihre Prüfungen bestehen zu können. All das sind auch die Folgen des Memorandums, das die SYRIZA-ANEL-Regierung verabschiedet hat.
Griechenland und auch andere EU-Länder, wie Spanien oder Portugal sind Beispiele wie der Imperialismus seine Krisen zu lösen versucht. Steuergelder in Billionenhöhe, also Geld, das v.a. von der arbeitenden Bevölkerung kommt, werden an die Banken und Konzerne verschenkt, gleichzeitig werden hier wie dort die Löhne gedrückt und Sozialleistungen abgebaut, um so die Verwertungsbedingungen des Kapitals zu verbessern. Darin sind sich die Regierungen und die EU einig. Gleichzeitig kann der deutsche Imperialismus aufgrund seiner relativen Stärke zusätzlich Krisenkosten auf andere EU-Staaten abwälzen, die ihrerseits alles tun, um die Kosten von der arbeitenden Bevölkerung, und das heißt vor allem von der Jugend bezahlen zu lassen. 50% Jugendarbeitslosigkeit fallen nicht vom Himmel! Sie zeigen überdeutlich: Der Kapitalismus hat für die Jugend nichts zu bieten!
Klassenkämpfe spitzen sich zu
Und auch außerhalb Europas ist einiges passiert. Cuba ist es gelungen, die USA zu einem Strategiewechsel zu zwingen. Einer, der der Revolution international mehr Spielräume verschafft. Aber die USA haben ihr Ziel, Cuba wieder zu beherrschen, nicht aufgeben. Und wir wissen aus der Vergangenheit, dass „weiche Strategien“ und Wandel durch Annäherung im Zweifel die gefährlicheren sind. Aber es ist es als riesiger Erfolg der internationalen Solidaritätsarbeit zu werten, dass die Cuban Five endlich freigelassen wurden.
Genossinnen und Genossen,
Gerade an Flüchtlingen kann leicht erprobt werden, was alles an Repression und sozialer Verschlechterung möglich ist. So wird z.B. der Mindestlohn weiter ausgehöhlt, Flüchtlinge werden allgemein als Lohndrücker eingesetzt oder dürfen gar nicht erst arbeiten, sodass sie völlig abhängig vom Staat sind. Diese Maßnahmen werden ausgenutzt, zur Spaltung der Klasse im Allgemeinen, zum Abbau der letzten Reste des Asylrechts, zum Abbau demokratischer Rechte, zum Ruf nach mehr Polizei und Überwachung im Konkreten.
Ängste werden ausgenutzt
Auch die dramatischen Wahlergebnisse der AfD zeigen: wir müssen die komplizierte Situation im Massenbewusstsein noch besser erkennen. Perspektivangst ist beileibe kein Rassismus, kann aber Nährboden dafür sein. Wenn wir die Ängste und Befürchtungen vieler Menschen analysieren, dann müssen wir feststellen, dass dahinter durchaus ein feines Gespür steckt. Natürlich droht unter kapitalistischen Bedingungen die Zuwanderung von hunderttausenden Menschen in unser Land, die Konkurrenz innerhalb der Arbeiterklasse zu verschärfen.
Natürlich ist davon auszugehen, dass auch die Konkurrenz auf dem Wohnungsmarkt zunimmt. Die Gefahr von Mietsteigerungen und des Anwachsens von Armutsquartieren ist real. Wenn Menschen befürchten, dass auch in dieser Situation die Lasten über die Kommunen auf sie abgewälzt werden sollen, dann haben sie Recht. Die Verschuldung vieler Kommunen wächst und bürgerliche Politik wird sie als Begründung für Kürzungen, Schließungen, Gebührenerhöhungen und Privatisierung nehmen.
Und noch viel aktueller, in der Tarifrunde des öffentlichen Diensts wird das gegeneinander ausspielen vorexerziert. Die Kommunen werden finanziell mit den Auswirkungen der Unterbringung von Flüchtlingen weitgehend allein gelassen. Schon jetzt müssen die Flüchtlinge herhalten, um die Tarifforderung von ver.di als völlig überhöht zurückzuweisen.
Probleme gehen auf die Politik der Herrschenden zurück
Wir sehen also, dass die Perspektivängste vieler Menschen durchaus eine äußerst realistische Grundlage haben, aber die Verursacher sind eben nicht die Flüchtlinge, sondern die Verursacher der Flucht: das Kapital, seine Politiker, die führenden imperialistischen Staaten. Unsere Aufgabe ist es die Spaltung in Flüchtlinge und Deutsche zu überwinden, indem wir Forderungen aufstellen die Grundlage gemeinsamer Kämpfe sein können. Refugees Welcome ist gut, reicht aber nicht. Nicht selten wird hier Solidarität missverstanden als „Wir geben denen etwas ab“. Wer täglich weniger im Portemonnaie hat, der muss so eine Art Solidarität als weiteren Angriff verstehen. Und diese Angriffe kennen wir aus den letzten Jahren nur zu Genüge:
Es sind Agenda 2010, Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67, Leiharbeit, Werkverträge und Minijobs – sie treffen vor allem uns Jugendliche. Im Zuge der Hartz-IV-Gesetzgebung wurde wieder mal einiges an Sondermaßnahmen für Jugendliche verschärft. Zum Leben reicht Hartz-IV hinten und vorne nicht. Wer nicht unmittelbar eine Ausbildungsstelle findet, muss in diesem Land schauen wo er bleibt.
Jan wurde auf dem Kongress zum neuen Vorsitzenden des Jugendverbandes gewählt. Morgen veröffentlichen wir den zweiten Teil des Referats.