Helden des Imperialismus
September 2012, Bengasi. Im gerade durch den Regime-Change zerbombten Libyen ist von Frieden und Demokratie immer noch keine Spur. Am 11. Jahrestag der Anschläge auf das World Trade Center wird die Amerikanische Botschaft in Bengasi, im Film das Symbol des Zivilen, Ziel eines Überfalls durch die aus dem „Arabischen Frühling“ siegreich hervorgegangen Islamisten. Diese gibt es in den Massen und der Bedeutung erst seit dem Überfall der NATO auf das Land, aber das ist den Machern solcher Filme egal. Den „Helden von Bengasi“, sechs Söldnern im Dienst der CIA, wurde nun ein filmisches Denkmal gesetzt. Die Helden aus der Heimat, die guten Jungs, die sich tatsächlich in Bengasi für den amerikanischen Imperialismus haben be- und erschießen lassen. Unter Regie von Michael Bay, verantwortlich für „Transformers“ und „2012“ entstand ein Film, der ohne Reflexion über die Hintergründe des Angriffs auskommt. Auch die Tatsache, dass Bengasi heute einer der gefährlichsten Orte der Welt ist und wie es dazu kam, bleibt verschwiegen. Dafür gibt es reichlich Geballere und Explosionen, die Angreifer werden zu „Badies“, also den Bösen, und wie sich das so gehört, beißen sie reihenweise ins Gras. Hin und wieder soll man auch Mitgefühl haben, aber nur mit den Guten, versteht sich. So ist die Hauptbotschaft des Films, was für feine Kerle doch die Söldner der CIA sind, und was für verabscheuungswürdige Wilde all ihre Gegner. Der Islam wird zu einem düsteren Kult stilisiert, während der Imperialismus, der dieses Land erst in das immer noch andauernde Chaos und Bürgerkrieg stürzte, das Naturgesetz ist, dass die einen zu den Guten und die anderen zu den Bösen macht. Auch der Veröffentlichung Termin ist sicher nicht Zufällig, im US-Wahlkampf liefert er willkommene Munition gegen den „zu weichen Kurs“ von Obamas Demokraten im arabischen Raum.
13 Hours: The Secret Soldiers Of Benghazi, ab März 2016 im dt. Kino
Nicky, Nürnberg
Parteiliches aus Vergangenheit und Zukunft
Dietmar Dath hat ein neues Buch vorgelegt. Das ist an sich keine Nachricht. Diesmal aber hat sich der Autor auf ein vorher kaum betretenes Minenfeld vorgewagt. Die Geschichte der sozialistischen Staaten, konkret die Geschichte der Sowjetunion. Dabei verlegt Dath die Handlung seines Romans in die Zukunft. Auf dem Planeten Venus setzen nach der erfolgten Revolution die Erinnerungen eines Protagonisten ein, der als Sohn bekannter Wissenschaftler und später persönlicher Assistent Thalbergs, an der Spitze des Zukunfts-Real-Sozialismus aktiv ist. Thalberg, dechiffriert als Shdanow (1896-1948, Mitglied des ZK und des Politbüros der KPdSU), ist Mitarbeiter Leona Christensens, leicht als Stalin zu erkennen, und zuständig für ihre Kommunikation mit jenen zukünftigen Kreaturen, D´s (Roboter) und K´s (freischwebende Programme), die sich im Ècumen befinden, einer Substanz, die bei Dath sowohl transportiert als auch organisiert und informiert.
Aber Dath führt auch die unumgängliche Gewalt-Diskussion um die Geschichte der Sowjetunion. Der Held wird gefangen genommen, brutal gefoltert. Christensen als „Mörderin bezeichnet. Die Auseinandersetzungen mit der Brutalität dargestellt, mit der sie geführt wurden. Dabei ist die Brutalität leider nicht aus der Härte der Auseinandersetzung erkennbar. Die Begründung verschwindet in der Undurchdringlichkeit des „Apparats“. Eine Sicht, die eine einzelne Erinnerung haben kann, über die sich Geschichtsschreibung aber notwendig erheben muss.
Nach dem eigentlichen Höhepunkt der Geschichte setzt erst die Konfrontation des Vaters, einem Anhänger Christensens, mit seinem Sohn, der zum nur redenden Gegner geworden ist, ein. Der eine argumentiert mit dem Schutz all dessen, was sich die Menschen, Maschinen und Programme so aufgebaut haben, der andere setzt als Schlusspunkt die Frage, ob er nun einsehen solle, zurecht gefoltert worden zu sein. Der Held verlässt die Venus, lässt sich auf die gerade in der erneuten Version des II. Weltkriegs geschlagene Erde versetzen und bleibt dort. Das Buch endet, als seine Tochter bei ihm auf der Matte steht, um ihn wieder für den Kampf um das „Bundwerk“, also um den Sozialismus, aus dem im Dath’schen Diktum das „Freiwerk“ werden soll, zu werben. Er schickt sie weg. Der Widerspruch wird vom Protagonisten zum Individualismus hin aufgelöst. Der Folter-Hintergrund wirkt als moralische Abwehrreaktion gegen die Übernahme des – politisch richtigen – Standpunktes.
Das Buch stellt die Fragen, die wir uns im Umgang mit der eigenen Geschichte stellen. Dass Dath auf alle diese Fragen keine Antworten geben kann, ist ihm nicht anzulasten. Sein parteilicher Standpunkt aber, dass die Haltung seines Protagonisten nicht zur Lösung, sondern in die Sackgasse führt, ist zu loben. Die Persiflage auf die kleinbürgerliche Linke ist damit gelungen.
Dietmar Dath: Venus siegt, Hablizel-Verlag 2015, 25 Euro
Kurt, Hamburg
Adel im Wandel der Zeit
Downton Abbey – Sitz der Adelsfamilie Grantham im England in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Im Mittelpunkt der gerade zum Finale gekommenen Serie steht das Haus der Crawleys mit all seinen Bewohnern. So die drei Töchter, die einen erbitterten Kampf um ihre Unabhängigkeit führen und den Adel im Wandel der Zeit repräsentieren. Dazu gehört aber auch das Personal des Hauses, welches die gesellschaftlichen Verhältnisse mit all seinen Facetten zu spüren bekommt.
Im Laufe der sechs Staffeln werden einige historische Ereignisse – wie der erste Weltkrieg – in das Leben der Protagonisten eingeflochten. Es wird aber auch deutlich, welche Auswirkungen die rasanten technischen Entwicklungen auf den Alltag und das Arbeitsleben der Klassengesellschaft haben. Besonders interessant ist, dass beide klar definierbaren Klassen hier in einem Haus gleichermaßen dargestellt werden. So werden Widersprüche deutlich herausgestellt und zum Teil benannt. Dennoch findet der Klassenkampf nicht statt. Kritik gilt als gemein und hinterlistig und hält auch nicht lange an. Diener mit einem 24-stündigen Arbeitstag setzen auf Sozialpartnerschaft und Standortlogik.
Wer – trotz alledem – Intrigen und vielseitige Charaktere zu schätzen weiß oder Anknüpfungspunkte für die eigene Agitation in den offensichtlichen Ungerechtigkeiten des Fernsehschauspiels sucht, sollte sich diese Serie nicht entgehen lassen!
Downton Abbey, Fernsehserie, UK 2010-2015
Hanna, Hamburg