Vereint zurück (POSITION #02/16)

veröffentlicht am: 30 Mrz, 2016

Bauernproteste und Generalstreiks in Griechenland

„Arbeiter und Bauern, eine Stimme, eine Faust!“ ertönt es auf dem Syntagma-Platz in Athen. Es ist der 4. Februar 2016 und ganz Griechenland wird von einem gewaltigen Streik lahmgelegt. Im ganzen Land kam es zu Massenkundgebungen der Arbeiterfront PAME gemeinsam mit den anderen Kräften des Volksbündnisses: dem kämpferischen Zusammenschluss der Bauern (PASY), dem antimonopolistischen Zusammenschluss der Selbständigen (PASEVE), den kämpferischen Studierenden (MAS) und des Frauenverbands (OGE). Sie alle wehren sich gegen das neue Sozialversicherungsgesetz der Regierung. Es war lediglich einer der Höhepunkte eines monatelangen Kampfes, nachdem es schon im Oktober einen Generalstreik und zu Beginn des neuen Jahres große Bauernproteste im ganzen Land gab.

 

Das „Fallbeil-Gesetz“

Als Anfang 2015 in Griechenland die „Linkspartei“ SYRIZA die Wahlen gewann und mit den nationalistischen „Unabhängigen Griechen“ eine Koalitionsregierung bildete, versprach sie ein Ende der Verelendungspolitik, die seit Jahren immer mehr Menschen in den Ruin getrieben hatte. Mit der EU und der Herrschaft der Konzerne und Banken in Griechenland wollte die neue Regierung gleichzeitig aber nicht brechen, sondern sie als Bündnispartner für ihre neue Politik gewinnen. Und tatsächlich unterschrieb auch die neue Regierung im Juli ein neues „Memorandum“ mit den Kreditgebern, in dem sie noch extremeren antisozialen Maßnahmen zustimmte als die Vorgängerregierungen. Eine Folge davon ist die „Reform“ des Sozialversicherungswesens. Nach den Plänen von SYRIZA/ANEL soll sich der Staat weitgehend aus Renten und anderen Sozialleistungen heraushalten. Die Bezüge sollen von den Beiträgen abhängig sein, die man vorher in die Versicherungskassen eingezahlt hat. Wer arbeitslos ist oder trotz Arbeit kein Geld hat, um diese Beiträge zu zahlen, kriegt entweder gar keine Rente mehr oder nur noch eine mickrige Summe, von der niemand leben kann. Die Versicherungsbeiträge gehen zudem für alle möglichen Berufsgruppen steil nach oben, weshalb neben der Industriearbeiterschaft und den kleinen Bauern diesmal auch Selbstständige, höhere Angestellte und Wissenschaftler auf die Straße gehen. Für das Gesetz sind, wenig überraschend, die EU, die internationalen Kreditgeber, die griechische Regierung und die Konzerne, die hinter ihr stehen.
Die trügerische Hoffnung, SYRIZA bedeute die Lösung der Probleme, hatte schon seit etwa 2011 den Widerstand gelähmt. Die Enttäuschung über den Sozialabbau der Regierung führte aber nicht zu mehr Protest, sondern in die Hoffnungslosigkeit – bis jetzt.

 

Aufschwung des Widerstands

Da die Gewerkschaften der PAME, in denen viele Kommunisten aktiv sind, das neue kämpferische Klima in dieser Situation fast alleine geschaffen haben, spielten sie auch eine zentrale Rolle in den Streiks. Auf den Demonstrationen dominierten die Forderungen der PAME, vor allem die nach vollständiger Zurücknahme des Gesetzesvorschlags, während andere Kräfte nur bestimmte Änderungen daran vorschlugen. Das konnte die arbeitenden Menschen in Griechenland nicht mehr überzeugen: Die große Mehrheit von ihnen ging mit der PAME auf die Straße und nicht mit den arbeitgeberfreundlichen Führungen der Gewerkschaftsdachverbände GSEE und ADEDY. Dabei ließen sich die Menschen von der Polizei nicht vorschreiben, wo und wie sie zu protestieren hatten. Als die Einsatzpolizei MAT die Straße blockierte, wurde sie von hunderten wütenden Arbeitern der PAME einfach von der Straße gefegt, sodass der Demonstrationszug seinen Marsch fortsetzen konnte.

Neben der Streikbewegung machten vor allem auch die Bauernproteste in Griechenland Anfang des Jahres immer wieder Schlagzeilen, selbst in den deutschen Medien. Im ganzen Land blockierten die Bauern mit ihren Traktoren wichtige Straßen, um ihren Protest zum Ausdruck zu bringen. Am 13. und 14. Februar strömten Beteiligte von 68 verschiedenen Blockadepunkten aus ganz Griechenland auf den Athener Syntagma-Platz und fuhren mit ihren Traktoren dort vor.
Die meisten Bauern gehören den unteren und mittleren Bevölkerungsschichten an, die unter der Agrarpolitik der EU und der verschiedenen Regierungen leiden und deren Lebensgrundlage ständig bedroht ist. Andrerseits gibt es aber auch einige Großbauern und kapitalistische Agrarunternehmen, die von genau dieser Politik profitieren und sie daher unterstützen. Ähnlich wie die PAME in den Gewerkschaften, versucht das kämpferische Bauernbündnis PASY in der Bauernbewegung antikapitalistische, gegen die großen Konzerne und die EU-Politik gerichtete Forderungen aufzustellen. Damit hat sie wachsenden Erfolg, weil in den Protesten der letzten Monate viele Menschen gemerkt haben, dass die PASY als einzige wirklich ihre Interessen vertritt.
Trotzdem war die Bewegung gespalten. Auch Faschisten versuchten, in der Bewegung aufzutreten und an Einfluss zu gewinnen, aber sie konnten meistens isoliert und ausgeschlossen werden. Weil die PASY in der Bauernbewegung noch nicht die vorherrschende Kraft ist, ging sie letztlich auf einen Kompromiss ein. Sie verzichtete auf mehrere Forderungen, von denen andere Teile der kämpfenden Bauern nicht zu überzeugen waren, um die breite Front der 68 Straßenblockaden zu schaffen, aber ohne die Positionen der Großbauern zu akzeptieren. Man einigte sich auf einen Minimalkonsens von Forderungen, die das Überleben der armen und mittleren Bauern sicherstellen sollen.

Griechenland ist also weiterhin ein Beispiel nicht nur für die barbarische und asoziale Verelendungspolitik von EU und Kapital, sondern auch für kämpferischen und kreativen Widerstand dagegen. Dieser Widerstand hat eine treibende Kraft: Die Kommunistische Partei Griechenlands (KKE) und das Volksbündnis. Doch die Krise des Widerstands ist noch nicht überwunden. Die Kampfbereitschaft der Jahre 2010 und 2011 ist bisher in diesem Ausmaß noch nicht zu spüren. Aber das Volksbündnis hat mit diesen Protesten sehr deutlich bewiesen, dass sie die drastischen Sozialkürzungen der „Linksregierung“ nicht hinnehmen werden. PAME hat bereits einen weiteren Generalstreik angekündigt – dieses Mal für 48 Stunden.

Thanasis, Tübingen

Dieser Artikel erschien in
POSITION #2/2016
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