Und verliert den Job? Zwei Bosch-Azubis berichten.
„Wir haben die Ausbildung erst vor ein paar Monaten begonnen. Uns wurde gesagt, was für ein Glück wir haben, hier gelandet zu sein, dass unsere Zukunft jetzt gesichert wäre und wie sozial unser Arbeitgeber sei. Doch die KollegInnen vom Betriebsrat öffneten uns bei der ersten Betriebsversammlung die Augen. Sie berichteten, wie hart sie für die Anzahl der Ausbildungsplätze kämpfen mussten, dass die Arbeitszeit erhöht werden soll und wir nach der Ausbildung niedriger eingruppiert werden, als unsere VorgängerInnen.
Die älteren Lehrjahre gaben uns den Rat, in der Probezeit nicht zu oft krank zu werden. Wir waren misstrauisch und fragten bei dem Verantwortlichen für Arbeitssicherheit nach. Die Antwort: ‚Wer krank ist, ist krank.‘
Ein Azubi war während der sechs Monate Probezeit zwei Mal krank. Zuerst erwischte ihn die Grippewelle, danach konnte er wegen eines Arbeitsunfalls seine rechte Hand nicht belasten. Er hatte extra die Personalchefin unserer Abteilung angerufen, um zu fragen, was er machen solle und sogar vorgeschlagen, trotzdem zur Arbeit zu kommen. Sie sagte ihm, er solle sich keine Gedanken machen. Am ersten Tag nach seiner Krankheit wurde ihm fristlos gekündigt. Das ist laut Gesetz in der Probezeit möglich. Als Begründung wurden die hohen Fehlzeiten genannt.
Die Empörung bei uns allen war groß. Nach einer Diskussion entschieden wir uns, alle gemeinsam zum Betriebsrat zu gehen. Der bestärkte uns darin, dass das Vorgehen der Personalabteilung nicht hinnehmbar sei, sagten aber auch, dass wir wenig Chancen hätten, das Ganze rückgängig zu machen. Wir wollten es dennoch versuchen, da wir unseren Freund und Kollegen nicht verlieren wollten. Er schrieb uns: „Das schmerzt gerade unfassbar, ich weiß nicht was ich machen soll… das man mich wegen so einer Sache einfach raus schmeißt… Ich würde morgen gerne wieder arbeiten, ich vermisse euch jetzt schon alle!“
Über eine Stunde diskutierten wir mit dem Stellvertreter des Personalchefs. Wir bissen auf Granit. Auf einmal war von den sozialen Werten aus dem Unternehmens-Codex keine Rede mehr, sondern nur noch von Kapitalverlusten und Kosten. Wir sagten ihm, dass unser Mit-Azubi sich extra eine Wohnung gemietet hatte, dass wir ihn als Kollegen schätzten. Aber alles Reden half nichts.
Wir haben als Azubis immer wieder Druck gemacht und eine Petition aufgesetzt. Als wir überlegten, wie wir den Fall öffentlich machen können, wurde uns gesagt: „Vergesst nicht, dass ihr auch alle noch in der Probezeit seid!“ Ein Gefühl der Machtlosigkeit und Verzweiflung blieb im Raum, als wir langsam wieder alle zu unseren Schraubstöcken gingen.
‚Wenn ich daran denke, was wir für Spaß hätten haben können, auf der Arbeit, beim Bildungsurlaub und privat. Danke für alles! Ihr habt mir ein Gefühl der Gemeinschaft vermittelt.‘, schrieb uns unser Kollege noch. Dieses Gefühl bleibt. Wir haben diesen Rauswurf nicht verhindern können, weil die Gesetzeslage das Unternehmen bevorzugt und uns rechtlos macht. Aber wir haben erste Erfahrungen mit unserem „sozialen“ Unternehmen gesammelt und auch gelernt wie man sich wehren kann. Das werden wir auch weiterhin tun.“
Carolin und Kalle*
*Namen von der Redaktion geändert
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