Bewusste Verstrickungen

veröffentlicht am: 4 Jul, 2016

Die deutschen Leitmedien und die Lobbyorganisationen des Militärisch-Industriellen-Komplexes

Ganz offen wird in den Medien Stimmung für deutsche Kriegseinsätze gemacht. Dabei wird immer seltener verlogenerweise auf Brunnen und Frauenrechte hingewiesen, sondern die Interessen hinter den Kriegseinsätzen werden offen und ehrlich benannt: es geht um die Durchsetzung imperialistischer Interessen, wie beispielsweise die Absicherung von Handelswegen. Gegen die Art der Berichterstattung hegt sich Unmut in der Bevölkerung.
Fakt ist: die Leitmedien der herrschenden Klassen berichten gezielt im Sinne der herrschenden Klasse. Dies wird daran deutlich, dass eine Vielzahl der wichtigsten Akteure der großen Medien gut vernetzt mit Institutionen des Militärisch-Industriellen Komplexes (MIK) ist. Diese Aspekte wurden ausführlich aufgearbeitet, beispielsweise in Uwe Krügers Doktorarbeit „Meinungsmacht“. Eine Folge der „Anstalt“, die die Verstrickung von Journalisten und Redakteuren mit Institutionen des MIK darstellt, wurde nach ihrer Ausstrahlung gerichtlich verboten.
Denn so offen will man über diese Verstrickungen nicht reden. Kai Dieckmann z.B. ist zwar Mitglied des Vorstandes der Atlantikbrücke, einem Netzwerk, welches sich der europäisch-nordamerikanischen Militärzusammenarbeit der NATO verpflichtet sieht. Doch als die BILD-Zeitung, dessen Chefredakteur er damals war, 2009 von einem Vorstandstreffen berichtete, wurde das Foto dazu am Rand leicht abgeschnitten, damit Dieckmann nicht zu sehen ist. Das wäre ja auch zu offensichtlich, wenn die eigene Zeitung die Verflechtung ihres Chefs in politische Netzwerke offenlegt.

Die Münchener Sicherheitskonferenz (MSC)

Verstrickungen von Medien, Politik und Militär sind alltäglich (Fotos: CC BY 2.0, Wikipedia, Sebastian Hillig)

Verstrickungen von Medien, Politik und Militär sind alltäglich (Fotos: CC BY 2.0, Wikipedia, Sebastian Hillig)

Bei der jährlich stattfindenden Münchener Sicherheitskonferenz kommen internationale Vertreter aus Politik, Rüstungsindustrie und Militär zusammen, um über die nächsten Kriegseinsätze weltweit zu beraten. Die offiziell als Privatveranstaltung laufende Konferenz wird seit 2008 von Wolfgang Ischinger geleitet. Medial erregt die Konferenz jedes Jahr ein großes Interesse und die großen Medienkonzerne sind ebenso ins Gefüge der MSC verstrickt wie die restlichen Teilnehmer der Konferenz. So ist einer der großen Sponsoren der MSC der Bayrische Rundfunk, der außerdem einen Online-Stream der Veranstaltung zur Verfügung stellt. Die Süddeutsche Zeitung bringt jeweils am ersten Tag der Konferenz eine Sonderbeilage heraus, in der verschiedene prominente Teilnehmer der MSC zu Wort kommen. Zusätzlich berichten rund 400 JournalistInnen über die Geschehnisse in München. Es gibt jedoch außerdem eine ganze Reihe an Journalisten und Redakteuren, die nicht nur als Beobachter an der Konferenz teilnehmen, sondern als geladene Gäste fleißig mitdiskutieren dürfen. Unter ihnen waren bis zum Jahr 2011 beispielsweise Josef Joffe (Mitherausgeber der ZEIT), Stefan Kornelius (Außenpolitik-Ressortleiter der SZ), Michael Stürmer (Chefkorrespondent der WELT) und Claus Kleber (Moderator des ZDF heute-journal) – um nur einige Beispiele zu nennen.

Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS)
Die Bundesagentur für Sicherheitspolitik, kurz BAKS, gehört dem Bund und diente ursprünglich als Weiterbildungseinrichtung für sicherheitspolitische Fragestellungen. Ihre Aufgabe ist es, hohe Beamte der verschiedenen Ministerien in sicherheits-, beziehungsweise kriegspolitischen Fragen zu schulen. Seit 2015 betreibt die BAKS auch massiv Öffentlichkeitsarbeit und soll den Dialog zu den BürgerInnen suchen, um über die Sicherheitspolitik der Bundesregierung zu informieren. Nebenbei berät die BAKS die Bundesregierung in sicherheitspolitischen Fragen. Im Beirat der BAKS sitzen neben Wolfgang Ischinger und dem Aufsichtsratsvorsitzenden der Commerzbank auch zahlreiche Vertreter der Medien. Darunter sind Klaus-Dieter Frankenberger (verantwortlicher Redakteur für Außenpolitik der FAZ), Stefan Kornelius (Ressortleiter Außenpolitik der SZ), Peter Frey (Chefredakteur des ZDF) und eine Korrespondentin des ARD.

Das Strategiepapier „Neue Macht. Neue Verantwortung.“
Am 03.10.2013 hält Bundespräsident Gauck eine Rede anlässlich des „Tags der deutschen Einheit“. Darin fordert er ein verstärktes militärisches Engagement Deutschlands. Reden ähnlichen Inhalts werden bei der Münchener Sicherheitskonferenz 2014 von Frank-Walter Steinmeier und Ursula von der Leyen gehalten. Die Rede fußt auf dem Strategiepapier „Neue Macht. Neue Verantwortung.“. Dieses wurde ein Jahr lang in einem Projekt der Stiftung Wissenschaft und Politik und des Washingtoner Thinktanks „German Marshall Fund of the United States“ vorbereitet und erarbeitet. Beteiligt waren über 50 Personen aus Politik, Medien, Militär, Wirtschaft und NGOs. Ein erklärtes Ziel des Papiers war es nicht nur, die Interessen des deutschen Kapitals weltweit verstärkt durch militärische Mittel zu sichern, sondern auch die neuen Ziele dieser Außenpolitik „effektiver zu kommunizieren, um zu überzeugen“ – vor allem gegenüber der eigenen Bevölkerung. Für die Medien wurde dies besonders von Jochen Bittner von der ZEIT und Nikolas Busse von der FAZ umgesetzt: beide arbeiteten aktiv an der Erstellung des Strategiepapiers mit und berichteten zugleich in den Zeitungen positiv darüber.

 

Roxy, Tübingen

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Dieser Artikel erschien in
POSITION #3/2016
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