Interessen im 1. Weltkrieg

veröffentlicht am: 16 Sep, 2016

37-2_4-16_cb-spickzettelIm Schulbuch steht rechter Unsinn? LehrerInnen trichtern euch reaktionäre Inhalte ein? Du weißt nicht, was du dagegen sagen sollst? Das hat fast jede/r schon erlebt – denn unsere Schulen haben eben auch den Auftrag, die Ideologie der Herrschenden zu verbreiten. POSITION hilft – mit dem Spickzettel zum Ausschneiden.

Eine These zum Ersten Weltkrieg, die uns in Geschichtsbüchern regelmäßig begegnet, ist die des australischen Historikers Christopher Clark, der in seinem 2013 erschienenen Buch „Die Schlafwandler“ behauptet, der Krieg sei durch eine Verkettung unglücklicher Umstände entstanden und einen Verantwortlichen könne man nicht benennen. Damit ist Clarks These ein deutlicher Rückschritt: selbst bürgerliche Historiker waren sich über die deutsche Hauptkriegsschuld einig, dieser Konsens wird nun in Frage gestellt. Du musst dich im Geschichtsunterricht mit dieser These auseinandersetzen? Hier unsere Gegenthese: Der Krieg wurde aus wirtschaftlichen und geostrategischen Beweggründen mit langem Vorlauf begonnen und nutzte vor allem dem Interesse der Großindustrie. Deutschland trug für den Kriegsausbruch eine besondere Verantwortung. Warum? Lies selbst:

1. Bei der Aufteilung der Welt in Kolonien und Einflussbereiche war das 1871 gegründete Deutsche Reich quasi zu spät gekommen und konnte sich weniger als die anderen sichern. Die aufstrebende deutsche Großindustrie wollte aber Zugriff auf mehr Kolonien, von denen sie sich Rohstoffe, billige Arbeitskräfte und Absatzmärkte versprach. Und Kolonien waren nur durch Krieg zu erobern. Auch die militärische Führungsebene hatte aus geostrategischer Perspektive ein Interesse an der Eroberung neuer Gebiete. Vor allem Deutschland, aber auch andere europäische Großmächte, rüsteten daher seit Beginn des 20. Jahrhunderts ihre Armeen auf. Zwar wollten alle Großmächte ihr Staatsgebiet ausdehnen, Deutschland bereitete dies aber systematisch vor.

2. Schon 1905 lag im preußischen Generalstab der Schlieffen-Plan vor, der die Grundlage für die militärischen Operationen bei Kriegsbeginn darstellte. Der Kriegsausbruch 1914 war also alles andere als unerwartet, sondern wurde von deutscher Seite bewusst provoziert.

3. Vor allem die nach Kriegsbeginn ausgerufenen deutschen Kriegsziele, also die Kontrolle großer Landflächen und mehrerer Satellitenstaaten im Osten sowie die Eroberung von Industriegebieten in Nordfrankreich und Belgien, standen eindeutig im Interesse der deutschen Wirtschaft.

4. Während die Bevölkerung in Deutschland völlig unterversorgt war und Millionen an Hunger und Kälte starben, konnte die Schwerindustrie quasi ohne Zinsen Geld leihen, für enorme Preise Kriegsgerät verkaufen und damit unglaublichen Profit einfahren.

5. Das Deutsche Reich trug durch sein Verhalten nach der Ermordung des Österreichischen Prinzen Franz Ferdinand hauptsächlich dazu bei, dass es zum Krieg kam – etwa durch die Erklärung der uneingeschränkten Unterstützung Österreichs im Falle eines Angriffs gegen Russland. Durch völkerrechtswidriges Verhalten, beispielsweise das Angreifen von neutralen Passagierschiffen auf See, während des Krieges provozierte es außerdem den Kriegseintritt von Großbritannien und der USA und dehnte den Krieg damit weiter aus.

Dieser Artikel ist aus der aktuellen POSITION, dem Magazin der SDAJ. Du kannst es für 10€ jährlich abonnieren unter position@sdaj.org

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Es wird also klar: Clarks These ist grober Unfug – der Erste Weltkrieg war kein „Unfall“ oder das Ergebnis von „Schlafwandeln“, sondern gewollt. Dass seine Behauptung in der bürgerlichen Gesellschaft, die Deutschland nur zu gerne wieder als Weltmacht sehen würde, gerne gehört und verbreitet wird, sollte uns allerdings nicht wundern – es könnte ja sonst jemand darauf kommen, Parallelen zwischen damals und heute zu ziehen: Heute stehen sich in Syrien die imperialistischen Großmächte direkt gegenüber und lassen ihre Muskeln spielen. Die aktuelle Kriegsgefahr ergibt sich dabei aus der Einkreisungspolitik der NATO gegenüber Russland und China. Und noch immer ist es üblich, die Bedingungen zu verharmlosen, die zum Krieg geführt haben.

Jonas, Witten

Zum weiterlesen: „Wir Untertanen. Ein deutsches Geschichtsbuch“ von Bernt Engelmann oder „1914 – Das Ereignis und sein Nachleben“ von Kurt Pätzold.

Dieser Artikel erschien in
POSITION #4/2016
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