Arbeiterkind? Da entlang zur Hauptschule!
Ein angeblich wesentliches Ziel der meisten Parteien in Deutschland ist es allen Kindern gleich gute Bildungschancen zu ermöglichen. „Kein Kind zurücklassen, kein Kind beschämen: Jedes Kind zählt und verdient Unterstützung.“ hieß es etwa 2012 im Landtagswahlkampf der SPD in Nordrhein-Westfalen. Gleichzeitig bekommen wir überall zu hören, wer hart genug arbeite, könne alles erreichen.
In Wahrheit sieht es anders aus: Egal, welche Partei regiert, das Schulsystem in Deutschland sortiert gnadenlos nach der sozialen Herkunft aus und Leistung bringen, können in der Regel nur diejenigen, die es sich leisten können. Sogar die bürgerliche PISA-Studie stellt regelmäßig fest, dass die Möglichkeiten eines Kindes im deutschen Bildungswesen vor allem von Einkommen und Bildung der Eltern abhängen.
Wer ohnehin schon aus prekären Verhältnissen kommt, wird also noch weiter benachteiligt. Kinder aus Arbeiterfamilien bekommen zum Beispiel schon in der Grundschule bei gleicher Leistung schlechtere Noten und Empfehlungen für die weiterführende Schule. Wer aus der arbeitenden Klasse kommt, soll in der arbeitenden Klasse bleiben – und nur so viel Bildung erhalten, wie es nötig ist, um später eine möglichst billige Arbeitskraft zu sein. Und dies, obwohl wir doch eigentlich alle „frei“ und „gleich“ sind. Die Selektion findet statt, weil bei ungleichen Ausgangsbedingungen eine Gleichbehandlung automatisch zu Benachteiligung führt.
Aber auch der Weg aufs Gymnasium bedeutet nicht, dass man Selektion und schlechten Verhältnissen entkommen ist. Die große Mehrheit der AbiturientInnen wird später lohnabhängig sein und in mehr oder weniger unsicheren Umständen leben und arbeiten. Dafür sorgt der Numerus Clausus an der Uni: bestimmte, begehrte Studienfächer, deren AbsolventInnen später gut bezahlt werden, kann man nur mit einem entsprechend guten Abiturschnitt studieren. Und dieser NC liegt inzwischen nicht selten bei 1,0. Für die KonzernbesitzerInnen von morgen spielt das keine Rolle, sie gehen oft ohnehin auf teure Privatschulen und -unis, die sich sonst kaum einer leisten kann.
Die Selektionsmaschinerie läuft also auf der weiterführenden Schule knallhart weiter. Wer dem Leistungsdruck nicht standhält, sich in seinen Problemfächern keine Nachhilfe leisten kann oder permanent aus Geldgründen mit schlechter Ausstattung arbeiten muss, wird fallengelassen oder muss sich mit einem schlechten Schulabschluss zufriedengeben.
Wer keine hochverdienenden Eltern hat, ist also im Nachteil. Gleichzeitig müssen Arbeiter- und Migrantenkinder, in naturwissenschaftlichen Fächern auch Frauen, auch auf der weiterführenden Schule bessere Leistungen bringen, um die gleiche Note zu erreichen, wie Kinder aus akademischen Familien.
Auch wenn es immer wieder Ausnahmen gibt, zeigt sich in der Tendenz doch deutlich: Es wird an deutschen Schulen nicht in erster Linie nach Leistung, sondern nach der Klassenzugehörigkeit sortiert und Topleistungen bringen zu können, ist vor allem ein finanzielles Privileg.
Jonas, Witten