Indien führt den größten Streik der Menschheitsgeschichte durch
Am 02. September 2016 hat sich die größte Streikaktion der Weltgeschichte ereignet. Bereits im Vorjahr hatten schätzungsweise 150 Millionen InderInnen ihre Arbeit niedergelegt, dieses mal sollen es sogar 180 Millionen gewesen sein. Wie kam es dazu?
Bei den Wahlen 2014 erreichte die hindu-nationalistische BJP die absolute Mehrheit. Ihr Spitzenkandidat Narendra Modi inszenierte sich als Modernisierer und versprach der Bevölkerung ein höheres Lebensniveau und die Korruption zu beseitigen. Die neoliberale Kongresspartei, die 1991 radikale Wirtschaftsreformen eingeleitet hatte, wurde abgelöst.
Mehr Armut und mehr Multimillionäre
Schnell nach den Wahlen zeigte sich, wessen Interessen die BJP wirklich vertritt. Die Wirtschaftsreformen im Sinne inländischer und ausländischer Großunternehmen wurden fortgesetzt und sogar verstärkt. Die Privatisierungen führten zu einer Steigerung der Lebensmittelpreise und der Arbeitslosenquote. Die Arbeitsbedingungen in den einzelnen Betrieben haben sich ebenfalls dramatisch verschlechtert. Aussetzungen von Lohnzahlungen und Entlassungen auf Grund gewerkschaftlicher Tätigkeiten stehen auf der Tagesordnung.
Der Wohlstand einiger Superreicher hat sich seitdem allerdings tatsächlich gesteigert. Indien ist auf Platz 5 der Länder mit dem größten Zuwachs an Multimillionären, während 180 Millionen Menschen unter der von der Weltbank festgelegten Armutsgrenze von 1,78 US-Dollar/Tag leben.
Breiter Forderungskatalog
Dass die ca. 500 Millionen starke Arbeiterklasse Indiens streikt, ist dabei nicht neu, der letzte ist bereits der 16. Generalstreik seit 1991. Dass die 10 großen Gewerkschaftsverbände über parteipolitische Grenzen hinweg gemeinsam zum Streik aufrufen, ist jedoch eine neue Qualität. Sie vertreten zusammen knapp 80 Millionen Beschäftigte. Neu ist auch, dass sie sich nicht in Festangestellte und ZeitarbeiterInnen spalten lassen und auch die privilegierten Staatsangestellten nutzen ihre Stellung, um für ihre KollegInnen aus anderen Bereichen zu kämpfen.
Der 12 Punkte umfassende Forderungskatalog wurde lange und breit in der Basis der Gewerkschaften und der Gesellschaft diskutiert und umfasst neben ökonomischen Verbesserungen (Mindestlohn, Basisrente, mehr gewerkschaftliche Rechte) auch politische Ziele, wie z.B. den gleichen Zugang zum Gesundheitswesen, einen Stopp der Privatisierungen vor allem durch ausländische Investoren und eine Beendigung der Investitionsteigerung für Militär und Rüstung.
An Stärke gewonnen
Der Generalstreik am 02. September war gut geplant und vorbereitet, bereits im März hatten sich die einzelnen Gewerkschaften beraten. Auch durch Zugeständnisse der BJP (Einführung eines niedrigen Mindestlohns und Bonuszahlungen für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes) hat sich die Gewerkschaftsfront weder spalten noch stoppen lassen. Der Rückhalt und die Beteiligung von breiten Teilen der Bevölkerung bricht nicht ab. Es sieht so aus, als wenn die Arbeiterklasse in Indien langfristig an Stärke gewinnt.
Tobi, Gießen