Friedensvertrag in Kolumbien unerwartet abgelehnt
Der Schock sitzt tief: Eine knappe Mehrheit der Kolumbianer hat beim Referendum am 2. Oktober den Friedensvertrag zwischen der FARC-Guerilla und der Regierung abgelehnt. Bei einer Beteiligung von mageren 37,4 Prozent der Berechtigten votierten 50,2 Prozent mit „Nein“ und 49,8 Prozent mit „Ja“. Auffällig waren die regionalen Unterschiede: Im Zentrum, wo der Krieg kaum zu spüren ist, wurde das Abkommen abgelehnt. In den ländlichen Landesteilen hingegen, wo die Kämpfe getobt haben, votierte die Bevölkerung mit überwältigender Mehrheit für den Frieden.
Durch das Ergebnis des Referendums ist das südamerikanische Land in eine schwere Krise geraten. Seit 2012 hatten die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens – Armee des Volkes (FARC-EP) in Havanna verhandelt, um den seit 1964 andauernden Krieg zwischen der kommunistischen Guerilla und der Regierung in Bogotá zu beenden. Herausgekommen ist ein knapp 300 Seiten starker Vertrag, in dem sich das Regime verpflichtet, eine Bodenreform durchzuführen und dafür zu sorgen, dass künftig alle politischen Kräfte des Landes sicher und ohne Verfolgung ihre Positionen vertreten können. Die FARC ihrerseits müssen die Waffen abgeben und sich in eine legale Bewegung umwandeln.
Das Referendum war als letzter formeller Schritt des Friedensprozesses gedacht und die FARC hatten in den Tagen zuvor bereits begonnen, erste Waffen abzuliefern. Doch die extreme Rechte hat kein Interesse am Frieden – sie will den Krieg gegen die linke Opposition mit aller Gewalt fortsetzen. Sie agitiert gegen das Abkommen und rief dazu auf, mit »Nein« zu stimmen. Nun fühlt sie sich als Sieger. Die Regierung von Präsident Juan Manuel Santos – der selbst ein Rechter ist – bemüht sich nun um einen Kompromiss mit den Kriegstreibern um Expräsident Álvaro Uribe. Die Guerilla ist dagegen der Meinung, dass die Abstimmung keine juristische Bedeutung habe. Entscheidend sei, dass der Vertrag im September offiziell unterzeichnet wurde. Man werde die eingegangenen Verpflichtungen erfüllen, kündigte der oberste Comandante Tiomoleón Jiménez am 3. Oktober an. Wenige Tage später jedoch hat Präsident Santos den Waffenstillstand auf den 31. Oktober befristet.
Kolumbiens Kommunistische Jugend (JUCO) wertet den Ausgang des Referendums ganz klar als Niederlage, durch die die politische Zukunft des ganzen Landes in Frage gestellt werde. „Aber dies ist nicht die erste Niederlage, die wir in unserer Geschichte des Kampfes für den Aufbau eines neuen Kolumbiens, unseres großen Heimatlandes und des Sozialismus erleiden“, heißt es in einer am 3. Oktober veröffentlichten Erklärung des Jugendverbandes. Nicht einmal in den düstersten Momenten hätten die JUCO und die Kommunistische Partei ihre Ziele aufgegeben. „Heute mehr denn je bekräftigen wir unsere revolutionäre Überzeugung, unsere kommunistische Identität und unseren unerschütterlichen Wunsch, eine bessere Welt aufzubauen“, so die jungen Kommunisten.
André, Augsburg
Wer sind die FARC?
Geschichte der „Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens – Volksheer“
Die „Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia“ (Revolutionäre Streitkräfte Kolumbiens) wurden am 27. Mai 1964 gegründet. Ihre Gründung ergab sich aus dem Bürgerkrieg, der von der Konservativen Partei entfacht wurde. Nach der Ermordung von Jorge Eliécer Gaitán, einem linksgerichteten Präsidentschaftskandidaten der Liberalen Partei kam es im Jahr 1948 zu Massakern an Liberalen, denen zehntausende Menschen zum Opfer fielen. Damit sicherte sich die Konservative Partei ihre Vorherrschaft. Die Gründung einer marxistischen Organisation, die sich militärisch gegen die Angriffe der Großgrundbesitzer zur Wehr setzen konnte, wurde also von den politischen Geschehnissen befördert.
Bewaffneter Widerstand
Danach bewaffneten sich liberale, aber auch kommunistische Selbstverteidigungsgruppen. Der Bauer Pedro Antonio Marín gehörte zunächst zu den liberalen Einheiten. Mit Gleichgesinnten bildete er 1955 in Marquetalia, Riochiquito und Guayabero vom Staat unabhängige Gebiete, die von der Regierung als „Unabhängige Republiken“ bekämpft wurden. Im Rahmen der USA-geführten „Operation LASO“ (Latin American Security Operation) bombardierte das Militär 1964 Marquetalia; die überlebenden 48 Bauern gründeten die FARC, deren Oberster Kommandant P. A. Marín unter dem Decknamen „Manuel Marulanda“ wurde.
Die FARC verschrieben sich als Guerilla einer Strategie des lang andauernden Volkskampfes der Landbevölkerung und standen immer der Kommunistischen Partei in Kolumbien nah. Die FARC sind auf allen Ebenen kommunistisch strukturiert; natürlich unter den Bedingungen des bewaffneten Kampfs. Mit den Jahren entwickelten sich die FARC zwischenzeitlich von einer Guerilla zu einer Militärorganisation, die sich 1982 den Zusatz „Ejército del Pueblo“ (Volksheer) geben konnte.
Dem Druck standgehalten
Kein Land Lateinamerikas hatte für den US-Imperialismus größere Bedeutung – wegen der Bodenschätze, aber vor allem wegen seiner Lage an der Nordspitze Südamerikas mit Zugang zu beiden Ozeanen. Mit dem zunehmenden Druck durch den milliardenschweren „Plan Colombia“ der USA mussten die FARC in den letzten Jahren wieder zu einer erfolgreichen Guerillataktik zurückkehren.
Für die FARC stand der Frieden, für den sie sich gebildet hatten, im Mittelpunkt. Daher führten sie immer wieder Gespräche mit der Regierung, vor allem ab 1984, von 1999 bis 2002 und ab 2012. Da sie trotz Rückschlägen nie besiegt werden konnten, musste die Regierung ihren Gegner letztlich vor der Weltöffentlichkeit anerkennen und unterzeichnete am 26. September 2016 den Friedensvertrag, der am 2. Oktober in einer Abstimmung jedoch abgelehnt wurde.
Die FARC wollten sich nach erfolgreicher Abstimmung in eine unbewaffnete Organisation verwandeln. Ihr Ziel einer gerechten Gesellschaft werden sie weiter verfolgen.
Günter, Hattingen
Günter Pohl ist Mitglied des Vorstandes der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und leitet dort die Internationale Kommission.