Working Whistleblower (POSITION #06/16)

veröffentlicht am: 20 Dez, 2016

Luna* berichtet von ihrer Arbeit in der Systemgastronomie

Als ,,Schlepperin’’ habe ich vor fünf Monaten beim Extrablatt in Siegen angefangen. Zu Beginn habe ich trotz identischer Arbeit mit den KellnerInnen kein eigenes Trinkgeld, sondern ein ‚Schleppergeld’ bekommen. Es wurde Mindestlohn gezahlt, Zuschüsse für Nachtschichten oder Arbeit an Feiertagen gabs nicht.

Meistens habe ich 8-10 Stunden ohne Pause gearbeitet. Bei Schlussdienst war ich also nicht selten von 17 bis 3 Uhr dort, obwohl ich am nächsten Tag Uni hatte. Als ich meine Kassenschulung bekam und zur Kellnerin aufstieg, durfte ich dann ab und an Pausen machen und mein Trinkgeld behalten. 2,5% des eigenen Umsatzes ging jedoch an Küche und Theke. Allerdings erfuhr ich, dass das Personal dort im vorherigen Monat kein Trinkgeld bekommen hatten, da ihre Arbeitsleistungen angeblich nicht ausreichend waren. Ich wusste, dass das nur ein Vorwand war, denn viele in der Küche waren schwarz arbeitende Geflüchtete, ohne jeden Schutz vor der Chefin.

Unerwartet bestellte mich meine Chefin eines Tages ins Büro. Es müsse mal wieder frischer Wind ins Team und deshalb müsse sie sich von Einigen verabschieden. Ich sei eine davon. Auf die Frage nach dem Grund hieß es, dass sie mir den nicht geben müsse und ich ja sowieso den Arbeitsvertrag nie bekommen hätte. Mir fristlos und grundlos zu kündigen sei deshalb in Ordnung.

 

Mark* ist 23 Jahre alt und macht eine Ausbildung bei Continental

Während meiner Tätigkeit in der Jugend- und Auszubildendenvertretung (JAV) stellten wir fest, dass es seit mehreren Jahren keine Erhöhung der Essenszuschläge für die Azubis mehr gegeben hatte. Und das, obwohl eine konzernweite Vereinbarung sagt, dass die Zuschläge entsprechend dem Anstieg der Essenskosten zu erhöhen seien. Dies war nicht nur in unserem Betrieb, sondern auch bei vielen der anderen Standorte der Fall.

Die Auseinandersetzung um die Erhöhung war mit einem Kraftakt für viele von uns verbunden. Vor allem die Kollegen aus dem Betriebsrat legten uns dabei schwere Steine in den Weg, da sie als „Sozialpartner“ eher auf der Seite der Unternehmensleitung stehen. So musste unser JAV-Vorsitzender seinen Arbeitsplatz räumen, da er durch eines der Betriebsratsmitglieder zwangsversetzt wurde. Wir wurden außerdem mit Personalgesprächen konfrontiert, die darauf abzielten, uns mit teilweise haltlosen Vorwürfen einzuschüchtern.

Wir haben uns in der Zeit oft getroffen, um zu besprechen wie wir mit der Lage umgehen und um klar zu machen, dass wir zusammen halten.

Gemeinsam mit unserem JAV-Vorsitzenden, der auch auf Konzernebene aktiv ist, schafften wir es, dass die Vorgabe in allen Betrieben wieder umgesetzt wurde. Für die meisten Azubis gab es so mehr Geld für die Butter auf dem Brot. Durch den Kampf wissen wir genau auf welcher Seite wir stehen: auf der der Belegschaft und nicht der Leitung.

 

*Die Namen wurden auf Wunsch durch die Redaktion geändert

Dieser Artikel erschien in
POSITION #6/2016
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