Mit dem Smartphone zur Truppe: Über die YouTube-Serie „Die Rekruten“
Fünf Jahre ist es her, dass die Wehrpflicht ausgesetzt und die Bundeswehr zu einer Berufsarmee wurde. Seitdem hat sie Probleme, mit denen auch zivile Arbeitgeber der Politik in den Ohren liegen: Sie finden kein qualifiziertes Personal. Oder noch schlimmer: Es fehlt überhaupt an jungen Leuten, die zum Bund wollen.
Aber Kriegsministerin von der Leyen hat die Zeichen der Zeit erkannt und eine Charme-Offensive in Sachen Arbeitnehmerfreundlichkeit gestartet. Die Propaganda gibt es oben drauf: zwölf junge „Rekruten“ berichten in einer Webserie über die dreimonatige Grundausbildung. Ziel ist es, uns, die YouTube-Generation als Kanonenfu…äh Bürger in Uniform für die Kriege von morgen zu rekrutieren. Rund acht Millionen Euro lässt die Bundeswehr uns das kosten.
Gut gemacht
Die Anleihen beim bekannten Trash-TV sind unübersehbar. Das aufgenommene Material wird per Postproduction so aufbereitet, dass vom Lacher, über die Entwicklung der einzelnen Personen, bis hin zu emotionalen Momenten genug Schmackes hinter die kurzen, schnell geschnittenen Szenen gepackt ist.
Horror-Musik und Schwarzweiß-Filter umrahmen ein bei der Stubeninspektion gefundenes Schamhaar, Zeitlupe und emotionale Klaviermusik verleihen dem Fortgang von Matrose Palme gebührende Tiefe. Leider entsteht dabei nicht selten der Eindruck, dass sich die Produzenten in den ersten Folgen auf Kosten der Jugendlichen lustig machen oder ihre Fehler bei den strengen Verhaltensegeln breittreten.
Erfolgreiche Online-Soap
Das Youtube- und Vlog-Feeling entsteht durch die Legria-Kamera mit ihrem Bullaugeneffekt. Oftmals sehr nah am Gesicht abgefilmte Szenen fokussieren persönliche Gedanken und Gefühle. Dadurch wird nicht nur eine Bindung der Zuschauer zu den Rekruten aufgebaut. Auch entsteht bei ernsten Themen wie der 22-Push-Up-Challenge für die Opfer von PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) oder dem Erstkontakt mit der Waffe der Eindruck, dass die Bedenken, Überlegungen und Wünsche nur individuell geäußert werden. Bis jetzt hat man die Jungs und Mädels selten wirklich miteinander darüber reden gesehen, welchen Sinn ihr Dienst hat oder wofür sie eigentlich kämpfen.
Die Serie ist mit einer viertel Millionen Abos und fast 17 Millionen Clicks ein voller Erfolg. Viele Kommentare deuten darauf hin, dass vor allem sehr junge Menschen sich von der Serie angesprochen fühlen und jetzt Bock haben, zur Bundeswehr zu gehen. Das, in Kombination mit der Ansage von von der Leyen auch Menschen ohne Hauptschulabschluss zuzulassen, zeigt, dass jetzt ganz offiziell Jagd auf Minderjährige gemacht wird – vor allem wenn sie keine Perspektive haben.
Alan, Siegen