Eine gewöhnliche Betriebsversammlung bei BOSCH?
Fast alle Azubis unseres Werks sitzen zwischen den ca. 400 ArbeiterInnen und hören den Berichten der Werksleitung zu. Unerwartet kündigt die Betriebsleitung einen neuen Ausbildungsberuf an: Die zweijährige Schmalspurausbildung zur Fachkraft für Metalltechnik. Sie sagen, sie wollen hiermit auch HauptschülerInnen eine Chance auf eine qualifizierte Ausbildung geben. Am Ende der Betriebsversammlung geht einer von uns ans Mikrophon und fragt die Geschäftsleitung, wie sie denn eine hochwertige Ausbildung in zwei Jahren anbieten wollen und ob es da nicht eher um Sparmaßnahmen gehe. Von den Führungskräften gibt es kein Statement dazu, aber Beifall von der Belegschaft.
Das Thema war danach noch lange Gesprächsstoff in der Lehrwerkstatt und wir haben beschlossen, dass wir gegen die Sparmaßnahme aktiv werden müssen. Uns war klar, dass wir das nur gemeinsam mit den KollegInnen des ganzen Werks schaffen können. Für die nächste Betriebsversammlung sollte also eine Präsentation entstehen, die den ZuhörerInnen verständlich macht, weshalb die Ausbildung für uns alle Nachteile hat. Als der Betriebsrat davon hörte, war er hellauf begeistert. Wir haben sofortige Unterstützung zugesagt bekommen und den vordersten Platz in der Power-Point-Präsentation des Betriebsrats für die nächste Betriebsversammlung.
Lohndrückerei? Nein danke!
Zweimal haben wir uns getroffen und Argumente und Fakten zusammen getragen, die wir bei BerufsschullehrerInnen, anderen Betrieben und der Gewerkschaft gesammelt hatten. Zusammen konnten wir so ziemlich schnell widerlegen, dass soziale Motive hinter dem neuen Ausbildungsberuf stehen. Eigentlich soll während und nach der Ausbildung Geld gespart werden, indem man die Menschen kürzer ausbildet und danach schlechter bezahlt. Das wird das Lohnniveau im ganzen Werk langfristig senken. Wir sind uns sehr schnell einig gewesen, dass natürlich auch HauptschülerInnen eine Chance auf einen Ausbildungsplatz bei uns bekommen sollen. Aber in den 3,5-jährigen Ausbildungsberufen und nicht als LohndrückerInnen. Das würde den Konkurrenzdruck nur erhöhen und das Klima in unserer Ausbildungswerkstatt und im ganzen Betrieb würde dadurch schlechter werden. Von unseren BerufsschullehrerInnen wurden diese Vermutungen bestätigt und auch Gewerkschafter sagten uns, dass es bisher nur Ärger mit diesen Ausbildungen gab. Wir erfuhren vom Betriebsrat, dass unser Werk eine negative Vorreiterrolle bei BOSCH einnehmen solle. Die Schmalspurausbildung könnte also bald zur Regel werden.
Lob von der Belegschaft – Böse Blicke von der Leitung
Das muss verhindert werden und wir waren nun gut gerüstet für die kommende Betriebsversammlung. Zunächst hatten wir geplant, dass alle Auszubildenden mit uns auf die Bühne kommen und jeder ein Argument vorträgt. Unsere KollegInnen fanden unser Vorhaben zwar sehr gut, aber nicht alle trauten sich vor der versammelten Belegschaft auf die Bühne. Die Zukunftsängste sind einfach zu groß und gerade die Azubis, die noch in der Probezeit sind, haben Angst vor einer Kündigung, andere davor nach der Ausbildung nicht übernommen zu werden. Dennoch standen wir mit zehn Azubis auf der Bühne und ernteten während und auch noch nach der Versammlung großes Lob. Sogar ein Ausbilder kam zu uns und sagte, dass wir das sehr gut gemacht haben. Nur die Betriebsleitung war ganz still und funkelte nur böse in unsere Richtung. Sie hatten keine Worte für uns übrig, aber das war uns Beweis genug, dass wir genau ins Schwarze getroffen hatten. Diese Runde geht an uns und das nächste Mal stehen wir mit 20 Leuten auf der Bühne, denn der Kampf gegen die Sparmaßnahmen in unserer Ausbildungswerkstatt ist noch lange nicht gewonnen.
Carlos, Carolin und Kalle*
*Alle drei machen eine Ausbildung bei BOSCH und wollen ihren Klarnamen hier nicht lesen, da sie Angst haben, dass ihnen dann gekündigt wird.