Der Staatssumbau und die Klassenkämpfe in der Türkei
Als im Juni 2013 anlässlich eines Bauprojekts im Gezi-Park in Istanbul in der ganzen Türkei Proteste ausbrachen und sich Millionen gegen das autoritäre Regime der AKP engagierten, blickten viele Menschen voller Hoffnung und Sympathie auf die Türkei. Heute, fast vier Jahre später, scheinen alle diese Hoffnungen bitter enttäuscht worden zu sein. Statt dem von vielen erhofften Aufbruch für demokratische und soziale Rechte beobachten wir in der Türkei einen rasanten Umbau des Staates hin zu einer offenen Diktatur.
Zentrale Figur des Regimes ist Präsident Recep Tayyip Erdoǧan, aber dahinter steht letzten Endes die Klasse der türkischen Unternehmer, die das AKP-Regime als Garanten ihrer Profite unterstützen. Denn Erdoǧans Regierung hat seit ihrem Machtantritt 2003 umfangreiche Privatisierungen und Liberalisierungen zugunsten der Konzerne durchgesetzt.
Repression gegen alle GegnerInnen
Seit einigen Jahren verfolgt die Regierung aber nun einen von der EU und den USA unabhängigeren Kurs, mit einer relativ eigenständigen regionalen Großmachtpolitik, einem autoritären Regierungsstil und einer Staatsideologie, die eine Mischung aus türkischem Nationalismus und konservativem sunnitischem Islam darstellt.
Als dann im Juli 2016 Teile des Militärs in einem schlecht geplanten Putsch versuchten, Erdoǧan abzusetzen, nutzte dieser die günstige Gelegenheit: Er ließ den Ausnahmezustand ausrufen und damit de facto eine Diktatur errichten. Vermutlich etwa 100.000 Menschen wurden verhaftet oder aus dem Staatsdienst, der Armee, den Schulen und Universitäten entlassen. Regierungskritische Medien wurden geschlossen. Obwohl die Regierungspropaganda den Putsch der islamisch-konservativen Gülen-Bewegung anlastet, nutzt sie ihn schamlos als Vorwand, um die prokurdische und sozialdemokratische Oppositionspartei HDP zu unterdrücken und ihre Führung zu inhaftieren.
Gegen das Festschreiben der Diktatur
Gleichzeitig soll auch die Verfassung in Richtung einer Präsidialdiktatur umgebaut werden. Künftig soll der Präsident und nicht mehr der Regierungschef die Regierung leiten, außerdem die Minister auswählen, das Parlament jederzeit auflösen können und die Justiz kontrollieren. Damit soll Widerstand in Zukunft leichter zu brechen sein. Doch der Widerstand hält an: Die PKK verteidigt die Minderheitenrechte der Kurden, verbreitet aber auch die Illusion, durch lokale Selbstverwaltung und durch rein politische Auseinandersetzungen die Probleme der Volksmassen lösen zu können.
Revolutionäre Kräfte wie die Kommunistische Partei (TKP) hingegen wissen, dass nicht allein der Sturz der AKP-Regierung eine Gesellschaft der arbeitenden Menschen und der Völker der Türkei und Kurdistans mit sich bringen wird. In einer aktuellen Erklärung stellt sie fest, dass die Entscheidung um das Verfassungsreferendum jedoch in einem Prozess stattfindet, in dem der Despot Erdogan seine Machenschaften mit dem Schiksaal des Landes aufs Spiel setzt. Deswegen werden sie sich nicht nur mit einem „Nein“ zur Verfassungsänderung zufrieden geben, sondern auch die Arbeiterklasse für den Kampf organisieren. Auch wenn die AKP-Regierung mit dem Referendum ein falsches Spiel spielt, werden die Kommunisten ihre klare Haltung an einem „Nein“ nicht ändern.
Thanasis, Tübingen