Über einen der wichtigsten Begriffe unserer Zeit
„Bourgeoisie“ kommt aus dem Französischen und bedeutet Bürgertum. Im Mittelalter war dies ein Titel, den man mit Geld erwarb. Eingetragene Bürger hatten mehr Rechte als normale Stadtbewohner. Allerdings mussten sie besitzen und waren somit wohlhabender. In der Entwicklung der Gesellschaft und der Produktivität wurde die Klasse der Bourgeoisie einflussreicher. Sie war treibende Kraft für die Entstehung der Manufaktur und später der industriellen Produktion, denn sie besaß früh die industriellen Produktionsmittel. Mit wachsender Industrie wuchs auch der Einfluss der Bourgeoisie.
Doch die Verhältnisse im zersplitterten Mitteleuropa, mit unzähligen Einheiten, Währungen und Zöllen, schränkte die Bourgeoisie im Wachstum ihres Besitzes und Einflusses ein. Nicht ohne Grund trägt die bürgerliche Revolution schließlich ihren Namen – das Bürgertum war, getrieben von ihrem Interesse nach Wachstum, die drängende Kraft zur Zerschlagung des Feudalismus.
Zwischen Fortschritt und Bremsklotz
Mit der bürgerlichen Revolution gelang der Bourgeoisie der Durchbruch. Sie wurde von der besitzenden Klasse zur herrschenden. Im freien Konkurrenzkampf des Kapitalismus entwickelte sich die Produktion des einen Bourgeois schneller, die andere langsamer. Durch Verbesserung der Produktion, Aufkäufe von weiteren Produktionsanlagen, Sabotagen und vor allem Krisen wurden die starken Bourgeois immer stärker. Sie verdrängten ihre Konkurrenten. Über Jahrzehnte wurden Kleinbetriebe zu großen Konzernen und konzentrierten ihren Besitz, ihren Einfluss und die Produktion in kleiner werdenden Kreisen. Der Kapitalismus ging in dieser Zeit in ein neues Stadium. Aus der freien Konkurrenz der Kleinbetriebe waren große Konzerne hervorgegangen. Diese hatten die Märkte aufgeteilt und Einflusssphären abgesteckt. Sie wurden zu Monopolen; ihre Besitzer zur Monopolbourgeoisie. Der Kapitalismus verwandelte sich zum Monopolkapitalismus, dem Imperialismus.
Wofür brauchen wir die Bourgeoisie?
Der Kapitalismus hat seinen historischen Auftrag erfüllt. Er entwickelte die Produktivkräfte und konzentrierte die Produktionsmittel. Seine Zerstörung ist jedoch längst überfällig. Doch mit allen ideologischen, ökonomischen und militärischen Mitteln krallt sich die Bourgeoisie an ihre Macht. Deswegen werden funktionierende Autos verschrottet, Kriege geführt, Ressourcen verschwendet oder gar Leben für ihre Profite geopfert. Hauptsache, der Kapitalismus lebt. Die wesentliche Frage, die wir uns stellen müssen, ist: Wofür brauchen wir die Bourgeoisie? Sie ist verantwortlich für Lohnkürzung, Sozialabbau und Krieg. Weder in der Produktion noch in der Verwaltung spielt sie eine Rolle. Sie lebt im Wohlstand, vererbt ihren Reichtum von Generation zu Generation weiter. Ihr Wohlstand wird aber nicht von ihnen produziert. Es ist die Arbeiterklasse und die werktätigen Schichten unserer Gesellschaft, die diesen Reichtum erwirtschaften. Es ist an der Zeit, diesen Wohlstand allen werktätigen Menschen zu geben!
Auf diesen Seiten fragen wir uns: Wer ist eigentlich diese Bourgeoisie?
Familie Quandt
Die Geschichte der Familie Quandt ist lang. Im 19. Jahrhundert waren die Quandts industrielle Tuchfabrikanten. Im ersten Weltkrieg produzierten ihre Firmen Textilien für die Reichsarmee. Später übernahmen sie VARTA (Batterieproduktion) und MAUSER (Waffen- und Munitionsproduktion). Im dt. Faschismus wurde Günther Quandt Wehrwirtschaftsführer. Die Quandts profitierten vom Eroberungskrieg des faschistischen Deutschlands, in welchem sie lukrative Fabriken enteignen ließen und übernahmen. Interessant sind die Verbindungen zwischen ihnen und den dt. Faschisten, welche sich an Parteispenden, Gesprächen und Gefälligkeiten festmachen lassen. Bezeichnend ist aber, dass die Frau von Goebbels die Ex von Günther Quandt ist. Es ist anzunehmen, dass sie nicht nur wirtschaftlich und politisch verbunden waren, sondern auch privat.
In vielen Fabriken der Quandts wurden KZ-Häftlinge zur Arbeit gezwungen, dennoch wurde niemand nach der Befreiung vom Faschismus verurteilt. Im Gegenteil: sie durften unbehelligt weiter ausbeuten, trotz ihrer aktiven Teilnahme am Faschismus, dem profitablen Geschäft mit Rüstungsgütern und Mordprodukten.
Heute machen die Quandts ihr Geld hauptsächlich mit BMW, Pantoprazol, Kohlefaser und Windanlagen. Ihr Gesamtvermögen wuchs von 2015 auf 2016 von 31 Mrd. Euro auf ca. 36 Mrd. Euro und vermehrt sich stetig weiter. Allein BMW machte 2015 einen Gewinn von 6,4 Mrd. Euro.
Familie von Siemens
Aus dem reichen Adel des Feudalismus entstand im 18. Jahrhundert die Unternehmerfamilie von Siemens. Werner von Siemens gründete Mitte des 19. Jahrhundert den Siemens Konzern. Sein Neffe Georg von Siemens war Gründungsdirektor der Deutschen Bank. Im deutschen Faschismus, befördert durch Aufrüstung und Krieg, wuchs der Siemens Konzern zum größten Elektrotechnik-Hersteller der Welt. Die ehemaligen Stammproduktionsanlagen in Berlin umfassten einen gesamten Ortsteil in Spandau: die Siemensstadt. Auch in ihrer europaweiten Produktion wurden KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene zur Arbeit gezwungen. Mit vollen Auftragsbüchern wurden während des faschistischen Krieges in ganz Europa neue Produktionsstätten aufgebaut um „kriegswichtige“ Geräte profitabel zu produzierten.
Siemens produziert heute noch Automatisierungs- und Steuerungstechnik, Züge, Lokomotiven, medizinische Geräte und Rüstungsprodukte. Eines der bekanntesten Produkte ist wohl der InterCity Express (ICE), der bei der Deutschen Bahn eingesetzt wird. Die Siemens AG ist derzeit die treibende Kraft in der sogenannten „Industrie 4.0“ und bereitet weitere Angriffe auf die arbeitenden Menschen vor. Die Familie von Siemens verdient ihr Geld mit den Anteilen an der Siemensaktie und der Siemensstiftung. Ihr Vermögen wird auf etwa 5 Mrd. Euro geschätzt. Der Siemenskonzern machte 2015 rund 7.5 Mrd. Euro Gewinn.
Familie Bosch
Die Marke Bosch kennt vermutlich jeder, der schon einmal eine Bohrmaschine benutzt hat oder einen Kühlschrank kaufen wollte. Robert Bosch gründete diesen Konzern im 19. Jahrhundert und produzierte damals Magnetzünder für Motoren. Im deutschen Faschismus ließ die Robert Bosch GmbH KZ-Häftlinge und Kriegsgefangene in Tochterfirmen Rüstungsgüter produzieren.
Der Neffe von Robert Bosch, Carl Bosch, war Entwickler des Haber-Bosch-Verfahrens, mit dem heute noch Ammoniak für die Industrie gewonnen wird. Viel bemerkenswerter ist jedoch sein politisches Engagement als BASF Vorstand in der Weimarer Republik. Er war die treibende Kraft zur Gründung einer Interessensgemeinschaft der chemischen Industrie. Bekannt wurde diese unter dem Namen I.G. Farben, die zum größten Chemiekonzern der Welt wurde. Unter der Führung von Carl Bosch wurde ein riesiges Konzernsyndikat aus BASF, Bayer, AGFA und vielen anderen aufgebaut. Das prominenteste Produkt war Zyklon B, die Massenvernichtungswaffe in den Gaskammern der deutschen Konzentrationslager. Mit jedem Mord klingelte die Familienkasse.
Heute vergrößern sie ihr Vermögen mit der Robert Bosch Stiftung. Nach Außen geben sie sich spendabel, nach innen hart. Derzeit laufen in fast allen Bosch-Werken Rationalisierungswellen, um das Vermögen der Familie zu erweitern. Ihr Vermögen wir derzeit auf 3 Mrd. Euro geschätzt. Der Bosch Konzern machte 2015 etwa 4,6 Mrd. Euro Gewinn.
Die Monopolbourgeoisie
Es gibt noch viele weitere Familien, die über Jahrhunderte hinweg ihre Macht verstärkten und ihren Reichtum ausbauen konnten. Viele von ihnen haben von den mörderischen Machenschaften im deutschen Faschismus profitiert. Manche von ihnen aktiv, indem sie die faschistische Partei unterstützten oder ZwangsarbeiterInnen produzieren ließen. Manche passiv, indem sie sich über volle Auftragsbücher freuten. Einige Familien sind erst nach dem Faschismus zur Monopolbourgeoisie aufgestiegen, doch auch sie profitierten vom Krieg und den daraus resultierenden, neuen Absatzmärkten.
Wichtig dabei ist, dass diese Familien den größten politischen Einfluss in unserer kapitalistischen Gesellschaft haben. Es sind die Thyssens, von Siemens, Porsches, Henkels oder Quandts, die täglich unsere Rechte beschneiden und den Fortschritt bremsen. Sie zögerten damals nicht, die bürgerliche Demokratie mit Füßen zu treten, Menschen zu knechten, auszuhungern und töten zu lassen. Sie werden es auch in Zukunft für ihre Profite tun, wenn wir sie nicht daran hindern.
Tim, Göttingen