Was bedeutet antimilitaristische Arbeit für uns?
Wir haben mit Jan als SDAJ-Bundesvorsitzendem über die Rolle des deutschen Imperialismus, Rüstungsexporte, ständig steigende Wehretats und mögliche Gegenwehr gesprochen.
POSITION: Die SDAJ hat in den vergangenen zwölf Monaten eine Kampagne gegen Militarismus und Krieg gemacht. Warum?
Jan Meier: Wir haben vor unserem Bundeskongress lange diskutiert und auf dem Kongress letztlich gemeinsam eingeschätzt, dass der deutsche Imperialismus relativ erfolgreich versucht seine Macht auszubauen. Das bedeutet, dass Deutschland innerhalb internationaler Bündnisse wie der NATO und den Vereinten Nationen eine größere Rolle spielt und gleichzeitig die weltpolitische Bedeutung der vom deutschen Imperialismus dominierten EU, sowie deren Militärapparat, weiter ausgebaut wird. Damit einher gehen auch eine Ausweitung der Bundeswehreinsätze und eine umfassende Militarisierung der Gesellschaft.
Und haben sich die Einschätzungen bestätigt?
Jan: Ja, leider. Heute stehen wieder deutsche Truppen an der russischen Westgrenze – als sogenannte NATO-Speerspitze gegen Russland. Die Bundesregierung hat ein 130 Mrd.€ teures Hochrüstungsprogramm aufgelegt und der allgemeine Kriegsetat soll auf 60 Mrd.€ verdoppelt werden. Nach der Wahl Trumps wurde sofort eine stärkere Zusammenarbeit bei der Aufrüstung und Rüstungsforschung in der deutsch dominierten EU vereinbart. Außerdem soll es eine zunehmende militärische ‚Kooperation‘ zwischen den EU-Staaten geben – selbstverständlich unter deutschem Befehl.
Was für Ansätze gibt es, um Jugendliche gegen all das in Aktion zu bringen?
Jan: Wir Jugendliche haben kein Interesse an Krieg. Für Rüstung ist immer genug Geld da, auch wenn sonst überall gekürzt wird. Wenn z. B. die Beschäftigten der Länder – wie vor kurzem – mehr Lohn fordern, wenn Schülerinnen und Schüler mehr Geld für Bildung wollen, wenn es um Investitionen in günstigeren und besseren Nahverkehr geht oder um Ausbildung und Übernahme im Öffentlichen Dienst – immer heißt es „die Kassen sind leer.“ Bei Krieg und Rüstung zu sparen oder das Geld bei den 36 Milliardären in Deutschland zu holen, die zusammen mehr besitzen als die Hälfte aller in Deutschland lebenden Menschen, auf diese Idee kommt von SPD bis AfD niemand. Diese Parteien sind alle den Interessen des großen Kapitals verpflichtet. Das wird ja auch offen zugegeben: Sichere Handelswege, Absatzmärkte und Einfluss in aller Welt sind nötig, um die Profite der deutschen Banken und Konzerne zu realisieren. Gegen all das haben wir entschieden gemeinsam aktiv zu werden.
Die Kriege sind nicht beendet, die Aufrüstung nicht gestoppt. Sind das nicht ein bisschen große Ziele gewesen?
Jan: Natürlich werden wir nicht von heute auf morgen so viel politischen Druck erzeugen können, um die Bundesregierung zu zwingen einen geplanten Kriegseinsatz oder die weitere Hochrüstung zu stoppen. Aber wenn man die Kriegstreiber in diesem Land stoppen will, muss man mehr Leute gewinnen und muss vermitteln, dass man überhaupt was gegen Krieg tun kann und muss.
Und wie funktioniert das?
Man kann und soll imperialistische Krieg aus moralischen Gründen ablehnen. Es sterben Unschuldige, sie bringen unendliches Leid, zwingen Menschen zur Flucht, vernichten ganze Weltregionen. Dabei dürfen wir aber nicht stehen bleiben. Wer Kriege verhindern will, muss verstehen warum es sie gibt. Wir haben aufgezeigt, dass es Menschen gibt, die ein Interesse an Krieg haben. Das ist zum Beispiel die Rüstungsindustrie von ThyssenKrupp über Krauss-Maffei Wegmann bis Siemens, das sind aber auch Kriegslogistiker wie DHL oder es ist die Deutsche Bank, die bei einem Großteil der Rüstungsexporte über Kredite mitverdient. So lässt sich an vielen Beispielen zeigen: Die Banken und Konzerne brauchen den Krieg und die Politiker setzen das für sie um. Gleichzeitig verweigern sie uns gute Bildung, bessere Ausbildungsvergütung, Übernahme im erlernten Beruf etc. Krieg ist eine Klassenfrage: Die Herrschenden brauchen ihn und wir sollen ihn bezahlen – im Zweifel auch mit unserem Leben, denn keiner von den Konzernherren oder Politikern steht ja selbst an der Front.
Und was bedeutet das für uns Jugendliche?
Es heißt, Kriege nicht nur abzulehnen, sondern auch selbst dagegen aktiv zu werden. Wir müssen immer wieder darauf hinweisen, dass es ein riesiger Skandal ist wie viele Milliarden in den Rüstungsbereich gesteckt werden – und dass es einen Grund hat. Der liegt in diesem Wirtschaftssystem, das Kriege notwendigerweise braucht. Es geht um die weltweite Konkurrenz von Unternehmen und die mit ihnen verbundenen Staaten um Einflussregionen, um Rohstoffe, Märkte und Handelswege. Alle Kriege der letzten Jahre belegen das: Afghanistan, Irak, Libyen oder Syrien. Immer geht es um geostrategische Interessen, um Einfluss, um Öl, um bessere Investitionsbedingungen – also letztlich immer um Profit.
Das sind viele schöne Worte. Was ist denn zum Beispiel dagegen gemacht worden?
In Tübingen wurde darauf aufmerksam gemacht, dass das Rüstungsunternehmen Heckler&Koch zu den Top fünf der weltweiten Kleinwaffenhersteller gehört. Es gibt kaum ein Land auf der Welt, in dem Polizei, Armee oder Milizen nicht mit Waffen von H&K ausgestattet wären. Und an jedem einzelnen Gewehr und jedem neuen Krieg verdient am Ende Andreas Heeschen, Mehrheitseigner von H&K. Das ist natürlich nur eine Aktion. Insgesamt haben wir in ganz Deutschland weit über 100 Aktionen durchgeführt – solche wie in Tübingen, aber auch Störaktionen gegen Auftritte der Bundeswehr, antimilitaristische Stadtrundgänge oder Veranstaltungsreihen z.B. zum Afghanistan-Krieg. Wir haben dutzende Fotoaktionen durchgeführt, bei denen sich viele Jugendliche mit ihrem persönlichen Statement gegen Krieg fotografiert haben, wir haben circa 2.500 Unterschriften für unseren Jugendaufruf „Krieg? Nicht in unserem Namen!“ gesammelt und dabei viele interessante Diskussionen geführt. In einigen Städten ist es uns gelungen Offene Antikriegstreffen aufzubauen, um ein Angebot für Jugendliche zu schaffen, um selbst aktiv zu werden. Nicht zuletzt haben wir uns an den großen Demonstrationen der Friedensbewegung im Oktober in Berlin gegen die Aufrüstungspläne der Bundesregierung und im Februar in München gegen die NATO-Kriegskonferenz beteiligt und lautstarke Jugendblöcke organisiert.
Das Interview führte Tobi, Gießen