Zur aktuellen Situation in Venezuela

veröffentlicht am: 30 Jul, 2017

Hierzulande fordern das Gros der politischen Parteien der BRD und die bürgerlichen Medien in den letzten Tagen als Konsequenz der G-20 Proteste repressive Maßnahmen gegen „linken Chaoten“, während sie gleichzeitig militante Proteste und vermeintliche Freiheitskämpfer in Venezuela bejubeln. Diese Doppelzüngigkeit beruft sich auf die unterschiedliche Legitimität der Forderungen, der Kritik und der Gewalt der Protestierenden. Die venezolanische Opposition sei unermüdlich, tapfer und rechtmäßig gegen die undemokratische Diktatur; und die sich gegen die G20 Auflehnenden seien wild gewordene Wahnsinnige, die sich nicht in diese schöne Ordnung fügen wollen. Diese Heuchelei baut auch auf das Unwissen, das über die Zustände in Venezuela hierzulande herrscht. Wir möchten über diese aufklären, um dem leichten Spiel der hiesigen Medien ein Ende zu bereiten.

In der venezolanischen Hauptstadt Caracas reißen die Auseinandersetzungen zwischen oppositionellen Demonstranten und den Sicherheitskräften nicht ab. Nahezu täglich erreichen uns

Nachrichten von Getöteten und Verletzten. Für Springer-Presse und Co. scheint die Sache klar zu sein: Die gängige Lesart der Auseinandersetzungen beschreibt einen sozialistischer Diktator, der sich mit brutaler Gewalt an die Macht klammert und der die Proteste seiner Bevölkerung niederschlagen lässt, die sich gegen Hunger und Korruption auflehnt. Keinen Platz in diesem Narrativ haben die zehntausenden Venezolaner, die auf der anderen Seite, als Unterstützer der Regierung, in den vergangenen Wochen auf den Straßen demonstrierten. Im Zuge der realen Versorgungsengpässe wird auch immer wieder von Seiten der Opposition oder bürgerlicher Medien darauf hingewiesen das man daran doch klar sehen kann das die Regierung unfähig sei auch nur grundlegende Bedürfnisse der Bevölkerung zu erfüllen. Ausgelassen wird dabei der Umstand das die Lebensmittelindustrie und andere Zweige der Wirtschaft nicht einmal verstaatlicht sind, sondern zum Großteil aus freien Unternehmen bestehen. Tatsächlich existiert ein hohes Maß an Korruption im Allgemeinen. Viele der Essenspakete, die zu staatlich geförderten Preisen an die Bevölkerung verteilt werden, verschwinden und tauchen überteuert auf dem Schwarzmarkt wieder auf. Aber auch hier werden von Seiten der Regierung Maßnahmen getroffen um dem entgegenzuwirken, behindert werden sie dabei von den Unternehmen, die bewusst nicht nur Waren zurückhalten, sondern diese auch immer wieder teurer verkaufen oder vereinzelt zerstören um so politischen Druck aufzubauen.

Im Kontext der Geschehnisse in Venezuela lohnt es sich einen Blick auf die in Deutschland medial und politisch so gefeierte Opposition zu werfen. Deren Führer Henrique Capriles und Leopoldo López stammen aus den reichsten und einflussreichsten Familien Venezuelas und waren beide zumindest indirekt in den gescheiterten Militärputsch von 2002 involviert. In Caracas stammt ihre Basis zum Großteil aus den Vierteln des vornehmlich weißen Bürgertums und der relativ wohlhabenden Mittelschicht. In diesen Vierteln, die von der Opposition regiert werden, finden auch die Proteste statt, während es in den Armenvierteln entweder weitgehend ruhig ist oder es zu Gegendemonstrationen kommt. Als Hugo Chavez Präsident wurde, hat man sich von der Seite der Opposition über seine indigenen und afrikanischen Wurzeln lustig gemacht, unter anderem indem man ihn regelmäßig als „Affen“ verhöhnte. Diese Opposition hat kein Problem damit, dass die venezolanische Sozialdemokratie 1989 mehrere tausend Leute während des sogenannten Caracazo erschießen ließ nachdem es zu sozialen Protesten kam – heute schreit sie aber lauthals auf und spricht von Massakern. Leuten wie Capriles und Lopez geht es nicht um den Erhalt von Frieden und um die Verminderung von Leid, sondern in erster Linie darum ihre gesellschaftliche Stellung zu halten, die sie von der Regierungspolitik bedroht sehen. Für die Sicherung dieser Privilegien, benutzt sie auch die Unzufriedenheit der Leute, die Verschlechterung ihrer Lage bemerken, und die Schuldigen nicht kennen.

Denn in dem einst von Hugo Chavez eingeleiteten Bolivarischen Prozess erkämpften sich die bis dahin marginalisierten Massen umfassende soziale Verbesserungen wie auch mehr politische Mitbestimmung und umfangreiche Bildungsprogramme. Ohne grundsätzlich die Eigentumsverhältnisse in Frage zu stellen, wurden die Öleinnahmen verstaatlicht und zur Volksversorgung eingesetzt. Widerstand kam damals und heute nicht nur von der heimischen Bourgeoisie, sondern vor allem auch von den USA, ebenso die EU zeigte sich im Angesicht der Veränderungen besorgt. Die Folgen davon sind bis heute andauernde Sanktionen von außen und Sabotage von innen, verbunden mit dem Versuch über internationalen Druck und Unterstützung oppositioneller Kräfte einen Wandel zu erzwingen. Den Versuch, diese Errungenschaften zunichte zu machen und deren Intensivierung zu verhindern, das ist das oberste Ziel dieser Opposition.

Vollkommen ignoriert wird auch die Tatsache, dass sich innerhalb der Opposition zunehmend terroristische Elemente durchsetzen. Ende Mai übergossen Oppositionelle den 21-jährigen Orlando Figuera mit Benzin und steckten ihn anschließend in Brand. Der Grund: Wegen Figueras schwarzer Hautfarbe hielt man ihn für einen Anhänger der Regierung. So wie Figuera erging es bereits dutzenden echten oder vermeintlichen Unterstützern des Bolivarischen Prozesses, die regelrecht gelyncht worden sind. Anhänger der Opposition verübten außerdem Anschläge auf Parteigebäude oder staatliche Institutionen und vor einigen Tagen riss eine Bombenexplosion mehrere Mitglieder der Nationalgarde in den Tod. Abtrünnige Teile der Polizei attackierten zuletzt das Oberste Gericht mit einem Hubschrauber. In deutschen Medien tauchen solche Informationen allerhöchstens als Randmeldung auf und in Artikeln werden Anschläge zu „Explosionen“ umgeschrieben. Vergessen sind in diesem Zusammenhang auch der gescheiterte Putsch von 2002 in Caracas oder die lange Tradition von direkten wie indirekten Interventionen der USA in die politischen Angelegenheiten Lateinamerikas. Die Tatsache, dass Zeitungen wie die New York Times die Debatte um eine westliche Intervention eröffnet haben oder Angela Merkel einen Dialog fordert, um – wie sie selber sagte – sich einmischen zu können, verdeutlichen, wie real die Gefahr der imperialistischer Einmischung von außen ist.

All das kann aber auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es reale Probleme in Venezuela gibt und dass der gegenwärtige politische Stillstand nicht nur durch äußere Faktoren herbeigeführt ist. Kritik an der Regierung von Maduro zu üben ist nicht nur legitim, sondern auch notwendig. Das tut die PCV, die Kommunistische Partei Venezuelas. Die PCV steht auf der Seite des Widerstands gegen die reaktionäre Opposition und die imperialistische Einmischung. Sie setzt sich aber auch für eine Fortsetzung und Vertiefung des nunmehr 18jährigen bolivarischen Prozesses und seiner Weiterentwicklung zu einer sozialistischen Revolution ein. In diesem Zusammenhang fordert die PCV unter anderem die Verstaatlichung der Banken und weiterer Teile der Industrie sowie mehr Mitbestimmung für Beschäftigte. Die momentan überlebenswichtige Unterstützung der Regierung hindert sie nicht daran, Unzulänglichkeiten und Widersprüche in der Regierung zu kritisieren und sich konsequent gegen Korruption, Bürokratismus und Zugeständnisse an die Großkonzerne zu wehren. Denn gerade aus Lateinamerika wissen wir, dass fortschrittliche Prozesse sich auch wieder in ihr Gegenteil umkehren können, wenn eine Umwälzung der Eigentumsverhältnisse ausbleibt.

Erst vor kurzem reiste der Internationale Sekretär der PCV, Carolus Wimmer, durch Deutschland um über die Entwicklungen und die gegenwärtige Situation in Venezuela zu berichten. Als DKP und SDAJ beteiligten wir uns an der Ausrichtung der Veranstaltungen, auch um einen Gegenpol zu den Desinformationen in den bürgerlichen Medien zu bieten und über Probleme, Ursachen und Perspektiven in dem lateinamerikanischen Land aufzuklären.

Im Angesicht der sich zuspitzenden Lage vor Ort und der politischen und möglicherweise militärischen Intervention durch USA und EU ist es umso wichtiger auch hierzulande dagegen zu halten und Solidarität mit der Bevölkerung in Venezuela zu üben! Der Ausgang dieses bürgerkriegsähnlichen Zustands ist in seinen Auswirkungen auf das gesamte Kräfteverhältnis der Region kaum zu überschätzen.

Die bisherigen Errungenschaften des bolivarischen Prozesses, darunter kostenlose Gesundheitsversorgung, besserer Zugang zu Bildung oder die Grundversorgung mit den notwendigsten Lebensmitteln, kommen vor allem der Arbeiterklasse, den kleinen Gewerbetreibenden und den Bauern zu Gute. Das Beispiel Venezuela zeigt: Man kann sich diese Sachen erkämpfen – gegen die Interessen der Banken und Konzerne. Das ist auch der Bundesregierung ein Dorn im Auge. Deswegen wird bei uns in den Nachrichten gegen Maduro gehetzt und über verschiedene Stiftungen, wie z.B. die Konrad-Adenauer-Stiftung, die Opposition gefördert, um die Regierung zu stürzen und Venezuela wieder unter die Kontrolle des Imperialismus zu bringen.

  • Gegen imperialistische Einmischung und rechten Terror!
  • Solidarität mit den GenossInnen und den fortschrittlichen Kräften in Venezuela!
  • Für eine Vertiefung des Bolivarischen Prozesses! Für die sozialistische Revolution!

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