Working Whistleblower

veröffentlicht am: 14 Nov, 2017

Lasse ist 23 und im 3.Lehrjahr seiner Ausbildung zum Tischler – ohne Ausbildungsvergütung

„Unter der Rubrik „Vergütung“ steht in meinem Ausbildungsvertrag „0 Euro“. Ich mache meine Ausbildung beim Berufsbildungswerk in Neumünster, Träger ist dort die Diakonie. Da wir nicht regulär betrieblich, sondern in einer Lehrwerkstatt ausgebildet werden, ist das einzige Einkommen, auf das wir grundsätzlich Anspruch haben, die Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) von 114 Euro, welche uns von der Bundesagentur für Arbeit bezahlt wird. Wenn jemand wie ich unter 25 Jahre ist und noch bei seinen Eltern lebt, gibt es unter Umständen auch gar kein Geld. Ein weiteres Problem ist die Qualität der Ausbildung, die an vielen Stellen ungenügend ist. Der gesamte Bereich Bautischlerei, zum Beispiel der Ein- und Ausbau von Fenstern oder Türen, findet gar nicht statt. Das soll durch betriebliche Praktika in der freien Wirtschaft aufgefangen werden, in denen man jedoch häufig nur billige Arbeitskraft und Schleppesel ist. „Selbstverständlich“ sind diese unbezahlt und auch nicht ausreichend, um die nötige Realitätsnähe der Ausbildung herzustellen. Als Folge daraus bekommen diejenigen, die bei uns eine Ausbildung machen, zwar ihren regulären Gesellenbrief, in den Augen zukünftiger Chefs sind unsere Abschlüsse aber nicht gleichwertig mit den regulären.“

Johannes (21) berichtet von seinen Erlebnissen als Arbeiter im Hafen

„Um nach dem Ende meiner Schulzeit erst einmal Geld zu verdienen, habe ich eine Stelle als ungelernter Hafenarbeiter in Vollzeit angenommen. In der Firma, in der ich angestellt war, wurden prinzipiell Verträge vergeben, die lediglich 25-30 Stunden die Woche beinhalten. Die bedingungslose Bereitschaft zu Überstunden wurde allerdings so gut wie immer vorausgesetzt und so waren auch 50 oder 60 Stunden pro Woche keine Seltenheit. Die Lohnabrechnungen waren regelmäßig falsch und so konnte es manchmal trotz mehrmaligen Nachhakens zwei Monate dauern, bis das fehlende Geld auf dem Konto war. Einsatzpläne gab es zwar, allerdings waren kurzfristige Änderungen sogar noch am Vortag die absolute Regel. Das Sozialleben leidet unter solchen Umständen natürlich erheblich, trotzdem wurde von uns Arbeitern stets Anpassung an die Änderungen erwartet. Auch die vorgeschriebenen Ruhezeiten wurden oft völlig ignoriert und so kam es immer mal wieder vor, dass zwischen einer Spät- und Nachtschicht nur 5 Stunden lagen, die natürlich keinesfalls zur Erholung genügen. Bei Krankmeldungen versuchte der Betrieb sogar in Einzelfällen auf die Länge der Krankschreibung einzuwirken. Desweiteren hat sich der Betrieb vehement geweigert die Zeit zu vergüten, die für das Anlegen der geforderten Sicherheitskleidung und den Weg übers Hafengelände zum jeweiligen Einsatzgebiet benötigt wurde. Erwartungshaltung war, dass alle Arbeiter jeweils eine Viertelstunde von ihrer Freizeit vor und nach der Schicht dafür verwenden. Und zu guter letzt lag die Bezahlung für diese teils miserablen Arbeitsbedingungen natürlich auf Mindestlohnniveau und somit am Minimum. Das war auch ein großes Problem für viele meiner Kollegen, die mit dem geringen Einkommen ihren gesamten Lebensunterhalt bestreiten müssen oder noch zusätzlich eine Familie zu versorgen haben.“

 

Das nächste Mal wieder zur Gewerkschaft

Was „neutrale“ Bildungsträger unter Interessensvertretung verstehen

Man ist während der Ausbildung nicht gezwungen, sich alles gefallen zu lassen. Auch Auszubildende haben Rechte, beispielsweise das Recht gemäß dem Ausbildungsrahmenplan unterrichtet und ausgebildet zu werden. Um eine Ansprechperson speziell für die Interessen der Auszubildenden zu haben, gibt es in Betrieben mit mindestens fünf Jugendlichen und/oder Auszubildenden, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und in dem außerdem ein Betriebsrat existiert, die Möglichkeit eine JAV (Jugend-und Auszubildendenvertretung) zu gründen. Je nachdem, wie entschlossen diese Auszubildendenvertretung die Interessen der Jugendlichen vertritt, sind sie Ausbildern und Chefs oft ein Dorn im Auge. Wir haben mit Nick über seine Erfahrungen als Teil der JAV bei Siemens gesprochen.

POSITION: Was machst du im Betrieb?
Nick: Ich bin Auszubildender im 2.Lehrjahr bei Siemens und bei uns am Standort stellvertretender JAV-Vorsitzender. In dieser Funktion ist es wichtig, dass man darüber Bescheid weiß, was die Rechte eines JAV-Gremiums sind und natürlich auch, was die Auszubildenden für Rechte haben, um mit ihnen gemeinsam dafür kämpfen zu können, dass sie auch eingehalten werden. Zu diesem Zweck war es für uns als JAV wichtig, uns nach Bildungsangeboten für JAVen umzusehen, um unsere Aufgabe gut erledigen zu können. Ich bin Gewerkschaftsmitglied bei der IGMetall, aber als uns eine Kollegin aus dem Betriebsrat vorschlug, an einem Kongress von Poko, einem kommerziellen Anbieter für JAV-Seminare teilzunehmen, haben wir uns zunächst nichts dabei gedacht und sind hingefahren.

Wie waren deine Erfahrungen?
Nick: Das war wirklich krass. Poko schreibt sich groß auf die Fahnen „neutral“ zu sein. Das heißt aber in deren Augen im Grunde nichts anderes als Probleme klein zu reden und unter den Teppich zu kehren. Permanent wird einem vermittelt, dass Konzernleitung und Belegschaft ja eigentlich die gleichen Interessen haben und am gleichen Strang ziehen sollten. Das ist aber überhaupt nicht sinnvoll, da du als JA-Vertreter ja auf der Seite der Auszubildenden zu stehen hast. Als ich erzählt habe, mit welchen Ausbildern ich worüber streite, um die Rechte der Auszubildenden durchzusetzen, wurde mir vorgeworfen, ich sei zu konfrontativ. Dabei geht es da um Sachen, wie dass ein Ausbilder SchülerInnen öfter sexistisch und rassistisch behandelt. Da muss man doch was dagegen sagen! Allgemein war dieses Seminar eine Beleidigung für alle, die sinnvolle JAV-Arbeit machen wollen. Ich kann nur jedem raten für eine Vorbereitung auf die JAV-Tätigkeit stattdessen lieber die Seminare der Gewerkschaft zu besuchen.

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