Der offene Brief (POSITION #04/18)

veröffentlicht am: 28 Sep, 2018

An Klaus Lederer

 

Lieber Klaus,

du hast es geschafft. Mit dir an der Spitze ist die Linke in Berlin jetzt schon das zweite Mal in die Landesregierung eingezogen. Die Rot-Rot-Grüne Koalition in Berlin ist für viele Menschen, die auf eine grundsätzliche politische Wende in Deutschland hoffen, eine Blaupause für das Projekt R2G auf Bundesebene. In Berlin kannst du endlich beweisen, dass deine Partei die LINKE nicht nur aus notorischen Neinsagern besteht, sondern auch Regierungsverantwortung übernehmen kann. Aber was heißt das eigentlich konkret, wenn die LINKE Regierungsverantwortung übernimmt im Staat der herrschenden Klasse? Dieser Staat ist nicht neutral und wer in ihm mitregiert, der muss sich an die Regeln halten, die in diesem Staat gelten. Denn in Staatsräson der Bundesrepublik besagt, dass es diesen Staat ohne Nato, ohne Krieg und damit in der Konsequent auch ohne Politik gegen die Bevölkerung nicht geben. Wer da um jeden Preis mitregieren will, der muss das akzeptieren und mitmachen.

Der von dir mitausgehandelte Koalitionsvertrag las sich auf dem Papier tatsächlich erstmal gut. Er versprach umfangreiche Reformen vor allem beim brennenden Thema Wohnungspolitik.

Das war auch nötig, denn auf diesem Gebiet hat auch deine Partei in Berlin schon einiges verbockt. 2004 habt ihr zusammen mit der SPD die stadteigene Wohnungsbaugesellschaft GWS zu einem Zehntel des üblichen Marktpreises an privaten Investoren verscherbelt. In der Folge stiegen die Mieten der Bewohner der GWS rasant an und durch die Umwandlung vieler Mietwohnungen in Eigentumswohnungen wurde bezahlbarer Wohnraum immer knapper. Nach nur 5 Jahren verkauften die Investoren dann mit der Zustimmung deiner Partei die Reste der GWS an der Börse.

Inzwischen ist klar, dass euer Rot-Rot-Grün-Koalitionsvertrag nichts mit eurer „Realpolitik“ zu tun hat. Die von euch propagierte soziale Wende blieb aus. Euer neuester Plan ist es, die Berliner Schulen zu privatisieren. Vorerst soll die neue HOWOGE, eine Wohnungsbaugesellschaft, im Besitz des Landes Berlin bleiben. Auf der Internetseite der PdL Berlin schreibt ihr „Die von dem Unternehmen errichteten Schulen gehören (…) dem Unternehmen, aber auch das ist keine Privatisierung“. Aber wie leicht es ist, eine staatseigene GmbH zu privatisieren , habt ihr ja 2004 schon bewiesen und falls es zu einem Regierungswechsel kommt, wäre es ein Leichtes die HOWOGE an private Investoren zu verscherbeln. Den politischen Willen dazu gibt es in jeder bürgerlichen Partei.

Dein Wille, auf Teufel komm raus mitzuregieren, führt dazu, dass du dieselben Sachzwänge akzeptierst, mit denen die neoliberale Offensive der letzten 20 Jahre gerechtfertigt wurde. Viel mehr noch, verteidigst Du sie mit harter Linie auch gegen kritische Stimmen in den eigenen Reihen. Zum Beispiel gegen deine GenossInnen aus Neukölln, die wegen deinen Plänen fordern: Schulen vor Renditejägern schützen! Wen wundert es, dass sich viele abgehängte Menschen nach rechts wenden, wenn auch unter der „sozialen“ Alternative Rot-Rot-Grün die Verhältnisse immer schlimmer werden. Wie willst du die Menschen überzeugen, dass es Alternativen von Links gibt, wenn du selbst nicht versuchst, diese Alternativen in deiner Regierung durchzusetzen. Oder willst Du garnicht? Schließlich beschwerst Du dich öffentlich über die „Beschwörung alter Kampflinien“ innerhalb der Linkspartei. Gemeinst sind diejenigen, die daran festhalten dass „zeitweilig mobilisierende ‚antikapitalistische Kämpfe‘“ zur „primären Strategie linker Politik“ gehören. Für Dich ist Regieren wohl wichtiger als Klassenkampf…

[Cyril, Frankfurt]

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Dieser Artikel erschien in
POSITION #4/2018
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