Schmutziger Kampf um Wasser (POSITION #5/18)
INTERVIEW: SELBST WASSER IST IM KAPITALISMUS EINE WARE. DADURCH KÖNNEN GROSSMÄCHTE DEN WASSERHAN ZUDREHEN. DIE FOLGEN SIND KATASTROPHAL.
POSITION: Wasser als politische Waffe – was können wir uns darunter vorstellen?
Anselm Schindler: Das Staudamm-Projekt des türkischen Staates zielt bewusst auf die kurdischen Gebiete, auch die in Syrien und dem Irak. Dabei nutzt der türkische Staatschef Erdoğan einen einfachen Vorteil: Wer die oberen Landstriche kontrolliert, kann Macht über die Wasserversorgung der anderen ausüben. Das türkische Staudammprojekt „GAP“ (Güneydoğu Anadolu Projesi, oder auch Südostanatolien-Projekt) umfasst insgesamt 22 Staudämme mit 18 Kraftwerken. Durch dieses Mega-Projekt sinkt der Wasserspiegel und die Region wird ausgetrocknet.
Kannst Du uns ein Beispiel nennen?
Anselm: Der Xabur zum Beispiel ist ein Nebenfluss des Tigris. Er bildet die Grenze zwischen dem Irak und der Türkei. Dort wo er in den Tigris einmündet, befindet sich auch die Grenze zu Syrien. Die kurdische Selbstverwaltung in Rojava ist für gut 70% ihrer Stromproduktion auf diesen Fluss angewiesen. Doch durch die Mega-Staudamm-Politik von Erdoğan trocknet er aus, was neben den katastrophalen Folgen für die Energieversorgung auch massive Schäden für die Umwelt und Landwirtschaft mit sich bringt. Außerdem führt das Austrocknen zu schlechten Kanalisationsbedingungen, die Keimbelastung steigt, wodurch auch Krankheiten ansteigen.
Regt sich denn gegen diese Politik kein Widerstand?
Anselm: Natürlich will das niemand hinnehmen. Sowohl die irakische als auch die syrische Zentralregierung haben gegen die türkische Wasserpolitik protestiert, aber was sollen sie denn machen? Erdoğans Regierung verletzt mit ihrer Wasserpolitik internationale Verträge. Man muss dazu wissen, dass auch schon sein Vorgänger so gegen die Kurden vorgegangen ist. Überhaupt ist der Kampf mit dem Wasser keine seltene Sache. Auch der Iran hat das in den 1980er-gemacht und auch Israel entzieht damit den Palästinensern ihre Lebensgrundlage. Die israelische Rechtsregierung setzt seit langer Zeit auf gezielte Ressourcenverknappung als Teil ihrer Siedlungspolitik. In verschiedenen Regionen der Welt spielt die politische gewollte Wasserknappheit eine große Rolle, es ist also kein Problem, das sich nur in Kurdistan zeigt.
Was können hier in Deutschland dagegen tun?
Anselm: Bisher ist das ganze Thema unterbelichtet. Ökologische Themen werden bei uns in Deutschland oft den Grünen überlassen, die das ganze bürgerlich besetzt haben, jedoch keine Lösungen anzubieten haben. Denn hier zeigt sich ein gesellschaftlicher Widerspruch, der sich auch in den industriellen Zentren zeigt. Man darf nicht vergessen, dass bei uns in Europa immer wieder versucht wird, das Wasser zu privatisieren. Der Kampf um die ökologische Ressource Wasser ist also ein zentrales linkes Kampfthema. Leider gibt es bei der Lösung dieses Widerspruchs keine Zwischenschritte. Wir müssen hier unsere Alternative ins Spiel bringen: Demokratische Kontrolle durch sozialistische Planwirtschaft.
[Das Interview führte Mark, München]
Anselm Schindler (28) ist freier Journalist und Aktivist für die Initiative „Make Rojava Green again“
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